Riedls Dax-Radar Der Crash kommt – aber erst etwas später

Mit der Marke 13.000 Punkte hat der Dax ein neues Hoch erreicht. Gut möglich, dass es hier zu einer kurzen Verschnaufpause kommt. Angst vor dem großen Absturz müssen Anleger derzeit aber nicht haben.

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Deutscher Aktien Index: Der Crash kommt, aber erst etwas später. Quelle: Illustration

Der Crash will einfach nicht kommen, obwohl er doch schon seit Monaten, eigentlich schon seit Jahren, von so vielen Profis erwartet wird. Und jetzt hat der Dax auch noch die neue Höchstmarke 13000 erreicht, wenn auch bisher nur für ein paar Sekunden. Alles nur ein Präludium für den großen Zusammenbruch?

Statistisch gesehen haben Crash-Propheten schlechte Karten. Seitdem es Aktienmärkte gibt – und hier reichen die wissenschaftlichen Untersuchungen über die langfristige Performance britischer Aktien bis ins späte 17. Jahrhundert zurück – verlaufen Aktienmärkte zeitlich gesehen in einem wesentlich längerem Ausmaß in einer Aufwärtsbewegung als in einer Abwärtsbewegung. Das hat den einfachen Grund, weil die fundamentale Basis der Börsen, die allgemeine Wirtschaft und Unternehmen, sich schrittweise weiter entwickeln. Es gibt zwar Brüche, doch die große Tendenz zeigt nach oben.

Nicht umsonst warnt der erfolgreichste Investor aller Zeiten, Warren Buffett, ausdrücklich davor, diese grundlegende Tendenz der Aktienmärkte nicht nur nicht zu nutzen (indem man keine Aktien kauft), sondern sie auch noch aktiv zu bekämpfen.

Die Dax-Favoriten der Woche

Es gibt in der gesamten Börsengeschichte keinen einzigen Spekulanten, der mit Short-Geschäften, also Spekulationen auf fallende Kurse, dauerhafte Reichtümer angehäuft hat, die mit Buffetts Imperium vergleichbar wären. Und auch die aktuellen Crash-Propheten schneiden mit ihren Fonds, in denen sie real beweisen müssen, was sie können, durchweg blamabel ab. Insofern ist es bedauerlich, dass gerade sie in den vergangenen Jahren beim breiten Anlagepublikum immer wieder auf so große Resonanz gestoßen sind.

Schwarzseher wollen das gute Börsenumfeld nicht wahrhaben

Denn das Börsenumfeld ist keineswegs schlecht. Die Aussichten für die Konjunktur wurden gerade wieder einen Tick erhöht. Leichte Aufwärtsrevisionen dieser Art sind ideal für die Börse: Einerseits zeigen sie, dass die Zukunft noch ein Stück dynamischer abgehen kann; andererseits ist der Anstieg noch nicht so hektisch, dass es zu einer Übertreibung kommt.

Wachstumsraten um zwei Prozent, die es bei vielen Industrieländern derzeit etwa gibt, sind für die Anlagemärkte optimal. Bei drei bis vier Prozent wird es gefährlich. Ein solcher Zuwachs ist zum einen auf Dauer kaum zu halten – damit entsteht Enttäuschungspotenzial. Zudem besteht die Gefahr, dass dann wichtige Zielgrößen wie Löhne und Preise aus dem Ruder geraten.

Bei moderatem Wachstum bleibt auch das Zinsniveau niedrig. Zwar müssten die Renditen nach klassischem Muster langsam weiter anziehen, doch die politische Keule der Notenbanken hält sie unten. Und es gibt keine echten Anzeichen dafür, dass Fed oder EZB an diesem Kurs grundsätzlich etwas ändern – erst recht nicht, wenn neue Krisen wie in Spanien die mühsam erreichte Erholung gefährden könnten.

Sieben Kursschocks in 35 Jahren

In den vergangenen 35 Jahren, seitdem die 1982 begonnene große Aufschwungsphase läuft, kam es an den Börsen siebenmal zu einem Crash oder einer crashartigen Abwärtsbewegung: 1987 die Verkaufsprogramme, 1990 Saddam-Einmarsch, 1998 Asien-Russland-Krise, 2001 World-Trade-Center-Crash, 2003 High-Tech-Baisse, 2008 Finanzkrise, 2011 Konjunktur-Baisse. Rechnerisch gab es alle fünf Jahre ein Kurskrach. Geht man vom letzten Einbruch 2011 aus, wäre ein Crash so gesehen schon überfällig.

