Kakaopreise Schokolade wird zum Luxusgut

Der Schokohase muss diese Ostern nicht einmal handgefertigt sein, um preislich durch die Decke zu gehen. Quelle: imago images

Schlechte Nachrichten für Schokoladenliebhaber: Kurz vor Ostern schießt der Preis für Kakao durch die Decke. Wie in früheren Zeiten.

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Der Preisanstieg von Kakao wird immer extremer. Seit September 2022 hat sich eine Tonne an den Warenterminmärkten um rund 340 Prozent verteuert. Exakt 17.000 Tage hatte es gedauert, bis Kakao seinen Rekordpreis vom 18. Juli 1977 einstellte. Damals erreichte der Preis in der Spitze 5010 Dollar pro Tonne. Am 2. Februar 2024 fiel die Marke. Und auch danach ging es nach oben – immer steiler, wie an einer Fahnenstange hochgezogen auf bis zu 10.080 Dollar.

Warum der Preis in den vergangenen Monaten so stark nach oben gegangen ist? Mehrere Dinge kommen zusammen. Zum einen liegt es an den Kakaobäumen. Insgesamt stammen zwei Drittel der weltweiten Kakaoernte aus Westafrika. Die Elfenbeinküste ist mit einem Marktanteil von 40 Prozent das mit Abstand wichtigste Erzeugerland, gefolgt vom Nachbarland Ghana mit 13 Prozent. Auf Kamerun entfallen knapp sieben Prozent und auf Nigeria sechs Prozent der Weltproduktion. Das hat einen Grund: Nur in Äquatornähe findet der empfindliche Kakaobaum die gleichbleibend feuchtwarme Umgebung, die er zum Gedeihen braucht.

Jahrelang wurde zu viel Kakao produziert

Im Zuge der Kommerzialisierung wurden Plantagen angelegt. Weil sich in Monokulturen schnell Krankheiten auszubreiten, mussten diese durch den Einsatz von Pestiziden unter Kontrolle gehalten werden. Mit entsprechend hoher Düngung war es möglich, gewaltige Ernteerträge zu erzielen. Dem Höchststand, den der Kakaopreis in den 1970er-Jahren erreichte, folgte ein ebenso steiler Abstieg: Obwohl der Konsum Jahr für Jahr nach oben ging, wurde viel zu viel Kakao produziert. Die Preise purzelten – seit dem Hoch von 1977 kostete eine Tonne durchschnittlich nur knapp mehr als 2000 Dollar. Plantagen waren nicht mehr rentabel – ein wichtiger Grund, warum heute große Handelshäuser und Schokoladenhersteller keine eigenen Plantagen unterhalten.

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von Hendrik Varnholt

Eine Folge der tiefen Preise wirkt heute nach: Der Baumbestand wurde kaum erneuert. Die letzte größere Welle von Baumpflanzungen in Westafrika, vor allem im Nordwesten der Elfenbeinküste, liegt fast 25 Jahre zurück. Kakaobäume höheren Alters bringen geringere Erträge und sind anfälliger für schlechtes Wetter und Krankheiten. Zugleich hat sich die Bewirtschaftung der Bäume verschlechtert, weil Kakaobauern das Geld für Düngemittel und Pflanzenschutzmittel fehlte.

Zudem haben starke Regenfälle im vergangenen Jahr zur Ausbreitung einer Pflanzenkrankheit geführt, was wiederum eine geringere Zwischenernte zur Folge hatte. Das Wetterphänomen El Niño, das meist begleitet wird von großer Trockenheit in Westafrika, hat dann die im Oktober startende Haupternte beeinträchtigt. Verstärkt wurden die Probleme durch den saisonal intensiven Harmattan, einem trockenen Landwind aus der Sahara, der zwischen Dezember und Januar Westafrika erreicht.

Dramatisch geringe Lagerbestände

Die Folge: Seit Beginn der Erntesaison 2023/24 sind die Anlieferungen in den westafrikanischen Kakaohäfen im Vergleich zum Vorjahr dramatisch zurückgegangen: in den ivorischen Häfen um 28 Prozent, in den ghanaischen Häfen um 35 Prozent. Auch in dieser Saison steuert der weltweite Kakaomarkt auf ein Angebotsdefizit zu, das dritte in Serie und das vermutlich größte aller Zeiten. Die International Cocoa Organization (ICCO), ein Zusammenschluss von Kakao produzierenden und importierenden Staaten mit Sitz im ivorischen Abidjan, geht von einem Defizit von 331.000 Tonnen aus, nach 24.000 Tonnen 2022/23 und 168.000 Tonnen 2021/22. Andere Schätzungen sehen das Defizit gar bei bis zu 500.000 Tonnen. Die Lagerbestände im Vergleich zum Verbrauch, die sogenannte Stocks-to-Use-Ratio, fiele dann auf etwa 25 Prozent. Es wäre der tiefste Stand seit dem Rekordjahr 1977. Damals lag das Verhältnis bei 19,1 Prozent.

