G20 drohen mit Regulierung Die Last-Minute-Überlebensstrategie der Krypto-Branche

Bitcoin und Co.: G20 drohen mit Regulierung der Krypto-Branche Quelle: Bloomberg

Die G20-Staaten könnten kommende Woche das große Krypto-Verbot beschließen. Die Branche steuert gegen – und will schwarze Schafe nun selbst jagen.

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Kurz vor dem Treffen der Finanzminister der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) in Argentinien bringt sich die Krypto-Branche in Stellung. Aus Sorge vor einer überscharfen Regulierung durch die wichtigsten Volkswirtschaften geloben Firmen, die bisher gut am unregulierten Boom verdient haben, Besserung.

Mit dabei: Google. Lange hatte der weltgrößte Werbevermarkter den Krypto-Rausch mitbefeuert – und die Hand aufgehalten. Abertausende Anzeigen windiger Bitcoin-Buden hat Google im Netz platziert; auf der hauseigenen Video-Plattform Youtube tummeln sich Reklameclips mit 20-jährigen angeblichen Krypto-Millionären.

Damit soll jetzt Schluss sein. Ab Juni wird Google keine Anzeigen mehr für Kryptowährungen oder -börsengänge (Initial Coin Offerings, ICOs) einblenden. Auch Börsen zum Handel von Kryptowährungen oder sogenannte Wallets, in denen sie gespeichert werden, dürfen nicht mehr beworben werden. Das Verbot gilt auch für Partnerseiten und Youtube. Damit schließt sich Google dem sozialen Netzwerk Facebook an, das bereits im Januar Werbung für Bitcoin und Co. blockte, auch auf der Tochterplattform Instagram. Die Entscheidung wurde bei der Vorstellung des jährlichen „Bad Ads“-Reports bekanntgegeben, einer Bilanz über betrügerische Werbeanzeigen.

Die Kryptowährung Bitcoin hat stark an Wert verloren. Nach einem Kursrutsch am Vortag ging es auch am Donnerstagmorgen abwärts.

Eine konkrete Begründung für das Verbot der Werbung lieferte Google nicht. Facebook hatte den Schritt mit zu vielen betrügerischen Anbietern erklärt, die das aktuelle Interesse an Bitcoin und Co. ausnutzen wollten. Damit ist jegliche Krypto-Werbung – egal ob von windigen oder vielversprechenden Unternehmen – von den beiden größten Anzeigenplattformen im Netz ausgeschlossen. „Diese Maßnahme könnte als eine Art Selbstschutz für Anleger vor Bitcoin und Co. interpretiert werden“, sagte Analyst Timo Emden von Emden Research. „Neben der Bandbreite an zahlreichen Risikohinweisen scheinen digitale Taler in eine Art Kategorie für ,gefährliche Güter' eingestuft worden zu sein.“

Die Entscheidung, mit der Google auf Werbeeinnahmen verzichtet, wird in der Branche als Alarmsignal interpretiert. Die Kurse der wichtigsten Kryptowährungen reagierten negativ. Bitcoin notierte am Mittwochabend acht Prozent im Minus bei 8.431 Dollar, Ethereum und Ripple gaben neun und fünf Prozent nach. Im Vergleich zu vergangenen heftigen Kursabstürzen fielen die Verluste aber verhältnismäßig moderat aus.

Die Branche ist im Umbruch: Herrschte lange anarcho-libertäres Denken vor und der Traum, Banken und Zentralbanken überflüssig zu machen, haben heute immer mehr Akteure verstanden, dass sie nicht dauerhaft im rechtsfreien Raum agieren können. Zwar können Staaten Bitcoin und Co. nicht per se verbieten.

Aber sie können die Eintrittspunkte der Netzwerke, die Börsenbetreiber und Krypto-Geld-Produzenten, empfindlich treffen, wie chinesische und südkoreanische Behörden und die US-Aufsicht SEC gezeigt haben. Ein global abgestimmtes Vorgehen ist nicht mehr ausgeschlossen.

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Die G20-Staaten wollen Digitalwährungen schärfer beobachten lassen. In dem Entwurf für das Kommuniqué des G20-Treffens am 19. und 20. März in Buenos Aires, das die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte, heißt es, es müssten multilaterale Antworten gefunden werden, falls die Währungen ab einem bestimmten Punkt die Finanzstabilität bedrohten.

Bei dem Thema gehe es um den Verbraucher- und Investorenschutz, um Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Terror-Finanzierung. Deutschland und Frankreich hatten bereits Anfang Februar in einem Brief an die argentinische G20-Präsidentschaft auf ein Ende der unregulierten Zeiten gepocht.

