Der Iran öffnet sich weiter dem Westen. Am Mittwoch hat die Regierung in einer Kabinettssitzung mit Präsident Hassan Ruhani ein neues Vertragsmodell ratifiziert, das künftig ausländischen Unternehmen den Zugang zu iranischen Öl- und Gasquellen ermöglichen soll.
Der Iran erhofft sich ausländische Investments in Höhe von bis zu 50 Milliarden Dollar pro Jahr. Offenbar sieht der Plan Joint-Ventures mit dem iranischen Staatskonzern National Iranian Oil Company vor. Die Priorität liege auf „gemeinsam besessenen Öl- und Gasfeldern“, erklärte Bijan Namdar Zanganeh, der Ölminister Irans, bereits am Montag in Teheran.
In einem Interview mit einem iranischen Magazin machte Zanganeh im Juni klar, dass die Ölreserven allerdings im Besitz des iranischen Staates bleiben. Zudem sollen „bedeutende Entscheidungen“ eines Joint-Ventures vom iranischen Staatskonzern abgesegnet werden.
Die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen
Deutsche Unternehmen verkauften 2014 Waren im Wert von 2,4 Milliarden Euro in die Islamische Republik - fast ein Drittel mehr als zuvor. Allerdings sind das immer noch zwei Milliarden Euro weniger als 2005, da der Handel aufgrund der Sanktionen stark eingeschränkt ist. In der Rangliste der wichtigsten Kunden der deutschen Wirtschaft nimmt der Iran Platz 50 ein. Größter Exportschlager sind Maschinen, gefolgt von Nahrungsmitteln und chemischen Produkten.
Deutschland bezog 2014 Waren im Wert von nicht einmal 300 Millionen Euro aus dem Iran. Knapp die Hälfte davon entfällt auf landwirtschaftliche Produkte - vor allem Safran, Kaviar, Trockenfrüchte und Frischobst. Erdöl und Erdgas wird bislang nicht im Iran eingekauft.
Derzeit sind 80 deutsche Unternehmen mit Niederlassungen in der Islamischen Republik vertreten, weitere 1000 haben Vertretungen dort. Zu den größten deutschen Firmen vor Ort gehören Henkel, Siemens und Bayer.
Der Bestand deutscher Direktinvestitionen summiert sich auf knapp 600 Millionen Euro. Mehr als doppelt so hoch sind die iranischen Direktinvestitionen in Deutschland, die bei 1,36 Milliarden Euro liegen.
Die sind verbesserungswürdig. Beim Vergleich der Weltbank "Ease of Doing Business" - bei dem die Bedingungen für Unternehmensgründungen untersucht werden - belegt der Iran Platz 118 von 189 untersuchten Ländern. Beim Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International kommt die Republik auf Platz 136 von 175 Staaten.
Fast 80 Millionen Einwohner, hochqualifizierte Arbeitnehmer, jede Menge Rohstoffe: Der Iran gilt als "schlafender Riese", der aufgrund der Sanktionen in den vergangenen Jahren wirtschaftlich großen Nachholbedarf hat. Nach dem Ende der im Zuge des Atom-Konflikts verhängten Strafmaßnahmen rechnet die deutsche Wirtschaft mit milliardenschweren Geschäften. Es folgt ein Überblick über die derzeitigen deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen.
Seitdem der Westen die Sanktionen wegen des iranischen Atomprogrammes Anfang des Jahres aufgehoben hat, haben bereits mehrere westliche Unternehmen Interesse zur Zusammenarbeit bekundet. So haben etwa Total, OMV, Wintershall oder Saipem – ein Tochterunternehmen der italienischen Eni – Absichtserklärungen unterzeichnet.
Laut Angaben der iranischen Nachrichtenagentur betreffe das Vertragsmodell das Upstream-Geschäft, also nur die Förderung von Öl und Gas. Ob auch das Downstream-Geschäft, also die Verarbeitung zu Produkten wie Benzin, Diesel oder Kerosin, bei den Verträgen eine Rolle spielt, geht aus dem Bericht der Nachrichtenagentur nicht hervor. Zwei Jahre lang hat das Land an dem Vertragswerk getüftelt.
Wissenswertes zum Iran
Der Iran ist schon alleine wegen der Bevölkerungszahl von fast 80 Millionen eine Macht in der Golf-Region. Der Gottesstaat war jedoch wegen seiner kompromisslosen Atompolitik in den vergangenen zehn Jahren international isoliert. Die im Zusammenhang mit dem Atomstreit verhängten Sanktionen führten in dem öl- und gasreiche Land auch zu einer Wirtschaftskrise. Viele Beobachter rechneten daher mit einem zweiten Nordkorea am Persischen Golf.
Mit dem Sieg von Hassan Ruhani bei der Präsidentenwahl 2013 im Iran änderte sich jedoch das Bild. Sein Wahlslogan „Versöhnung mit der Welt“ führte im Juli 2015 zu einem Atomabkommen mit dem Westen. Der Iran wurde plötzlich zu einem potenziellen politischen und wirtschaftlichen Partner des Westens in einer von Krisen geschüttelten Region. Besonders im Syrien-Konflikt hofft der Westen auf eine positive Rolle Teherans.
Mit seinen beiden gut ausgerüsteten Streitkräften - der klassischen Armee und den Revolutionsgarden - kann der Iran besonders im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eine entscheidende Rolle spielen. Diese Rolle aber ist innerhalb der Region höchst umstritten, unter anderem bei der anderen Regionalmacht Saudi-Arabien. Ideologische und besonders religiöse Differenzen zwischen dem schiitischen Iran und den sunnitisch-wahhabistischen Saudis sorgen daher immer wieder für Spannungen in der Region.
Über die gewünschte Dimension ausländischer Investments zeigen sich Analysten jedoch noch skeptisch. 50 Milliarden Dollar jährlich hält der leitende Rohstoffanalyst der Commerzbank, Eugen Weinberg, für „Wunschdenken“. Er glaubt, dass sich die Partnerschaft mit westlichen Unternehmen durchaus für den Iran auszahlen kann. Doch bis Summen dieser Größenordnung erreicht werden, dürften noch Jahre vergehen, sagt Weinberg. „Ich glaube, dass die meisten internationalen Unternehmen erst sehr vorsichtig in dem Land investieren werden.“
Seit der Aufhebung der Sanktionen hat der Iran seine Ölförderung stark angekurbelt. Seit Januar stieg die Produktion von 2,8 auf 3,5 Millionen Barrel täglich. Doch seit April stagniert der Aufschwung. Kooperationen mit westlichen Konzernen könnten neue Technologien in das Land bringen, um mehr Öl zu fördern. Der Iran möchte seine Ölförderung wieder auf das Vorsanktionsniveau heben. Damals wurden vier Millionen Barrel täglich produziert.