Börsenfusion Deutsche Börse plant Hochzeit mit London - schon wieder

Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter wagt einen großen Deal, so wie alle seine Vorgänger. Diesmal jubeln die Anleger. Sein Londoner Pendant flüchtet vor einem möglichen Brexit über den Kanal.

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Die Deutsche Börse und London Stock Exchange wollen fusionieren. Quelle: dpa

Der Neue macht ordentlich Dampf: Carsten Kengeter, ehemaliger Investmentbanker bei der UBS und seit Frühjahr 2015 auf dem Chefsessel der Deutschen Börse, lässt seiner Ankündigung, die Deutsche Börse zu einem Spieler in der Weltliga zu machen, Taten folgen. Frankfurt soll mit der London Stock Exchange (LSE) zusammengehen – wieder einmal. Kengeters Vor-Vorgänger Werner Seifert wird das aus einem Exil in einem irischen Küstendorf mit Interesse beobachten. Er selbst hatte den Deal mindestens zweimal versucht: Im Boomjahr 2000 ganz radikal mit dem Projekt „iX“. Zum Glück stoppte damals ein Gegenangebot der skandinavischen Börse OM den Deal – sonst wäre der gesamte deutsche Aktienhandel mit Ausnahme des wenig später völlig zertrümmerten Neuen Markts nach London abgewandert.

Die gescheiterten Fusionspläne der Deutsche Börse AG

Seiferts letzter Versuch eines Zusammengehens mit der LSE scheiterte 2005. Rebellierende Hedgefonds unter Führung von Chris Hohn jagten Seifert damals vom Hof. Wertvernichtend und nicht im Interesse der Aktionäre sei der Deal, hieß es damals. Seifert flüchtete in sein irisches Cottage und die Hedgefonds installierten den gemütlichen Schweizer Reto Francioni.

Der versuchte sein Glück dann mehrfach mit der europäischen Euronext. Die aber warf sich lieber in die Arme der New York Stock Exchange (Nyse). Eine  von Francioni mit eingefädelte Fusion der Frankfurter mit Nyse Euronext scheiterte letztlich an der schlechten Vorbereitung - die EU-Kommission legte ihr Veto ein. Seither herrschte lähmende Stille in Frankfurt - bis Kengeter kam. Der Ex-Investmentbanker macht jetzt das, was er offensichtlich am besten kann: Deals.

Positive Reaktion auf den geplanten Zusammenschluss

Im vergangenen Sommer kaufte er die Devisenhandelsbörse 360 T für 725 Millionen Euro. „Ein erstklassiges Unternehmen, mit einer ganz starken Stellung bei deutschen Großunternehmen“, lobte ein auf Börsenaktien spezialisierter Hedgefonds-Manager im Sommer die Übernahme des wertvollsten deutschen Fin-Tech-Unternehmens. Kengeter bezahlte viel, wohl aber nicht zu viel. Das scheint auch jetzt bei der LSE der Fall zu sein. Die Reaktion der Börse auf den geplanten Zusammenschluss – Deutsche-Börse-Aktien stiegen um knapp 9 Prozent, die der LSE um 19 – legt diese Vermutung auf jeden Fall nahe. Aktionäre der Deutschen Börse sollen für jede ihrer Aktien eine neue Aktie bekommen, die Aktionäre der LSE für jede LSE-Aktie 0,4421 neue Aktien erhalten. Am Ende hielten die Aktionäre der Deutschen Börse rund 54,4Prozent und die Aktionäre der LSE rund 45,6 Prozent des Kapitals, das im Zuge des Deals kräftig erhöht wird.

Kengeter weiss: Der Deal ist noch nicht durch, eine Menge kann noch schief gehen, vom Widerstand rebellischer Aktionäre bis hin zu den Kartell- und Aufsichtsbehörden. Möglicherweise hat er  aber schon abgesichert, schon mal, anders als Francioni oder Seifert, bei Behörden und Fonds vorgefühlt. Wohlmöglich ist auch deswegen schon etwas durchgesickert.

Scheitert der Deal, bedeutet das nicht zwangsweise Kengeters Abschied. Jedenfalls nicht, wenn man seine Vorgänger als Maßstab sieht, die sich ja jeder einige Fehlschüsse leisten konnten. Sein Widerpart Xavier Rolet, Chef der LSE, dürfte, anders als seine Vorgänger,  auch ein erhebliches Interesse am Gelingen haben. Denn wenn tatsächlich der Brexit, das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU, kommen sollte, stünde er ganz komfortabel mit mehr als nur einem Bein in der Eurozone.

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