Notfallstrategie So ziehen Sie Cash aus Ihrem Depot

So ziehen sie Geld aus Ihrem Depot ab. Quelle: Getty Images

Jeden Euro in Aktien gesteckt und den Notgroschen vergessen? Und nun Bedarf an Barem? Diese drei Wege gibt es für Anleger, Liquidität aus ihrem Wertpapierdepot zu ziehen.

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Zwei bis drei Nettomonatsgehälter: So viel Geld sollte man für Notfälle auf der hohen Kante haben, besagt eine Faustregel. Vor allem in den vergangenen Jahren, als Spareinlagen oft Geld kosteten, statt Zinsen abzuwerfen, fühlte sich aber jeder Spar-Euro wie rausgeschmissenes Geld an. Viele dürften dem Rat gefolgt sein, freie Mittel zu investieren, statt sie zinslos zu parken. Dieser Rat erstreckt sich zwar eigentlich nicht auf den Notgroschen. Aber: Was tun, wenn Bargeld hermuss – und alle Ersparnisse in einem Wertpapierdepot liegen? Drei Wege, Liquidität aus dem Depot zu ziehen.

1. Gewinne mitnehmen

Manche Anlageinstrumente dienen dazu, freie Mittel zu parken. Zum Beispiel Anleihen mit kurzer Laufzeit oder Geldmarktfonds. Wenn Cash nötig ist, werden diese logischerweise zuerst zu Geld gemacht. Was aber, wenn das Ersparte in Aktien und länger laufenden Anleihen – oder in entsprechenden Fonds oder Indexfonds (ETFs) – steckt?

Eine Möglichkeit ist, sich anzuschauen, welche Anlagen über einen bestimmten Zeitraum am besten gelaufen sind, zum Beispiel in den vergangenen drei Jahren. Trotz Turbulenzen haben sich in dieser Zeit viele Investments gut entwickelt, vor allem auf der Aktienseite. Der Weltaktienindex MSCI World ist seit März 2020 um mehr als 50 Prozent gestiegen. Bei Anleihen und Anleihefonds ist das Bild wegen der Zinswende deutlich schlechter. Nur einige Sub-Gattungen wie inflationsgeschützte Anleihen verzeichnen auf Dreijahressicht Kursgewinne.

Wer einigermaßen breit gestreut in Aktien investiert und nicht erst kurz vor Beginn des Ukrainekriegs mit dem Anlegen begonnen hat, dürfte auf dem Papier Gewinne stehen haben. Ist Bares nötig, können diese realisiert werden. Auch Anleger mit Cash-Bedarf sollten allerdings nach Möglichkeit nicht ihre kompletten Gewinnerpositionen abstoßen. Sondern zum Beispiel nur so viele Aktien oder Fondsanteile verkaufen, dass das ursprüngliche Gewicht der Position im Portfolio wiederhergestellt ist. Oder eben so viele, dass der Bargeldbedarf gedeckt ist – falls dieser nicht zu hoch ist. Kurz gesagt: Besser die Depotgewinner trimmen, statt sie komplett zu rasieren.

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Achtung: Beim Berechnen des Ertrags die Steuern nicht vergessen. Auf Zinsen, Dividenden und Erträge aus Wertpapierverkäufen werden 25 Prozent Abgeltungsteuer fällig, zuzüglich 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer. Nur Fondsanteile, die vor Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 gekauft wurden, können teilweise steuerfrei verkauft werden. Hier gelten besondere Steuerregeln.

Für alle neueren Investments gibt es immerhin den Sparerpauschbetrag. Der liegt seit Anfang 2023 bei 1000 Euro pro Jahr für Singles; bei zusammenveranlagten Paaren beträgt er zusammen 2000 Euro jährlich. Bis zu dieser Summe bleiben Kapitalerträge steuerfrei. Den Sparerpauschbetrag kann man über Freistellungsaufträge auf mehrere Konten und Depots aufteilen, zum Beispiel jeweils zur Hälfte einem Bausparvertrag und einem Wertpapierdepot zuschlagen. Wer so vorgeht und nun im Depot größere Gewinne realisieren will, sollte den entsprechenden Freistellungsauftrag anpassen und den kompletten Sparerpauschbetrag nutzen.

