Dirk Müller "Wir könnten bei Aktien bald deutliche Kursverluste sehen"

Der ehemalige "Mister Dax" Dirk Müller erklärt, warum nach Gold auch Aktien bald einbrechen könnten, warum der Euro nicht alternativlos ist und liefert eine Lösung für die Euro-Krise.

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Dirk Müller Quelle: dpa

Als Börsenhändler hatte Dirk Müller seinen Arbeitsplatz viele Jahre unter der großen Dax-Anzeigentafel. Wenn die Fotografen den Kurs fotografierten, lichteten sie Müller gleich mit ab, er wurde zu „Mister Dax“. Mittlerweile ist er zwar nach wie vor Börsenhändler, sieht sich aber mehr als Anwalt der Anleger – oder als „Dolmetscher zwischen den Finanzmärkten und den Menschen außerhalb der Börse“, wie Müller über sich selbst schreibt. Kritiker werfen ihm vor, seine Erklärungen seien zu simpel und gingen zu wenig ins Detail. Andere wiederum schätzen genau das – weil Mr. Dax die Sprache der Stammtischrunden in den Kneipen spricht.

Nach seinen ersten Büchern „C(r)ashkurs – Weltwirtschaftskrise oder Jahrhundertchance“ (2009) und „Cashkurs – So machen Sie das Beste aus Ihrem Geld – Aktien, Versicherungen, Immobilien“ (2011) erscheint am Dienstag sein neues Buch „Showdown – Der Kampf um Europa und unser Geld“. Darin erklärt er, warum der Euro von Anfang an zum Scheitern verurteilt war und beschreibt eine mögliche Lösung für das Schuldenproblem Europas. WirtschaftsWoche Online hat er erzählt, wie die Lösung aussehen soll.   

WirtschaftsWoche Online: Herr Müller, Sie und viele andere raten Anlegern immer wieder dazu, den Fokus bei der Geldanlage auf Sachwerte wie Aktien oder Rohstoffe zu legen. In den letzten Wochen gab es allerdings einen regelrechten Goldpreis-Crash. Ändert das etwas an Ihrer Einschätzung?

Müller: Nein, überhaupt nicht. Ich sehe Gold als Notnagel für schlechte Zeiten, daher bin ich relativ entspannt, was die Preise angeht. Wenn der Job verloren geht oder der Partner sich trennt, ist es unheimlich beruhigend zu wissen, eine solche Rücklage zu haben.

Die Tücken beim Immobilienkauf
Trotz kräftig gestiegener Wohnungspreise in vielen Großstädten ist in Deutschland nach einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) derzeit keine gefährliche Immobilienblase in Sicht. Bis jetzt seien Eigentumswohnungen nicht überbewertet, heißt es in der am 11. März in Köln vorgelegten Untersuchung. Die Studie habe gezeigt, dass in der jüngeren Vergangenheit vor allem Nachholeffekte die Preise für Wohnimmobilien in die Höhe getrieben hätten. Auch regional betrachtet sei der deutsche Wohnungsmarkt weitgehend gesund, hieß es. Besonders deutlich waren die Preise für Eigentumswohnungen zwischen 2010 und 2014 in München, Berlin und Hamburg gestiegen. Auf den weiteren Plätzen rangierten Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt und Köln.Worauf Immobilienkäufer dennoch achten sollten: Quelle: dpa
Nebenkosten Quelle: dpa
echenübungenUm das Thema Immobilienkauf auf einer realistischen Basis angehen zu können, muss zunächst genau gerechnet werden. Wie viel Einkommen ist vorhanden, wie groß ist der Spielraum für die Investition? Denn auch wenn Immobilienkredite derzeit besonders günstig sind: eine Komplettfinanzierung ist nicht ratsam. Experten raten, mindestens 20 Prozent der Kosten mit Eigenkapital zu finanzieren. Je mehr, desto besser. Wer weiß, wie viel Eigenkapital er aufbringen kann, der weiß auch, in welcher Preisklasse er sich auf die Suche nach einer passenden Immobilie machen kann. Quelle: dpa
ObjektbesichtigungNiemand sollte ein Gebäude kaufen, dass er nicht persönlich in Augenschein genommen hat. Selbst bei geplanten Neubauten – zum Beispiel vom Bauträger – ist die Besichtigung des Grundstücks und eines Vergleichsgebäudes (Musterhaus) zwingend. Bei bereits fertiggestellten Häusern und Gebrauchtimmobilien sind mehrere Besichtigungstermine Pflicht. Zum Beispiel kann dem Interessenten bei einer Besichtigung am Wochenende schnell der laute Schulhof ein paar Häuser weiter oder die stark befahrene Straße hinter dem Haus entgehen. Auch ein längerer Spaziergang durch die nähere Umgebung und Gespräche mit den Nachbarn helfen, ein Objekt realistisch einzuschätzen. Quelle: ZBSP
Lage, Bebauungspläne, BaugenehmigungenSpätestens mit der Besichtigung sollten sich Hauskäufer Gedanken über die Güte der Wohnlage machen. Kein Kriterium entscheidet später deutlicher über den Werterhalt einer Immobilie. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle. Wie sind Verkehrsanbindung, Einkaufsmöglichkeiten, medizinische Versorgung, Freizeitangebot und Umweltverschmutzung der Umgebung? Auch Wirtschaftskraft, Arbeitsplatzangebot und Qualität der Nachbarschaft sind Faktoren, die den Immobilienwert beeinflussen können. Außerdem sollten sich Interessenten über Bebauungspläne in unmittelbarer Nachbarschaft beim örtlichen Bauamt erkundigen. Dort gibt es auch Auskunft zu vorliegenden Baugenehmigungen und Hinweise auf Bergbauschäden, Hochwasserrisiken und ähnliches. Quelle: dpa
Beginnen Sie Ihren Rundgang im KellerNachdem die Nachbarschaft durchlaufen wurde, geht es an die Besichtigung im Inneren des Hauses. Dort sollten Sie nicht im Wohnzimmer starten, dass könnte die Stimmung positiv beeinflussen und den Blick fürs wesentliche nehmen. Ein realistischeres Bild vom Wert des Hauses bekommen Sie im Keller. Achten Sie darauf, ob er feucht ist oder es muffig riecht. Beides deutet auf Schimmel hin und könnte hohe Folgekosten haben. Auch die Heizungsanlage sollten Sie eines Blickes würdigen. Wie alt ist das Gerät, ist es eine Gasheizung? Von Nachtstromgeräten raten Experten ab. Quelle: dpa
SachverständigengutachtenInsbesondere bei einer Gebrauchtimmobilie verstecken sich die Tücken im Detail. Verdeckte Gebäudemängel sind keine Seltenheit, oftmals sind sie selbst dem Verkäufer nicht alle bekannt. Eine feuchte Dachisolierung, handwerklich verpfuschte Einbauten oder marode Gebäudesubstanz sind für den Laien nicht unbedingt erkennbar. Daher empfiehlt sich in solchen Fällen die Einschaltung eines Sachverständigen, der das Objekt genau unter die Lupe nimmt. An den Kosten dafür (mehrere hundert Euro) sollte sich der Verkäufer möglichst beteiligen. Das ist zum einen Vertrauensbeweis und hilft dem Verkäufer außerdem, sollte ein Interessent abspringen, bei den weiteren Verkaufsgesprächen Quelle: dpa

