Doch einige Eckpunkte des 25 Milliarden Euro schweren Zusammenschlusses, der bereits im Februar verkündet wurde, könnten anschließend noch einmal geändert werden. Das gilt besonders für den geplanten Sitz der fusionierten Mega-Börse in London. An ihm können die Unternehmen aus Sicht von Experten nicht festhalten, wenn sie eine realistische Chance haben wollen, von den Aufsichtsbehörden in Brüssel und Wiesbaden grünes Licht für die Fusion zu bekommen.
"Es ist schwer vorstellbar, dass der wichtigste Börsenplatz im Euro-Raum von einem Standort außerhalb der EU gesteuert wird", sagte Felix Hufeld, der Präsidenten der Finanzaufsicht BaFin. Auch in der deutschen Politik gibt es nach der Brexit-Entscheidung große Widerstände gegen eine Ansiedlung der fusionierten Börse an der Themse. Die hessische Börsenaufsicht, die im Wirtschaftsministerium in Wiesbaden angesiedelt ist, könnte den Zusammenschluss deshalb untersagen. "Dass die Fusion mit Hauptsitz in London die erforderlichen regulatorischen Zustimmungen findet, erscheint uns illusorisch", betonten die Analysten der DZ Bank.
Auch den Unternehmen ist klar, dass es nach dem Brexit Anpassungen am Fusionsvorhaben geben muss. Ein Referendums-Komitee beider Konzerne soll sich in den kommenden Wochen mit möglichen Reaktionen befassen. Auch die Entscheidung für London als "alleinigem Sitz" des fusionierten Konzerns werde dabei überprüft, hat Deutsche-Börse-Aufsichtsratschef Joachim Faber angekündigt. Die große Frage ist Insidern zufolge, ob London bereit ist, sich in der Frage des Hauptsitzes zu bewegen - die Deutsche Börse stellt mit Carsten Kengeter schließlich schon den Vorstandschef. Wenn die britische Politik nach dem Brexit einen Sitz der Mega-Börse in der EU akzeptiere, könne der Deal noch gelingen, sagte eine mit dem Prozess vertraute Person. Sollte Großbritannien dagegen auf einen eigenbestimmten, komplett unabhängigen Kapitalmarkt pochen, werde sie platzen. Grundsätzlich seien politische Sondierungsgespräche derzeit aber schwierig, schließlich stehe nicht Mal fest, wer die Nachfolge von Premierminister David Cameron antrete.
Die gescheiterten Fusionspläne der Deutsche Börse AG
17. Juli 2000
Die Deutsche Börse präsentiert einen Plan für die Gründung de iX international exchange zusammen mit der Londoner LSE. Die beiden Partner hoffen, mit der paneuropäischen Handelsplattform weitere Börsenbetreiber mit ins Boot zu holen. Das Projekt scheitert allerdings an mangelnder Unterstützung.
Sommer 2003
Der damalige Chef der Deutschen Börse, Werner Seifert, trifft sich mit Euronext-Chef Francois Theodore. Die Gespräche über eine Fusion werden allerdings beendet, nachdem sich beide Seiten nicht über die Bewertung ihrer Häuser einig werden.
Frühling 2004
Seifert und Theodore nehmen ein weiteres Mal Kontakt auf. Ein Zwist über die Besetzung der Führungspositionen lässt sie abermals ergebnislos auseinandergehen.
August 2004
Die Schweizer Börse SWX lehnt Pläne der Deutschen Börse für eine Fusion, faktisch eine Übernahme, ab.
13. Dezember 2004
Die Deutsche Börse veröffentlicht ein Übernahmeangebot für die LSE über knapp zwei Milliarden Euro, das 2005 am Widerstand des Hedgefonds und Deutsche-Börse-Aktionärs TCI scheitert.
21. Februar 2006
Der neue Börsenchef Reto Francioni legt ein vorläufiges Fusionsangebot für die Pariser Euronext vor und facht damit ein Konsolidierungsfieber in der Branche an.