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2. Verlierer rauswerfen

Eine Börsenweisheit lautet: Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen. Diese Regel kann man alternativ beherzigen, wenn man Liquidität aus dem Depot ziehen will. Das heißt: Nicht die Gewinner verkaufen, sondern die Verlierer. Gibt es Aktien oder Fonds im Depot, die zwar an Wert zugelegt haben, aber auf lange Sicht den Erwartungen hinterherhinken? Und bei denen auch keine stärkere Wertentwicklung zu erwarten ist? Raus damit. Ein Verkauf bringt hier nicht nur Bares, sondern auch die Chance, das Portfolio zu optimieren.

Einige Investments sind womöglich so deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben, dass sie seit dem Kauf an Wert verloren haben. Wer Geld braucht, muss nicht unbedingt die Depot-Gewinner trimmen, sondern kann auch solche Verlustkandidaten verkaufen. Zwar werden die Verluste dann mit dem Kauf tatsächlich realisiert. Aber: Wenn Cash nötig ist, ist das unter Umständen zweitrangig. Hauptsache, das Geld ist auf dem Konto (und nicht mehr im Depot).

Bei Notverkäufen gilt es, die Psyche zu überlisten. Die so genannte Verlustaversion führt dazu, dass der Schmerz eines Verlusts deutlich schwerer wiegt als die Freude über einen Gewinn. Vielleicht hilft es, wenn Anleger sich klarmachen: Sie können den Verlust steuerlich geltend machen und mit Gewinnen verrechnen. Und zwar nicht nur im Jahr des verlustreichen Verkaufs. (Wer weiß, ob da überhaupt noch Gewinne auflaufen.) Sondern auch später noch.

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Übersteigt der Verlust einer Kapitalanlage den Gewinn in einem Veranlagungsjahr, wird er auf das Folgejahr übertragen (Verlustvortrag). Achtung: Anders als bei anderen Einkommensarten kann man Verluste von Kapitalanlagen nicht auf das vergangene Jahr anrechnen lassen (Verlustrücktrag). In speziellen Fällen (Termingeschäfte und Totalverluste) werden außerdem maximal 20.000 Euro pro Jahr steuerlich verrechnet; entfällt auf solche Investments ein höherer Verlust würde der Rest erst in Folgejahren verrechnet. Bei Termingeschäften ist die steuerliche Verrechnung zudem auf gleichartige Deals beschränkt.

Eine ähnliche Sonderregel gilt für Aktien. Verluste aus Aktiengeschäften dürfen ausschließlich mit Aktiengewinnen verrechnet werden, nicht mit anderen Kapitalerträgen wie Zinsen, Dividenden oder Veräußerungsgewinnen bei Fondsanteilen. Zur Frage, ob das rechtens ist, ist derzeit ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Anleger können aber Aktienverluste in einem Depot mit Aktiengewinnen in Depots bei anderen Brokern verrechnen.

3. Einen Plan machen

Am besten ist es, wenn Anleger nicht Teile ihres Depots kurzfristig zu Geld machen müssen. Sondern wenn sie sich planvoll zusätzliche Liquidität aus ihrer Geldanlage verschaffen. Idealerweise müssen sie dafür nicht einmal den Depotbestand angreifen, um Kapitalerträge zu vereinnahmen.

Damit ein Depot in nennenswertem Umfang Zinsen oder Dividenden abwirft, ist eine fokussierte Strategie nötig – und eine hohe Anlagesumme. Wer etwa monatlich 1000 Euro aus seinem Depot ziehen will, ohne den Kapitalstock aufzuzehren, benötigt ein Startguthaben von rund 400.000 Euro und vier Prozent Rendite pro Jahr, nach Kosten und nach Abzug der Steuer. Das ist machbar, bedarf aber sorgfältiger Planung.

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Eine andere, etwas simplere Möglichkeit, liquide Mittel zu vereinnahmen, sind ausschüttende Fonds. Viele Investmentfonds haben ausschüttende Tranchen. So genannte Income-Fonds, eine bestimmte Art von Mischfonds, sollen besonders hohe laufende Erträge generieren, die quartalsweise, halbjährlich oder jährlich ausgeschüttet werden. Sie sind allerdings komplizierter, als sie auf den ersten Blick aussehen, und bergen einige Risiken. Auch bei Fonds gilt zudem: Je mehr Geld drinsteckt, desto höher die Ausschüttung.

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