Gilt das auch für Betongold, also Immobilien?

Eigentlich bin ich ein großer Freund von Immobilien, aber nicht in der jetzigen Zeit. Denn die Preise in Deutschland sind für Anleger schon zu hoch. Vor allem ist das Angebot miserabel, entweder sind die Immobilien zu teuer, oder die Qualität ist unterirdisch. In Zeiten, in denen sogar professionelle Investoren keine geeigneten Objekte mehr finden, sollten sich Privatanleger lieber aus dem Markt fernhalten.

Trotzdem sehen viele in einer Immobilie die ideale Altersvorsorge.

Eine eigene Immobilie ist Luxus, keine Vorsorge fürs Alter. Die mittel- und langfristigen Kosten werden oft unterschätzt. Gerade im Alter drohen häufig hohe Kosten für Reparaturen. Und wenn es mal einen kleinen Engpass in der Haushaltskasse gibt, kann ich nicht einfach den Schornstein verkaufen, um in den Urlaub fahren zu können. Reich rechnen sollte man sich mit dem eigenen Haus also nicht. Es bleibt ein Luxus, den man sich gönnen kann, wenn die Finanzen es hergeben.

Welche Börsen an ihren Hochs kratzen
Dax, DeutschlandDer Deutsche Leitindex erreichte seinen Höchststand von 8.151,57 Punkten im Handelsverlauf am 13. Juli 2007. Obwohl sich die Krise am US-Immobilienmarkt bereits abzeichnete, schaffte der Dax 2007 ein Jahresplus von 23 Prozent. Momentan ist der Index ein gutes Stück vom Rekord entfernt – es fehlen über 450 Punkte. Beim Dax handelt es sich im Gegensatz zu den anderen großen Indizes wie dem Dow Jones um einen Performance-Index – in diesen werden die Dividenden der enthaltenen Unternehmen mit eingerechnet. Der Dow-Jones als Kursindex dagegen bildet nur die Kursentwicklung der Einzelwerte ab. Quelle: dapd
Dow Jones, USADas wichtigste Börsenbarometer der Welt ist an der New York Stock Exchange gelistet. Die Marktkapitalisierung aller im Dow Jones gelisteten Aktien beträgt mehr als drei Billionen Euro. Zum Vergleich: Im Dax beträgt die Marktkapitalisierung aller Aktien fast 880 Milliarden Euro. Der Dow Jones hat seinen Höchststand von 14.716,46 Punkten auf Verlaufsbasis am 09. April 2013 erreicht. Vor allem das billige Geld der Notenbanken treibe Anleger in Aktien, urteilen Analysten. Doch erste Anzeichen für ein baldiges Ende der lockeren Geldpolitik könnten den Dow Jones schnell wieder fallen lassen. Momentan notiert der Dow knapp unter seinem Hoch. Quelle: REUTERS
Nikkei 225, JapanAm 29. Dezember 1989 erreichte der Nikkei mit 38.957,44 Punkten im Handelsverlauf seinen Allzeithöchststand. Im April 2003 erreichte der wichtigste japanische Index den Tiefststand von 7.607 Punkten. Innerhalb von etwa viereinhalb Jahren hatte der Nikkei damit mehr als 80 Prozent eingebüßt. Schuld war unter anderem auch das Platzen der Spekulationsblase im Technologiesektor (Dotcom-Blase). Die Grenze von 30.000 Punkten fiel zum ersten Mal am 7. Dezember 1988 – davon ist trotz eines guten Kurses derzeit nicht einmal die Hälfte erreicht. Genauso wie der Dow-Jones-Index ist der Nikkei 225 kein Performance-Index, sondern ein preisgewichteter Kursindex. Quelle: dpa
