Möbelkonzern Steinhoff Das Ende eines Wundermärchens

Dem rasanten Aufstieg des Möbelriesen Steinhoff folgte binnen weniger Stunden der tiefe Fall. Keine Behörde und kaum ein Analyst haben die Substanz hinter dem glänzenden Bilanzkunstwerk geprüft. Ein Kommentar.

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Umsatzzahlen sind im Konzern kaum nachvollziehbar.

Die Geschichte des  langjährigen Steinhoff-Lenkers Markus Jooste  erinnert an Goethes Ballade vom Zauberlehrling. Darin gelingt es einem intelligenten Schüler, einen alten Besen so zu verzaubern, dass er immer neues Wasser herbeischafft. Bis der gelehrige Junge in den Wassermassen unterzugehen droht. „Die Geister, die ich rief, werd‘ ich nun nicht los“,  schreit er  verzweifelt. Das Desaster scheint kaum noch abwendbar.

Auch Jooste erwies sich im übertragenen Sinn als hochbegabter Zauberkünstler. Er hat Rechnungslegung an der südafrikanischen Eliteuniversität von Stellenbosch studiert. Mit dem dort erlernten Handwerk hat er aus dem kleinen Möbelhandel von Firmengründer Bruno Steinhoff ein riesiges Konsumgüterreich geschaffen. Dabei hat er ein derart imposantes Umsatz- und Gewinnwachstum vorgelegt, dass sich mancher Investor die Augen rieb. „Bilanzen-Manager“ nannte Jooste sich. Wie im Rausch kaufte die Steinhoff-Gruppe unter Jooste immer neue Firmen dazu, die Textilkette Pepkor in Südafrika, die Möbelketten Kika und Leiner in Österreich, die Billigladenkette Poundland in Großbritannien oder den Matratzengiganten First Matress in den USA. Als gäbe es keine Grenzen.

Was er nicht alleine schaffte, versuchte Chefdenker Jooste im Joint Venture oder über Beteiligungen. Die deutsche Möbelkette Poco und den französischen Möbelgiganten Conforama etwa hat er gemeinschaftlich mit dem österreichischen Möbelkonzern XXXLutz  gekauft. Zuletzt meldete die Steinhoff-Gruppe einen Umsatz von 20 Milliarden Euro. Wo der hohe Umsatz und die Gewinne herkamen und warum die Steuern dabei nur gut zehn Prozent vom  Gewinn betrugen, das konnten Außenstehende kaum noch nachvollziehen. Dies wusste nur der Zahlenzauberer selbst.

Warnzeichen gab es viele

Es wimmelt im Steinhoff-Reich von Investmentholdings, von Übergesellschaften und Untergesellschaften. Sie heißen „Tau Enterprises GmbH“, „Laguna Investment Alpha B.V.“ oder „Genesis Investments Beta“. Geschäftsführer sind  dabei fast immer die gleichen Steinhoff-Manager.

Dass in dem Werk Hokuspokus stecken könnte, dafür gab es Warnzeichen. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen möglicher Bilanzmanipulation seit Dezember 2015, Zeitungsartikel über Finanzverschiebungen. Man hätte vielleicht auch sehen können, dass gigantische Positionen von Goodwill (Teil des Kaufpreises, der beim Kauf eines Unternehmens über den Buchwert hinausgeht) oder immateriellen Vermögenspositionen (wie etwa Markenrechte) die Bilanz schmücken. Posten, die leicht klein- oder großgerechnet werden können.

Doch gestört hat das niemanden. Nicht die Deutsche Börse: Sie prüft bei Börsengängen nicht nach Inhalten, sondern nur, ob alle Dokumente vorliegen.

Auch nicht die Wertpapieraufsicht Bafin: Sie checkt Wertpapierprospekte nach formellen Kriterien, nicht auf ökonomische Schlüssigkeit. 

Und ebenso die Analysten glaubten Joostes Story: Die Anleihe war bis zum Schluss als Investmentgrade geratet. Sogar die EZB hat Steinhoff-Anleihen gekauft. Die Wirtschaftsprüfer haben bis zum vergangenen Quartal das Zahlenwerk abgesegnet. Strengere Rechnungsvorschriften geben auch jetzt noch großen Bewertungsspielraum. Steueroasen mitten in Europa wie die Niederlande oder die Schweiz sind eine Selbstverständlichkeit.

Endlich verweigerten nun Wirtschaftsprüfer ihr Testat. Steinhoff kämpft mit Zeichen des Untergangs. Das Unternehmen warnt jetzt selbst: Die bisherigen Zahlen müssen möglicherweise revidiert werden. Bilanzpositionen von sechs Milliarden Euro müssten neu überprüft werden. Mit dem Verkauf von Randgeschäften will das Unternehmen Liquidität schaffen. Die Einzelhandelstochter Star soll sich günstiger refinanzieren. Beim Handel mit Steinhoff-Aktien sei Vorsicht geboten, heißt es gar. Die Aktie ist nur noch ein Penny-Stock. Und Markus Jooste schreibt in einem Brief an die Mitarbeiter: „Ich habe großen Schaden damit verursacht, dass ich keine testierten Zahlen vorlegen kann. Viele unschuldige Menschen haben durch mich viel Geld verloren.“

Bei Steinhoff ist jetzt wohl Schluss mit Tricksereien. Doch die Story ist noch nicht zu Ende und geht vielleicht nicht so gut aus, wie Goethes Ballade. Wieder einmal erlebt die Investorengemeinde: Das System braucht an allen Ecken mehr Kontrolle. Dringend. Die Börse ist schließlich keine Bühne für Wundermärchen, und kein Zauberer kann auf dem Parkett entstandene Schäden durch ein Simsalabim wieder gut machen.

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