




Hochfrequenzhändler lassen Rechner Tausende von Wertpapierorders binnen Millisekunden an die Börsen feuern. Sie verdienen an winzigen Kursverschiebungen – indem sie etwa große Aufträge von Anlegern ausspähen, die Aktie selber kaufen und sie teurer wieder losschlagen. Da wäre es doch schön, wenn Anleger mitverdienen könnten. Die gute Nachricht: Am 10. Juli ist mit Flow Traders der erste Blitzhändler in Europa an die Börse Euronext Amsterdam gegangen.
Bisher scheuten Supertrader das Licht der Öffentlichkeit, sie hielten Strategien und Zahlen geheim. Es könnten ja Nachahmer kommen. Flow Traders hat den Börsengang (IPO) dennoch gewagt, mit Erfolg. Wer beim IPO dabei war, konnte 20 Prozent Gewinn machen. Eine bombastische Investmentidee also?
Die Zahlen der Niederländer sehen gut aus (siehe Grafik). Die Börse bewertet das Unternehmen mit 1,8 Milliarden Euro. Gemessen an geschätzt 100 Millionen Euro Gewinn 2015 – nach 68 Millionen 2014 –, ist das ambitioniert. Das Haus, das auf eigene Rechnung handelt, hat modernste Technik und verdient mit Spezialwissen: Flow Traders rechnet in 32 Ländern und an 94 Börsen An- und Verkaufspreise für börsengehandelte Indexfonds (ETFs) aus. 2014 haben die Niederländer für 527 Milliarden Euro gehandelt.

ETFs sind, weil billiger als von Fondsmanagern verwaltete Fonds, beliebt. Über sie können Privatanleger in alle Papiere investieren, die in einem Index wie dem Dax vertreten sind. Im Idealfall kauft der ETF-Anbieter dann alle Dax-Aktien real ein. Der Anleger gewinnt, wenn der Dax steigt. Der Vermögensverwalter Blackrock ist größter Anbieter von ETFs. Volumen: mehr als eine Billion US-Dollar. Weil Blackrock das Thema treibt, gibt es Chancen auf Wachstum auch für Flow Traders. Für deren Aktie spricht zudem, dass Blackrock zugegriffen haben soll und Flow-Traders-Aktien gekauft hat.
Klar ist aber auch, dass Flow Traders nicht diversifiziert ist. Das Unternehmen setzt nur auf ETFs. Das Geschäft ist nicht ohne: Wer Preise für ETFs stellen will, muss die Risiken aller Einzeltitel im Korb berechnen. In vielen ETFs sind auch illiquide Werte. Im Markt wird außerdem auch auf Pump gearbeitet. Hat ein Investor ETFs mit geliehenem Geld gekauft, könnte er bei Markteinbrüchen schnell verkaufen müssen. Folge: Der ETF-Anbieter kommt kaum aus illiquiden Papieren raus, die Preise fallen, ETFs werden selber illiquide. So hat der berühmte US-Investor Carl Icahn jüngst davor gewarnt, dass der ETF-Markt wenig aufnahmefähig für Verkaufswellen sei.
Orders an der Börse vorbeischleusen
Vorreiter an der Börse war im April der US-Hochfrequenzhändler Virtu Financial. Auch bei Virtu steigen Erlöse. Wieso, fragt man sich, wollen Menschen, die quasi eine Gelddruckmaschine haben, mit anderen teilen?
Problem von Virtu könnte sein, dass das Geschäft mit Aktien schwieriger wird. Fondsmanager wollen Orders den schnellen Händlern nicht mehr zum Fraß vorwerfen. Millionenaufträge werden daher über Plattformen abgewickelt, von denen Hochfrequenzhändler ferngehalten werden. Großaufträge, das Futter der Blitzhändler, fehlen so an der Börse. Je illiquider sie werden, desto riskanter wird das Geschäft der Hochfrequenzhändler; sie laufen Gefahr, dass sie Aktien zusammenraffen, für die es in den nächsten Sekunden keinen Käufer gibt.
Blitzhändler werden zudem immer heftiger reguliert. Denkbar ist, dass sie künftig mehr Kapital hinterlegen müssen – teuer. In Deutschland müssen Händler computergesteuerte Aufträge jetzt kennzeichnen und nummerieren. Rund ein Viertel der Handelsaufträge gilt laut Deutscher Börse als hochfrequent, weitaus mehr Orders aber wurden von Computern generiert. „Die Handelsüberwachung sieht seither, welche Aufträge ein Algorithmus abgibt“, sagt ein Aufseher. Sie kann nachfragen. Hochfrequenzhändler aber scheuen Fragen.
Der Markt ist härter geworden. Hohe Kosten für immer schnellere Leitungen und Technik zwingen Händler, sich zusammenzuschließen oder gar ganz aufzugeben.
Vielleicht sollte man die Party verlassen, wenn es am schönsten ist – auch als Anleger.