19. Mai 2006
Die Deutsche Börse dient Euronext-Chef Theodore die Führung eines vereinten Unternehmens an, besteht allerdings auf Frankfurt als Hauptsitz. Auch der Großteil des Managements sollte am Main angesiedelt sein.
Juni 2006
Die Deutsche Börse unterbreitet der Euronext einen überarbeiteten Fusionsvorschlag. Die Frankfurter geben in der Hauptquartiersfrage nach, doch der Vorstoß kommt zu spät: Die Euronext schließt sich mit der NYSE zusammen.
19. Mai 2006
Die Deutsche Börse dient Euronext-Chef Theodore die Führung eines vereinten Unternehmens an, besteht allerdings auf Frankfurt als Hauptsitz. Auch der Großteil des Managements sollte am Main angesiedelt sein.
Juni 2006
Die Deutsche Börse unterbreitet der Euronext einen überarbeiteten Fusionsvorschlag. Die Frankfurter geben in der Hauptquartiersfrage nach, doch der Vorstoß kommt zu spät: Die Euronext schließt sich mit der NYSE zusammen.
Dezember 2008
Deutsche Börse und NYSE Euronext loten eine Fusion aus. Die Pläne werden vorzeitig bekannt und scheitern.
April 2011
Die Börse wagt einen weiteren Versuch, mit der Nyse Euronext als Partner eine neue Größenordnung zu erreichen. Die US-Börsen Nasdaq OMX und ICE wollen die Fusion mit einer Gegenofferte für die Nyse torpedieren.
Februar 2012
Der Traum Francionis platzt erneut. Die EU-Kommission untersagt die Milliardenfusion mit den Amerikanern aus schwerwiegenden wettbewerbsrechtlichen Bedenken. Die EU fürchtet vor allem ein weltweites Monopol im Handel mit europäischen Finanzderivaten.
Dass das Referendums-Komitee Vorschläge für Änderungen am Zusammenschluss machen soll, ist in den Fusionsunterlagen festgeschrieben, über die die LSE-Aktionäre abstimmen. Wie mögliche Änderungen konkret umgesetzt werden, ist dagegen unklar. Eine Verlagerung der Holding-Gesellschaft nach Frankfurt oder die Schaffung von zwei Firmensitzen könnte einem Insider zufolge beschlossen werden, wenn die Führungsgremien beider Unternehmen zustimmen. Umgesetzt würden die Anpassungen nach dem Abschluss der Fusion 2017. Bei ganz gravierenden Änderungen sei es auch denkbar, dass die Aktionäre erneut befragt würden. Beide Unternehmen wollten sich dazu nicht äußern.
Mehrere große Investoren, mit denen die Nachrichtenagentur Reuters gesprochen hat, wollen trotz aller Unsicherheit für die Fusion stimmen. "Der Deal ist für Aktionäre auch nach dem Brexit noch attraktiv, weil beide Unternehmen zusammen hohe Synergien erzielen könnten", sagte einer der 20 größten Deutsche-Börse-Aktionäre. Er ist wie viele Investoren an beiden Unternehmen beteiligt und hält es deshalb für verkraftbar, dass der Deal nach dem Brexit für LSE-Aktionäre etwas attraktiver sei als für die Eigentümer der Deutschen Börse. Die Aktionäre des Dax-Konzerns haben bis zum 12. Juli Zeit, um ihre Papiere im Rahmen eines öffentlichen Umtauschangebots anzudienen.
NordLB-Analyst Michael Seufert empfiehlt den Deutsche-Börse-Aktionären eine Annahme der Offerte. "Dank der beiden operativen Standbeine in London und Frankfurt besitzt das Gemeinschaftsunternehmen die notwendige Flexibilität, die Herausforderungen des Brexit erfolgreich meistern zu können." Ob die Fusion gelinge, stehe dennoch in den Sternen. Die Fusion von zwei Börsenbetreibern sei nun Mal "eine Mammutaufgabe".