Geldanlage global
Unser Autor Maximilian Kunkel bespricht in seiner neue Kolumne Anlage-Chancen fernab von den Technikriesen. Quelle: REUTERS

Anlagechancen abseits der Technikriesen

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Maximilian Kunkel Chief Investment Officer, UBS Wealth Management Germany & Global Family Office Zur Kolumnen-Übersicht: Geldanlage global

Zuletzt hinkten große Teile technologiebezogener Aktien dem breiten Markt hinterher. Vor allem für mittelfristig orientierte Anleger ergibt dies selektiv Chancen abseits der großkapitalisierten US-Technologietitel.

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Viele Anleger stellten zuletzt die Tragfähigkeit erhöhter Bewertungen von technologiebezogenen Wachstumstiteln infrage, vor allem im Falle steigender Zinssätze und sich verbessernder Geschäftsbedingungen für andere Branchen. Kurzfristig würde ich zyklischen Branchen, die von der Wiedereröffnung der Wirtschaft, erhöhter Inflation und steileren Zinskurven profitieren, den Vorzug geben. Mittelfristig wird Digitalisierung neben Dekarbonisierung mit hoher Wahrscheinlichkeit das dominante Anlagethema der nächsten Jahre bleiben. Anleger sollten hier jedoch das Anlageuniversum innerhalb der Technologiebranche über die großkapitalisierten US-Unternehmen ausweiten und sich neben 5G vor allem auf das ABC der Technologie konzentrieren – Artificial Intelligence (AI; Künstliche Intelligenz, KI), Big Data und Cybersicherheit.

Das ABC der Technologie: AI (KI), Big Data, Cybersicherheit

Unternehmen und Regierungen widmen ABC-Technologien zunehmend mehr Aufmerksamkeit und Ressourcen. Wie auch in anderen Fällen wirkte auch hier die Pandemie als Katalysator. Daher erwarten wir bei UBS Global Wealth Management, dass die kombinierten Umsätze in diesen drei Segmenten von 386 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 auf 625 Milliarden im Jahr 2025 wachsen werden. Im Bereich künstliche Intelligenz dürften die Umsätze mit fast 20 Prozent pro Jahr am schnellsten steigen. Die Segmente Big Data und Cybersicherheit dürften um acht bis zehn Prozent pro Jahr zulegen und das Potenzial zur Margensteigerung bei einzelnen Unternehmen dürfte sogar noch höher liegen.

Artificial Intelligence
Künstliche Intelligenz (KI) wird verbreitet in Bereichen wie Navigation, Preisermittlung, Werbung, Gesichtserkennung und Übersetzung eingesetzt. In den kommenden Jahren werden Unternehmen zunehmend auf künstliche Intelligenz setzen, um die Kundenerfahrung zu verbessern, die Kosten für die Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen zu senken und neue Geschäftsbereiche zu entwickeln. Regierungen weltweit haben ebenfalls erkannt, dass die Förderung, Nutzung und Integration von KI in die Arbeitswelt signifikante Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wirtschaft haben kann. Entsprechend wird meiner Meinung nach beispielsweise der Druck auf die neue Bundesregierung, die 2018 präsentierte und bisher sehr zaghaft implementierte „Nationale Strategie für Künstliche Intelligenz“ zu verwirklichen, deutlich wachsen. Wir erwarten, dass der Markt für KI-Dienstleistungen und -Hardware pro Jahr um 20 Prozent auf 90 Milliarden Dollar im Jahr 2025 zulegen wird. Falls die Verbesserungen in puncto Rechenleistung, Forschung und Entwicklung sowie maschinelles Lernen und Deep Learning unsere Erwartungen übertreffen sollten, könnten sich diese Annahmen sogar als konservativ herausstellen.

Big Data
2017 titelte der Economist „The world’s most valuable resource is no longer oil, but data“. War der Rohstoff Öl der Treibstoff für die Entwicklung der Industriegesellschaft, sollen Daten der Treibstoff für die entstehende Informationsgesellschaft sein, lautet eine vielzitierte These. Tatsächlich umgibt uns dieser digitale Rohstoff ständig und überall. Aufgrund der erhöhten Internetpenetration und Vernetzung von Menschen, Maschinen, Produkten und Infrastrukturen erwarten wir, dass das globale Datenuniversum von 2020 bis 2030 um mehr als das Zehnfache auf insgesamt 660 Zettabyte ansteigen wird. Um diese Daten herkömmlich zu speichern, bräuchte jeder Mensch auf diesem Planeten 610 iPhones (128 GB). Da dies nicht realistisch ist, wird die internetbasierte Bereitstellung von Speicherplatz und Rechenleistung in Form der Cloud weiterhin an Relevanz gewinnen. Aber genau wie Öl müssen Daten aufbereitet werden, bevor sie zur Automatisierung von Geschäftsprozessen, zur Steigerung der Effizienz oder zur Verbesserung der Qualität strategischer Entscheidungsfindung verwendet werden können.