Der weltweite Kakaobedarf wird zu mehr als 90 Prozent von Kleinbauern gedeckt. Diese bewirtschaften in der Regel weniger als fünf Hektar Land. Schätzungsweise fünf Millionen Farmer leben mit ihren Familien vom Kakao. Dazu kommen Erntehelfer, die für die aufwändige Arbeit eingesetzt werden. Die Schoten müssen einzeln mit der Machete abgeschlagen und von Hand zerteilt, anschließend die Bohnen herausgeholt, in Bottichen fermentiert und getrocknet werden.

Anpflanzung, Anbau und Ernte von Kakaobäumen bringt wenig ein. Verdient wird erst am Handel von Kakaobohnen und ihrer Verarbeitung.

Fixe Preise für Kakaobauern

Die lokalen Kakaomärkte der Elfenbeinküste und Ghanas werden von ihren Regierungen streng kontrolliert. Die Behörden legen offizielle Preise fest. Durch den Verkauf auf Termin garantiert das den Kakaobauern zwar einen fixen Preis. Das bedeutet aber zugleich, dass die Bauern ihre Preise nicht erhöhen können, wenn ihre Ernte schlechter ausfällt. Für die aktuelle Ernte 2023/24 erhalten beispielsweise die ivorischen Landwirte pro Kilogramm 1000 CFA-Franc BCEAO.

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Der CFA-Franc BCEAO ist die Währung der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion, die aus Benin, Burkina Faso, der Elfenbeinküste, Guinea-Bissau, Mali, Niger, Senegal und Togo besteht. Die Währung ist an den Euro gekoppelt. Ein Euro entspricht 655,957 CFA-Franc. Umgerechnet in Dollar erhält der ivorische Kakaobauer also knapp 1,65 Dollar pro Kilogramm. Das liegt rund 83 Prozent unter dem aktuellen Preis an den Terminmärkten.

Kakao gehört neben Kaffee und Erdöl zu den weltweit am meisten gehandelten Rohstoffen. Das Ergebnis jahrzehntelanger Unterinvestition bei wachsender Nachfrage nach Schokolade entlädt sich jetzt in dem dramatischen Anstieg der Preise. Die Welt aber braucht höhere Preise, um die Wiederanpflanzung von Millionen alter Bäume zu fördern und die bestehenden Bäume besser zu pflegen und zu schützen. Dann wird sich die Produktion früher oder später wieder erholen. So gesehen läuft ein ganz normaler Rohstoffzyklus.



Es droht Verkaufsverbot

Als Katalysator des starken Preissprungs wird von der ICCO auch die Waldschutzverordnung der Europäischen Union (EU) ins Spiel gebracht. Die Verordnung ist seit dem 30. Juni 2023 in Kraft und ist nach einer Übergangszeit von 18 Monaten vom 30. Dezember 2024 an anzuwenden. Dann müssen Importeure und Händler von Kakao, aber auch von Kaffee, Soja, Palmöl, Rindern, Holz und Kautschuk, für Einführung und Verkauf in die EU den Nachweis erbringen, dass ihre Waren aus entwaldungsfreien Anbaugebieten stammen. Andernfalls greift ein Verkaufsverbot. Das sorgt aktuell für eine zunehmende Bevorratung und verteuert die Preise für Kakao zusätzlich.

Dieser Effekt könnte aber bald nachlassen. Auch die Wetteraussichten für Westafrika waren zuletzt günstiger. Das könnte etwas Druck vom Kakaopreis nehmen. Große Hoffnungen, dass es auf absehbare Zeit wieder in weit tiefere Preisregionen geht, sollten sich Einkäufer und Schokoliebhaber aber besser nicht machen. Dazu reicht ein Blick auf die Terminmärkte. Wer sich an der Intercontinental Exchange etwa mit Blick auf das nächste Weihnachtsgeschäft zum Liefertermin im September eine Tonne Kakaobohnen sichern will, muss 8589 Dollar zahlen, rund 60 Prozent mehr als noch vor einem Monat.

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Trotzdem: Teuer ist Kakao eigentlich nicht. Er ist sogar immer noch viel preiswerter als vor fast 47 Jahren. Warum? Wegen der Inflation. Werden die Kaufkraftverluste der letzten Jahrzehnte eingerechnet, müsste Kakao heute gar mehr als 25.000 Dollar pro Tonne kosten, um das Niveau von 1977 zu erreichen. Trotzdem ist der mediale Aufschrei groß. „Hilfe, Schokolade wird unerschwinglich, das sind ja Apothekenpreise.“ Wobei Kakao tatsächlich auch eine pharmazeutische Vergangenheit hat: Wegen ihrer angeblich positiven Wirkung auf die Gesundheit wurde Schokolade im 19. Jahrhundert in Apotheken verkauft.

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