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Ein Händler an der New Yorker Börse. Quelle: dpa

Inflation, Zinsängste und Ukraine-Krieg – was jetzt?

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Maximilian Kunkel Chief Investment Officer, UBS Wealth Management Germany & Global Family Office Zur Kolumnen-Übersicht: Geldanlage global

Das Umfeld ist für Anleger deutlich unübersichtlicher geworden. Rohstoffe bieten sich weiterhin als Absicherung gegen geopolitische Spannungen an.

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Meine Kollegen des UBS Global Wealth Management und ich hielten das gesamte vergangene Jahr an unserer positiven Einschätzung für Aktien fest. Im Nachhinein kann man sagen, dass das Umfeld klar dafür sprach. Man möchte Aktien übergewichten, wenn Analysten immer wieder und auf breiter Front ihre Gewinnprognosen nach oben revidieren, wenn Zentralbanken sich vornehmlich darauf konzentrieren, das Wachstum zu unterstützen und die Finanzierungsbedingungen so günstig wie möglich zu halten, und die Wirtschaft noch erhebliche freie Kapazitäten hat. Allerdings ist die derzeitige Situation komplizierter als noch Anfang oder Mitte vorigen Jahres.

Dennoch sollte man sich nicht vollends von Aktien verabschieden. Der Aufschwung der Unternehmensgewinne wird – wie die aktuelle Quartalsberichtssaison vor allem in der Eurozone eindrücklich aufzeigt – weiterhin unterschätzt. Die Finanzierungsbedingungen sind trotz der Entwicklungen an den Finanzmärkten seit Jahresbeginn immer noch sehr günstig. Absolute Bewertungen sind teilweise deutlich zurückgekommen. Zusätzlich war der aktuell weit verbreitete Pessimismus bei Anlegern außerhalb von Rezessionen in der Vergangenheit ein relativ zuverlässiger Kontraindikator.

Jedoch sollten wir nicht von außergewöhnlich hohen Renditen bei außergewöhnlich tiefen Schwankungen – wie wir es vergangenes Jahr erlebt haben – ausgehen. Das Wachstum dürfte sich nach der post-Omikron-Beschleunigung im zweiten Quartal wieder Richtung normalere Niveaus in der zweiten Jahreshälfte bewegen. Gepaart mit weniger Potenzial für Bewertungsausweitungen aufgrund der steigenden inflationsbereinigten Zinsen dürfte dies zu den gewohnten Aktienmarktrenditen auf Indexebenen führen.

Während die Zentralbanken in jüngster Vergangenheit die Schwankungen an den Finanzmärkten unterdrückt hatten, nehmen sie sie jetzt teilweise in Kauf. Aufgrund der verbesserten Wirtschaftslage müssen sich die Zentralbanken nicht mehr vornehmlich darauf konzentrieren, das Wachstum zu unterstützen, sondern der Inflation stärker entgegentreten. Entsprechend macht es aus meiner Sicht Sinn, dass die aktuellen Anleihekaufprogramme über die nächsten Monate zu Ende gebracht werden und die Zinsen wieder erhöht werden.

Was jedoch aus meiner Sicht keinen Sinn macht, ist die Annahme einiger Marktteilnehmer, dass die Zentralbanken in einen Panikmodus verfallen sind und die Wirtschaft durch eine harte Anti-Inflationspolitik in eine Rezession treiben wollen, um die Anstieg der Preise im Zaum zu halten. Die Zentralbanken wissen, dass die derzeit erhöhten Teuerungsraten weniger auf eine überhitzte Konjunktur, die man mit höheren Zinsen wieder abkühlen könnte, sondern größtenteils auf Basiseffekte bei Energiepreisen und pandemiebedingten Nachfrageverschiebungen zurückzuführen sind.

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Die Zentralbanken können hier nur bedingt eingreifen. Im Jahresvergleich werden sich diese vorübergehenden Inflationstreiber aber erst ab Ende des zweiten Quartals abschwächen. Entsprechend wird uns das Thema Inflation und Spekulationen über die Reaktion der Zentralbanken auf erhöhte Teuerungsraten noch einige Zeit beschäftigen. Doch basierend auf den bereits eingepreisten Zinsschritten wird es für Zentralbanken mittlerweile schwierig, die Märkte in naher Zukunft negativ zu überraschen. Wie ich an dieser Stelle vergangenen Monat schrieb, ist es in Anbetracht der höheren Verschuldung nach der Coronakrise längerfristig sowieso fragwürdig, ob die Leitzinsen deutlich über die Teuerungsraten gehoben werden können.

Für die langfristige Anlagestrategie bedeutet dies weiterhin, dass reale Vermögenswerte wie Unternehmensbeteiligungen, Immobilien und Rohstoffe gegenüber nominalen Vermögenswerten wie Anleihen und Cash zu bevorzugen sind. Neben den Inflations- und Zinsängsten waren die Marktturbulenzen der vorigen Wochen auf die Ukraine-Krise zurückzuführen.

Für die Weltwirtschaft ist in diesem Zusammenhang vor allem die Verfügbarkeit und Preisentwicklung bei mehreren Rohstoffen relevant. Russland macht über zehn Prozent der weltweiten Ölproduktion und rund 40 Prozent der europäischen Gasimporte aus und ist zusätzlich ein bedeutender Lieferant von Palladium, Nickel, Aluminium und anderen Rohstoffen. Entsprechend gilt es vor allem zu beachten, ob der Konflikt auf ein Niveau eskaliert, in dem Energielieferungen unterbrochen werden. Sollte beispielsweise der Ölpreis über zwei Quartale hinweg auf 125 Dollar je Barrel oder mehr steigen, würde dies das weltweite BIP-Wachstum um etwa einen halben Prozentpunkt mindern und eine höhere Inflation verursachen, die sich auf die Kaufkraft der Verbraucher auswirken würde.

Dies ist jedoch aus unserer Sicht ein Risikoszenario und kein Basisszenario. Nicht einmal im Kalten Krieg kam es zu Unterbrechungen bei Energielieferungen aus der damaligen Sowjetunion. Der russische Energiesektor machte 2019 fast 20 Prozent des russischen Bruttoinlandprodukts und 40 Prozent der Steuereinnahmen aus, so dass eine längere Unterbrechung der Energieexporte nach Europa der russischen Wirtschaft erheblich schaden würde. Die Entwicklung des Konflikts bleibt enorm schwierig vorherzusagen, sodass wir nicht einzelnen Szenarien hohe Wahrscheinlichkeiten beimessen. Dies ist nicht unüblich bei geopolitischen Krisen. In der Vergangenheit war das größte Risiko für Anleger in solchen Situationen eine Überreaktion oder eine zu geringe Diversifikation.



Über die letzten Jahrzehnte hatten militärische Konflikte nur kurze Auswirkungen auf den weltweiten Aktienmarkt. Anleger mit einem sinnvoll diversifizierten Portfolio und einem langfristigen Vermögensplan sollten sowohl im Falle einer weiteren Eskalation als auch einer Entspannung der Lage gut aufgestellt sein. Vor allem für Anleger, die sich gegen geopolitische Risiken zumindest teilweise absichern möchten, lohnen sich meiner Meinung nach weiterhin Engagements in Rohstoffen. Gold sollte aufgrund gestiegener inflationsbereinigter Zinsen und dem starken US-Dollar hier weniger im Fokus liegen. Energiepreise hingegen könnten, wie erwähnt, im Falle einer weiteren Eskalation zusätzlich anziehen und sollten sich angesichts steigender Nachfrage und weiterhin eingeschränktem Angebot auch in einem positiveren Szenario auf erhöhten Niveaus halten.

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