Kurzum: Im Bereich des menschlichen Handelns lassen sich keine konstanten Ursache-Wirkungs-Beziehungen, die naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten charakterisieren, ausfindig machen. Es gibt sie schlichtweg nicht. Und doch bedienen sich viele Prognostiker aus Geschäfts- und Zentralbanken und Forschungsinstitutionen einer im Kern naturwissenschaftlichen Vorgehensweise. Das mag auch erklären, warum die Prognosegüte für das Finanzmarkt- und Wirtschaftsgeschehen vielfach enttäuschend ist. Für den Investor bieten die handelsüblichen Prognosen der Ökonomen zumindest keine solide Grundlage, um gute Investitionsentscheidungen treffen zu können.
Wohlgemerkt: Kritisiert wird hier die Prognosetätigkeit, die sich auf eine naturwissenschaftliche Vorgehensweise beruft (hierzu zählt auch zum Beispiel der Einsatz von „Künstlicher Intelligenz“ in Form von „neuronalen Netzen“ in der Finanzmarktprognose). Ihren Ergebnissen sollte der Investor aus den genannten Gründen kein Vertrauen entgegenbringen. Das heißt nun aber nicht, dass es niemanden geben könnte, der sich durch treffsichere Prognosen im Finanz- und Wirtschaftsbereich auszeichnen würde.
Wenn es ihn gibt, wird sich sein Erfolg jedoch nicht damit erklären lassen, dass er sich bei der Erstellung seiner Prognosen einer naturwissenschaftlichen Vorgehensweise bedient. Seine Treffsicherheit muss eine andere Ursache haben. Beispielsweise die ihm ganz eigene Fähigkeit – die ihm vielleicht von der Natur geschenkt wurde, oder die er sich hart durch das Verstehen des Weltgeschehens erarbeitet hat –, den künftigen Gang der Dinge richtig abschätzen zu können. Eine letztendlich allgemeingültige Erklärung für eine solch beneidenswerte, vermutlich rar gesäte Begabung muss man jedoch wohl schuldig bleiben.
Für Anleger gilt: Mikro statt Makro
Was kann der Anleger aus all dem lernen? Er sollte gegenüber Wirtschafts- und Finanzmarktprognosen skeptisch sein, sie am besten unter den Generalverdacht stellen, sie nicht kritiklos als Basis für Investitionsentscheidungen verwenden. Verlässliche Prognostiker zu finden, mag zwar nicht gänzlich unmöglich sein (vielleicht gibt es sogar viele von diesen Exemplaren), aber für die meisten Anleger ist es nicht allzu wahrscheinlich, dass sie sie auffinden und mit ihnen zusammenarbeiten können.
Ein vernünftiger Schluss aus Sicht des Investors lautet: „Mikro statt Makro“. Das heißt: Richte Deine Aufmerksamkeit und Energie auf das Analysieren von Unternehmen aus, mache Deine Investitionsentscheidungen nicht abhängig von luftigen Einschätzungen über die Zukunft.
Aber ist nicht der künftige Erfolg von Unternehmen ebenso schwer vorhersehbar? Die Antwort lautet nein – wenn man sich auf den Kreis der Unternehmen beschränkt, deren Geschäfte man versteht, und wenn man die Unternehmen meidet, deren Geschäftsmodelle nicht in den eigenen Kompetenzradius passen. So begibt der Investor sich in eine aussichtsreiche Position, die (Markt-)Veränderungen, die relevant für den Erfolg des Unternehmens sind, frühzeitig zu erkennen, richtig einzuschätzen und kluge Entscheidungen treffen zu können.