Ob es in Argentinien tatsächlich zur harten Krypto-Regulierung kommt, ist offen. Ein Vertreter der japanischen Regierung hatte am Dienstag Zweifel an einer einheitlichen internationalen Linie geäußert. „Die allgemeine Stimmung unter den G20-Mitgliedern ist, dass zu strikte Regulierung nicht gut wäre“, sagte ein Regierungsvertreter in Tokio.

„Feuer mit Feuer bekämpfen“

Für die Branche heißt das: Noch ist es nicht zu spät, aktiv auf eine behutsame Regulierung zu dringen, um das Schlimmste zu verhindern. Der deutsche Vertreter des Ethereum-Netzwerks, Fabian Vogelsteller, erklärte auf einer Branchenkonferenz Ende Februar, man begrüße staatliche Regulierung ausdrücklich: „Diese macht unser System stärker.“

Professor Philipp Sandner, Leiter des Blockchain-Centers der Frankfurt School of Finance and Management, glaubt: „Maßnahmen von Regulierungsbehörden werden dazu beitragen, das Ökosystem der Krypto-Assets zu professionalisieren.“

Wie eine Regulierung mit Augenmaß aussehen könnte, hat am Dienstag Christine Lagarde skizziert. In einem Blogbeitrag auf der Seite des Internationalen Währungsfonds (IWF) schreibt die IWF-Chefin, Krypto-Assets seien aufgrund ihrer dezentralen Struktur und eines „Anonymitäts-Elements“ prädestiniert für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

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Die Warnung ist nicht neu, begleitet die Krypto-Welt seit Jahren. Neu ist der Lösungsvorschlag, den Lagarde macht. Zwar müssten einzelne kriminelle Marktplätze - wie „AlphaBay“ im Juli 2017 - verboten werden, ansonsten gelte aber: „Wir können Feuer mit Feuer bekämpfen.“ Mithilfe der Blockchain-Technologie könnten staatliche Regulierer Informationen schneller teilen und mit Anbietern in Kontakt treten. Auch die Transparenz ließe sich erhöhen: „Die Technologie, die sofortige globale Transaktionen ermöglicht, könnte dazu verwendet werden, Register mit standardisierten, überprüften Verbraucherinformationen aufzubauen“, erklärt Lagarde.

Helfen also schon bald Blockchain-Firmen mit Know-how und Software staatlichen Aufsehern bei der Verfolgung von Krypto-Verbrechern? Teile der Branche sehen ganz neue Betätigungsfelder.

Zu den umtriebigsten Vordenkern gehören die Winklevoss-Zwillinge, die an der Entwicklung von Facebook beteiligt waren. Nachdem ihr Plan, einen großen Krypto-Fonds aufzulegen, wiederholt von der US-Finanzaufsicht abgebügelt worden war, haben sie neue Ideen entwickelt. Analog zu Lagardes Vorschlag legten sie einen Masterplan für eine brancheneigene Krypto-Polizei auf den Tisch.

Die Brüder, die die Gemini-Börse für den Handel mit Bitcoin und Ether betreiben, schlagen die Gründung einer „Virtual Commodity Association“ vor, einer Selbstregulierungsstelle, die die Krypto-Märkte und -Händler überwachen soll. Die Non-Profit-Organisation könnte Industriestandards entwickeln, die Transparenz fördern und mit der Aufsicht zusammenzuarbeiten, um Betrugsfälle zu verhindern, so der Plan.

Der Einfluss von Krypto-Anlagen werde in Zukunft groß sein, „aber Individuen und Institutionen müssen sich sicher fühlen, wenn sie Transaktionen durchführen“, erklären die beiden Brüder. Schon heute arbeiten die US-Aufsichtsbehörden CFTC und SEC eng mit Selbstregulierungsstellen zusammen. Vonseiten der CFTC kommt bereits Zustimmung zum Winklevoss-Plan.

Wandelt sich die Branche also substanziell, weg von den anarchischen Wurzeln, hin zum Ansprechpartner auf Augenhöhe für Aufseher und Kunden? Eine gehörige Portion Skepsis bleibt angezeigt.

Dass staatlicher Druck disziplinierend wirken kann, zeigt das G20-Mitglied Japan. Dort greift die Aufsicht schon seit Jahren scharf durch, gleichzeitig professionalisiert sich die Branche. Exakt eine Woche vor Beginn des G20-Treffens hat die große japanische Börse Coincheck angekündigt, mit der Erstattung gestohlener Guthaben von 260.000 Kunden zu beginnen. Ab April soll außerdem eine Selbstregulierungsstelle 16 japanische Handelsplattformen überwachen. Die Pläne dürften auch in Buenos Aires diskutiert werden.

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