Rohstoffe mit Kurssprüngen Chinesische Kleinanleger zocken – im großen Stil

Chinesische Spekulanten halten die internationalen Rohstoffmärkte in Atem. Die Anleger sind euphorisch, schwimmen im Geld und haben wahrscheinlich ein chronisches Schlafdefizit.

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Ein Lagerplatz am Hafen von Qingdao. Quelle: Reuters

Peking Der Handel an den chinesischen Rohstoffbörsen ist bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr förmlich explodiert. Die Notierungen für so ziemlich alles von Kohle bis Zink sind auf Höchststände geklettert, die sie seit Jahren nicht gesehen haben. Den Marktaufsehern ist es bisher nicht gelungen, die Preisblase zu entschärfen. Metallhändler berichteten im November von Panikreaktionen, als der Kaufrausch auch die Märkte in London und New York ergriff. Es kam zu extremen Preisausschlägen, die bislang nicht abklingen wollen.

Chinesische Privatanleger, die sich wenig um fundamentale Bedingungen des Marktes scheren und starkes Herdenverhalten zeigen, haben Gelder in Milliardenhöhe in Rohstoffe investiert. Doch Broker und Händler sagen, noch mehr Geld komme von einer Armee sehr finanzstarker Hedgefonds, die nach besseren Erträgen bei Rohstoffen suchen, seit sich Aktien und Immobilien abschwächen. Oft nutzen sie Algorithmen und handeln noch sehr spät in der Nacht, wenn die Märkte in London und New York besonders aktiv sind.

„Zweifellos sind Chinesen, professionelle Spekulanten und Finanzakteure für die aktuellen Preisbewegungen und die höheren Handelsvolumina weltweit verantwortlich“, sagt Tiger Shi, Geschäftsführer bei Bands Financial in Hongkong. Der Broker zählt selbst mehrere dieser Fonds zu seinen Kunden. „Die Hedgefonds und institutionellen Investoren aus dem Westen wissen nicht, was wirklich vor sich geht.“

Shi schätzt, dass es in China wohl mehr als 5.000 Hedgefonds gibt, die in Rohstoffgeschäften aktiv sind. Mindestens 10 von ihnen verwalten ein Anlagevolumen von mehr als 10 Milliarden Yuan (1,3 Milliarden Euro).

Der automatisierte Handel, bei dem Computer nach vorgegebenen Parametern binnen Millisekunden eine Vielzahl von Aufträgen umsetzen, führt zusätzlich dazu, dass Handelsvolumina und Volatilität enorm zunehmen, wie Portfoliomanager Fu Peng sagt, der bei Lianzhan Global Macro Fund Management in Peking arbeitet. Rund ein Drittel des Handels in China folge automatisierten Befehlen, schätzt Manager Shi. Das erhöhe das tägliche Handelsvolumen und gebe den globalen Märkten mehr Schwung.

Jüngstes Beispiel dafür war am 11. November Kupfer. Die Preisnotierungen in Schanghai schossen so stark in die Höhe wie noch nie seit Beginn des Handels im Jahr 2004. An der London Metal Exchange legte Kupfer um bis zu 7,6 Prozent zu, um am Abend in Asien wieder 1,7 Prozent zu fallen. Zwischen Hoch und Tief an dem Tag lagen 500 Dollar, die größte Differenz seit fünf Jahren. Und die Intensität des Ausschlags war genauso groß bei Futures in New York.

„Ich kann mich nur an zwei andere Situationen in meiner Karriere erinnern, wo es zu einer vergleichbaren Panik und ähnlich verheerenden Preisentwicklungen bei Kupfer gekommen ist“, erklärt Matthew France, Asien-Chef des institutionellen Metallhandels bei der Marex Spectron Group in Singapur per E-Mail. „Heute jedoch ist der Markt wesentlich weniger transparent. Die maschinelle Komponente im Markt ist deutlich größer, ebenso das Engagement der Kleinanleger und das der Fonds an der Shanghai Futures Exchange und bei den außerbörslich gehandelten Optionen.“


Kupferhandel am späten Abend – und für wenige Stunden

Zu den größten Hedgefonds in China zählen DH Fund Management, Shanghai Discovering Investment und Shanghai Chaos Investment. Vertreter aller drei wollten für diesen Artikel keine Stellungnahme abgeben.