Der Lebenszyklus von Daten kann in sechs verschiedene Phasen unterteilt werden: Erstellung, Übertragung, Speicherung, Verarbeitung, Konsum und Monetarisierung. Anleger sollten sich nicht nur auf Chancen in einem dieser Bereiche konzentrieren, sondern versuchen, alle Etappen im digitalen Lebenszyklus von Daten abzudecken. Nach unseren Schätzungen dürfte der Markt für Big Data von 2020 bis 2025 um acht Prozent pro Jahr wachsen. Dies beinhaltet eine möglicherweise zu konservative Einschätzung bezüglich der Nutzung von Big Data in den Schwellenländern in naher Zukunft.

Cybersicherheit
Gemäß dem 2021 Norton Cyber Safety Insights Report sind bisher 475 Millionen Konsumenten in zehn Ländern Opfer von Cyberkriminalität geworden – allein 330 Millionen davon in den letzten zwölf Monaten. Auf Unternehmensebene hat die Umstellung auf Cloud Computing die Kosten der Unternehmen zwar spürbar gesenkt. Dadurch ist aber auch das Schadenspotenzial von Online-Angriffen erheblich gestiegen. Cloud-Sicherheit gewinnt immer stärker an Bedeutung.

Wir erwarten, dass die Cybersicherheitsbranche von 2020 bis 2025 im Durchschnitt um zehn Prozent pro Jahr wachsen wird. Cybersicherheit ist auch eines der defensivsten Segmente im IT-Bereich.

… und 5G
Die Einführung der 5G-Technologie – die 20-mal schneller ist und um 90 Prozent kürzere Latenzzeiten bietet als 4G – wird den Effekt der ABC-Technologien unserer Meinung nach weiter verstärken. Sie ermöglicht Anwendungen, die zuvor schlicht nicht realisierbar waren. Dazu zählen funkgebundene, drahtlose Hausanschlüsse (Fixed Wireless Access), autonomes Fahren, immersive Technologien für erweiterte und virtuelle Realität (AR / VR), ferngesteuerte Chirurgie, das industrielle Internet der Dinge (IoT), datengestützte Agrartechnik und hochvernetzte Smart Cities.

Ein Blick abseits der Mega Caps

Mit Investitionen in großkapitalisierten Technologieunternehmen, die in den maßgeblichen Aktienindizes ein erhebliches Gewicht haben (etwa 20 Prozent des MSCI All Country World Index), können Anleger ein gewisses Engagement in ABC-Technologien und 5G aufbauen. Jedoch sehe ich drei Gründe gerade in Bezug auf solche Schlüsseltechnologien, Titel von Unternehmen mit tieferer oder mittlerer Börsenkapitalisierung stärker zu gewichten, als dies üblicherweise erfolgt. Erstens, das höhere Gewinnwachstum. Zweitens, geringere regulatorische und steuerliche Risiken; kleinere Unternehmen dürften von den Regulierungsbehörden weniger ins Visier genommen werden als Mega Caps. Drittens, die Konsolidierung; kleinere Technologieunternehmen können von Fusionen profitieren, wenn reifere Mega-Cap-Unternehmen versuchen, Wachstum zu kaufen.

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Anleger mit der nötigen Kenntnis und Erfahrung können zusätzlich durch Private Equity einen breiteren Zugang erhalten. Gemäß dem Datenanbieter Pitchbook sind gerade einmal zwei Prozent aller Technologieunternehmen weltweit an der Börse kotiert. Zusätzlich bleiben Unternehmen länger für Aktienmarktanleger unzugänglich. Gemäß Studien der Universität von Florida waren 1999 Tech-Unternehmen noch durchschnittlich fünf Jahre alt, bevor sie an die Börse gingen. 2021 waren sie bereits durchschnittlich elf Jahre alt und erlebten somit einen großen Teil des frühen Wachstums außerhalb der Börse.

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