Der Börsengang des weltgrößten Ölkonzern Saudi Aramco geht fast vier Jahre nach der ersten Ankündigung und mehreren Rückschlägen in die heiße Phase. Am Sonntag fiel nach einer wochenlangen Werbekampagne der Startschuss für die Zeichnung der Papiere. Auch wenn die Bewertung unter der ursprünglich angepeilten liegt, könnte das Börsendebüt des Staatskonzerns immer noch das größte aller Zeiten werden.
Der saudi-arabische Konzern teilte am Sonntag mit, die Preisspanne für die drei Milliarden Aktien - ein Firmenanteil von 1,5 Prozent - liege zwischen 8,00 Dollar und 8,50 Dollar. Damit könnte der Börsengang auf ein Volumen von bis zu 25,6 Milliarden Dollar kommen und so der größte aller Zeiten werden. Noch liegt auf Platz eins das Debüt des chinesischen Internetriesen Alibaba, dessen IPO (Initial Public Offering) in New York 2014 ein Volumen von 25 Milliarden Dollar hatte.
Nach Reuters-Berechnungen auf Basis der Preisspanne würde sich eine Bewertung von Saudi Aramco zwischen 1,6 und 1,7 Billionen Dollar ergeben. Der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman hatte zuvor einen Wert von zwei Billionen Dollar anvisiert. Die Zeichnungsfrist für institutionelle Investoren läuft bis zum 4. Dezember. Der Konzern wolle allerdings seinen Börsengang nicht im Ausland vermarkten, sagten mehrere mit der Sache vertraute Personen.
Fakten zu Saudi Aramco
Die Standard Oil Company der Rockefeller Familie stieß 1938 auf Öl in Saudi-Arabien. Unter dem Namen Arabia American Oil Company erreichte das Unternehmen 1949 eine Produktionsmenge von 500.000 Barrel pro Tag. Bis 1980 kaufte die saudi-arabische Regierung alle anderen Anteilseigner aus der Firma heraus, die acht Jahre später offiziell als Saudi Arabian Oil Company (Saudi Aramco) gegründet wurde.
Der Staatskonzern ist der weltgrößte Ölproduzent, der zehn Prozent des weltweiten Vorrates hochpumpt. Im Halbjahr stieg der Nettogewinn um zwölf Prozent auf 46,9 Milliarden Dollar. Im vergangenen Jahr belief sich der Gewinn auf 111 Milliarden Dollar – mehr als ein Drittel höher als die Gewinne von Exxon, Shell, BP, Chevron und Total zusammen.
2018 beschäftigte Aramco 76.000 Menschen.
2017 hatte Saudi Aramco 260,2 Milliarden Barrel an Öläquivalenten. Das ist mehr als die Reserven von Exxon Mobil, Chevron, Royal Dutch Shell, BP und Total zusammen. Die Reserven haben eine geschätzte Lebensdauer von 54 Jahren.
Im vergangenen Jahr produzierte der Konzern 10,3 Millionen Barrel Öl pro Tag (bpd) mit den niedrigsten Produktionskosten der Welt. Diese belaufen sich nach Unterlagen des Unternehmens auf 2,80 Dollar pro Barrel (159 Liter).
Fast drei Viertel der Aramco-Ölexporte – 5,2 Millionen Barrel pro Tag – wurden im vergangenen Jahr an Kunden in Asien geliefert. Mehr als eine Million Barrel pro Tag ging an Nordamerika, 864.000 an Europa.
Um sich breiter aufzustellen, expandiert Saudi Aramco in die Bereiche Raffinierung und Petrochemie. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, die Produktion von Chemikalien bis 2030 auf 34 Millionen Tonnen pro Jahr zu verdreifachen. Zudem soll die Weiterverarbeitungskapazität weltweit deutlich zulegen.
Der Konzern betreibt Raffinerien nicht nur in seiner Heimat, sondern auch im Ausland. So gehört etwa die größte Raffinerie der USA in Port Arthur, Texas, der Aramco-Tochter Motiva Enterprises.
Die Pläne für einen Börsengang des Ölriesen hatte Kronprinz Mohammed bereits 2016 öffentlich gemacht, jedoch wurden sie immer wieder verschoben. Er will sein Land unabhängiger machen von den Öleinnahmen und die Erlöse aus der Aktienemission in andere Industriezweige investieren.
Marketing-Offensive in Saudi-Arabien
Ein halbes Prozent des Staatskonzerns im Wert von rund 8,5 Milliarden Dollar werden an Privatanleger verkauft. In Saudi-Arabien läuft seit Wochen eine Werbekampagne mit Plakaten an den Straßen und in Einkaufszentren. Gesprächsthema Nummer Eins in den sozialen Medien, in Cafés oder bei Familientreffen ist das Börsendebüt von Aramco. „Niemand will die Gelegenheit verpassen“, sagte Ahmed Sanad, der für sich und seine Familie bei einer Bank in der Hauptstadt Riad Aktien zeichnete. „Im Moment gibt es keine bessere Alternative.“
Die Geldhäuser haben bis zum Ende der Zeichnungsfrist für Privatanleger am 28. November länger geöffnet, um den erwarteten Ansturm in den Griff zu bekommen. Nach Berichten von lokalen Zeitungen wollen bis zu fünf Millionen Menschen die Papiere zeichnen. Saudi-arabische Privatanleger erhalten eine Bonusaktie für zehn Titel, die sie kaufen, wenn sie sie mindestens 180 Tage in ihren Depots halten.
Die Regierung appelliert an reiche Landsleute, ihr Geld, das sie im Ausland investiert haben, wieder in der Heimat anzulegen. Viele sehen das als Ausdruck ihres Patriotismus an, vor allem nach den Anschlägen auf Aramco-Ölanlagen im September. Für diese Angriffe machen die USA und Saudi-Arabien den Erzfeind Iran verantwortlich. Kolumnist Anwar Aboalela schrieb auf Twitter: „Am IPO teilzunehmen ist eine nationale Pflicht für jeden, der es sich erlauben kann.“ Auch die religiösen Vertreter im Königreich trommelten für den Gang auf das Parkett. „Aramco ist eine Säule der arabischen Wirtschaft“, sagte Scheich Abdullah al-Mutlak in einer Radiosendung. Zu investieren sei erlaubt.