Keine Angst vor dem großen Crash

Aus heiterem Himmel kam bisher allerdings kein Crash. 1987 waren die Märkte nach einem mehrmonatigen Anstieg heiß gelaufen und anfällig für die neuartigen Computer-Verkaufsprogramme. 1998 gab es schwere Enttäuschungen bei den Schwellenländern; Schieflagen großer Hedgefonds kamen dazu. 2003 wurden die in den Jahren davor gehypten High-Techs entzaubert. 2008 kamen in riesigem Ausmaß unseriöse Immobilienfinanzierungen ans Licht. 2011 ging die Angst vor einem Absturz Chinas um. 1990 und 2001 reagierten die Finanzmärkte auf externe Schocks.

Natürlich könnte es auch jetzt vergleichbare Gründe und Anlässe geben, etwa ein Atomschlag im Korea-Konflikt oder die Pleite eines Finanzunternehmens, die zahlreiche Gläubiger in den Abgrund reißt. Besonders gefährlich wären Kettenreaktionen an den Märkten; Massenverkäufe, die niemand mehr auffangen will oder kann.

Wer Gründe dieser Art für wahrscheinlicher hält als das Szenario vom moderaten Wachstum und niedrigem Zinsniveau, wird sicherlich nicht auf Aktien setzen, sondern eher auf physisches Gold. Wer eher auf der optimistischen Seite ist, die Gefahren aber nicht ausschließt, kann ja einen Teil seines Geldes in Gold stecken. In der aktuellen WirtschaftsWoche 43 finden Sie hierzu zahlreiche Ratschläge.

Zehn Dax-Aktien mit dem höchsten Kurs-Potenzial

Der September 2017 lief ganz anders als der September 1929

Für die konkrete Einschätzung der aktuellen Lage gibt es übrigens ein entscheidendes Kriterium, das sich vor fast jedem Crash bisher abgespielt hat: Schon mehrere Monate, bevor die Märkte zusammenbrachen, kam es nur noch zu schwankenden Kurse. Besonders die großen Baisse-Phasen 2001 bis 2003 und 2008/2009 kündigten sich frühzeitig durch eine vorangegangene Zitterpartie an. Auch der Crash aller Crashes, der Absturz von 1929. Hier war es seit August zu einer Schaukelpartie gekommen, die im September in eine gefährliche Schwäche überging, bevor es dann Ende Oktober 1929 zum großen Ausverkauf kam.

Im September 2017 dagegen ging es genau andersherum: Entgegen der oft üblichen Schwäche im Herbst zogen die Aktienmärkte weltweit stärker an, als vielfach erwartet. Dow, Dax und Nasdaq-Börse rangieren derzeit auf historischem Höchststand. Dass diese Entwicklung von heute auf morgen abbricht und in einen Crash übergeht, ist ausgesprochen unwahrscheinlich.

Dax auf Rekordstand: Warum eigentlich? Lohnt sich der Einstieg in Aktien?

Die aktuelle Analyse bestätigt diese Einschätzung. Durch den 1000-Punkte-Anstieg vom September hat sich der Dax von seinen Aufwärtstrends und der 200-Tage-Linie gut nach oben abgesetzt. Das ist ein klassisches Zeichen für einen stabilen Aufwärtstrend. Normalerweise dauert es mehrere Wochen, bis der Dax eine Tausendermarke nachhaltig überschreitet. Nachdem der Dax nun sechs Wochen schnell gestiegen ist, wäre eine Korrektur nur natürlich. Optimal wäre die, wenn sie nicht weit unter die Hochspitzen vom Sommer gehen würde, also bis maximal etwa 12.850 Punkte nach unten.

Solange der Dax über diesem Niveau bleibt, ist die jüngste, hochdynamische Aufwärtsphase voll und ganz intakt – und die Angst vor dem großen Crash unangebracht.

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