In weniger als zwei Wochen hat sich im November der Wert der täglichen Transaktionen an den drei Rohstoffbörsen in China mehr als verdoppelt. Der bisherige Höhepunkt war am 14. November mit einem Handelsvolumen von 226 Milliarden Dollar. Angeheizt von Spekulationen, dass Reformen der Regierung helfen werden, das Überangebot an Rohstoffen zu senken, während es zugleich Anzeichen für eine Erholung der Nachfrage gibt, fließt das chinesische Geld in Rohstoffe. Anleger suchten einfach nach Vermögenswerten, die bessere Erträge abwerfen als Aktien und Immobilien, sagt Portfoliomanager Fu.

„Die nationalen Reformen auf der Angebotsseite hatten deutliche Auswirkungen auf das Gleichgewicht des Marktes. Das sind die fundamentalen Gründe für den Handel“, sagte Fu im Telefoninterview aus Hongkong. „Zur gleichen Zeit gibt es aber zu viel Geld. Es gibt keinen Ertrag für Investitionen in Industrien. Der Aktienmarkt ist weder tot noch lebendig. Investments in Immobilien wurden ebenfalls beschnitten. Deshalb rauscht alles Geld in Rohstoffe.“

Während der Aktienindex von Schanghai, der Shanghai Composite Index, in diesem Jahr 7,5 Prozent verloren hat und die chinesische Regierung Maßnahmen ergriffen hat, den Immobilienmarkt abzukühlen, verzeichnete der Bloomberg Commodity Index im gleichen Zeitraum einen Zuwachs von 9,5 Prozent.

„Die Preisschwankungen auf den Rohstoffmärkten sind liquiditätsgetrieben“, sagt Li Yulong, als Chief Investment Officer für die Kapitalanlagen beim Fondsanbieter Jyah Asset Management verantwortlich. „Das Geld der Vermögensverwalter und von privaten Bankkonten sucht am Markt nach höheren Erträgen.“

Chinesische Händler sind oftmals in der Nacht besonders aktiv, wenn der Handel an der LME in London oder der Comex in New York seinen täglichen Höhepunkt erreicht. An allen der 30 zurückliegenden Handelstage war der Kupferhandel am stärksten zwischen 21 und 23 Uhr abends in Schanghai, wie Börsendaten zeigen. Analysen von Handelsvolumina und offenen Positionen legen nahe, dass die Händler ihre Kontrakte üblicherweise nur für wenige Stunden halten.

Ähnlich wie beim letzten Kaufrausch im April sind die staatlichen Börsen inzwischen eingeschritten, und versuchen den Handel abzukühlen, indem sie Gebühren oder Sicherheitsleistungen erhöhen oder die Zahl der pro Tag erlaubten neuen Handelspositionen beschränken. Zuletzt ist der Umsatz mit Futures in Shanghai so zwar gesunken, die Preise sind allerdings immer noch volatil. Am Mittwoch schwankten die Notierungen für Metalle zwischen Verlusten und Gewinnen hin und her, nachdem es am Dienstag den stärksten Preisverfall bei Zink binnen sechs Jahren gegeben hatte.

„Der massive und bisher beispiellose Anstieg der chinesischen Handelsvolumina bei Basismetallen im Laufe des vergangenen Monats, aber besonders seit der US-Wahl, hat bei den Metallhändlern an der LME dauerhaft für Alarmstufe rot gesorgt“, erklärt Tai Wong, Direktor im Handel von Rohstoffprodukten bei BMO Capital Markets in New York per E-Mail. Die Preisausschläge, für die chinesische Händler derzeit sorgen, „sind ein starkes Argument dafür, dass das Reich der Mitte wieder das Zentrum der Welt ist, wenigstens im Metallhandel“, schreibt er.

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