Nasdaq 100, USADas amerikanische Pendant zum TecDax ist der Nasdaq 100, der die 100 größten Technologieunternehmen der Nasdaq enthält. Der Index listet unter anderem Börsenschwergewichte wie Apple, Google und Amazon. Seit Mai 2012 auch Facebook. Das Allzeithoch von 4.816,35 Punkten erreichte der Nasdaq 100 im Handelsverlauf des 24. März 2000. Dies verwundert wenig, da Technologieaktien um 2000 herum deutlich überbewertet waren, die sogenannte Dotcom-Blase. Deshalb notiert der Nasdaq in der vergangenen Zeit auch um rund 2000 Punkte niedriger. Quelle: REUTERS
S&P 500, USADer dritte wichtige Index aus den USA ist der S&P 500. Der von Standard & Poor's zusammengestellte Index umfasst die 500 größten US-Unternehmen und gehört damit zu den meistbeachtesten Indizes der Welt. Der klassische S&P, der auch in den Medien die meiste Beachtung findet, ist ein Kursindex. Er erreichte sein Allzeithoch von 1.576,09 Punkten im Handelsverlauf des 11. Oktober 2007. Momentan ist der Index nur wenige Punkte von seinem Rekord entfernt. Möchte man den Dax mit dem S&P vergleichen, so kann man auf den S&P 500 Total Return zurückgreifen, der wie der Dax ein Performance-Index ist. Seit dem 1. Januar 2000 hat sich der S&P 500 TR mit einer durchschnittlichen Jahresrendite von 9,7 Prozent besser entwickelt als der Dax (8,5 Prozent). Quelle: REUTERS
Euro Stoxx 50, EuropaDer wohl wichtigste Index für Europa ist der noch recht junge Euro Stoxx 50, der die größten Unternehmen aus der Euro-Zone listet. Der erst 1998 eingeführte Index erreichte sein Handelsallzeithoch von 5.495,18 Punkten am 6. März 2000. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase ging es für den Euro Stoxx 50 deutlich nach unten. Nachdem er sich wieder aufgerappelt hatte, belastete ab 2007 die weltweite Finanzkrise und das Schuldenchaos in Europa den Kurs. Zurzeit notiert der Euro Stoxx in der Nähe von 2600 Punkten. Quelle: dapd
FTSE 100, GroßbritannienDer „Footsie“, wie er umgangssprachlich genannt wird, repräsentiert 80 Prozent der Marktkapitalisierung aller Aktien, die an der Börse in London gelistet sind. Sein Allzeithoch von 6.950,60 Punkten erreicht der Index am 30. Dezember 1999 – also wenige Monate vor dem Platzen der Dotcom-Blase. Erst acht Jahre später sollte der Kurs in ähnliche Höhen kommen, dann brach die Finanzkrise aus. Aktuell fehlen zum Höchststand etwa 500 Punkte. Quelle: AP

Bleiben also nur noch Aktien als sinnvolle Geldanlage?

Ja. Allerdings besteht die Gefahr, dass wir ähnlich wie beim Gold auch bei Aktien bald deutliche Kursverluste sehen könnten. Sachwerte werden langfristig die beste Geldanlage bleiben. Aber wir müssen auch ein mögliches Szenario berücksichtigen, in dem die Kurse noch einmal deutlich unter Druck kommen können.

Warum?

Zum einen aufgrund der abkühlenden Konjunktur, auch in Deutschland. Vor allem aber haben große Investoren ein enormes Interesse daran, ihre niedrig rentierenden Staatsanleihen in den kommenden Monaten noch günstig in Sachwerte zu tauschen. Den „Big Boys“, also professionelle Investoren wie Goldman Sachs oder JP Morgan, kämen niedrige Kurse also durchaus entgegen – und nicht selten werden deren Interessen irgendwann Wirklichkeit.

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