Schutz der Privatanleger Wen der Zorn der Bafin trifft

Erstmals will die Finanzaufsicht eine ganze Gattung an Finanzprodukten verbieten. In sogenannte Bonitätsanleihen haben Anleger 6,3 Milliarden Euro investiert. Das Geschäft machen Banken, die als konservativ gelten.

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Das angedrohte Verbot von Bonitätsanleihen dürfte der Zertifikatebranche schmerzvolle Stiche versetzen.

Düsseldorf Rund 61 Milliarden Euro haben Anleger derzeit in unterschiedliche Zertifikate investiert. Die Spanne reicht von risikoreichen Hebelprodukten bis hin zu Garantieprodukten, bei denen die vollständige Zurückzahlung garantiert ist – zumindest dann, wenn die Bank als Emittent des Derivates nicht pleite geht.

Die Produkte waren einst in Verruf geraten, als in der Finanzkrise 2008 die US-Investmentbank Lehman Brothers in die Pleite rutschte und deutsche Kunden von Sparkassen oder der damaligen Citibank heftige Verluste verbuchten. Ein Segment des Zertifikatemarkts will die Finanzaufsichtsbehörde Bafin jetzt komplett verbieten, das wäre eine Premiere.

Der Vertrieb sogenannter Bonitätsanleihen an Privatanleger soll illegal werden. Diese sollen künftig nicht mehr verkauft werden dürfen. Bis zum 2. September 2016 können die beteiligten Unternehmen dazu schriftlich Stellung nehmen.

Bonitätsanleihen sollen Anlegern die Möglichkeit auf die Kreditwürdigkeit von Firmen zu spekulieren. Sie sind aber keine herkömmlichen Anleihen, bei denen die Rückzahlung nur ausfällt, wenn das Unternehmen in die Insolvenz geht, das die Anleihe begeben hat. Bei Bonitätsanleihen gibt es ein doppeltes „Pleiterisiko“ – der Anleger sieht sein Geld nicht wieder, wenn entweder das Unternehmen oder die Bank die Pforten schließt, die diese Anleihe auf den Markt gebracht hat. Um das doppelte Risiko abzusichern, gibt es eine etwas höhere Rendite.

6,3 Milliarden Euro haben Anleger derzeit in Bonitätsanleihen – auch Credit Linked Notes genannt - investiert. Das ist also ein Zehntel des gesamten Derivatemarktes. Der mit Abstand größte Player in diesem Bereich ist die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) mit einem Marktanteil von 45 Prozent, gefolgt von der Sparkassentochter Dekabank (32 Prozent) sowie Hypo-Vereinsbank mit zehn und DZ-Bank mit sieben Prozent. Diese vier Banken haben rund 5,9 Milliarden Euro an Bonitätsanleihen derzeit in die Anlegerdepots verkauft. Marktführer LBBW wollte auf Anfrage keinen Kommentar zum geplanten Verbot geben.

Die Finanzaufseher kritisieren, dass Privatleute die Risiken der Produkte nicht erkennen könnten. Zudem sehen sie einen Interessenkonflikt. Denn Banken vergeben auch Kredite an die Firmen, deren Bonitätsrisiken sie verbriefen. Die Produkte könnten zwar für institutionelle Anleger sinnvoll sein. „In die Hände von Privatkunden gehören sie aus unserer Sicht aber nicht“, erklärt Bafin-Exekutivdirektorin Elisabeth Roegele.

Für den Derivateverband ist diese „Entscheidung der Bafin ist nicht nachvollziehbar, denn die Aufsichtsbehörde geht gegen eine absolut etablierte Anlageklasse vor“, sagt deren Geschäftsführer Christian Vollmuth. „Bonitätsanleihen bieten für Privatanleger gerade auch mit Blick auf das derzeitige Nullzinsumfeld attraktive Renditen“, sagt Vollmuth. Das mit einer Bonitätsanleihe verbundene Risiko werde in den Muster-Produktinformationsblättern des DDV die spezifischen Risiken verständlich beschrieben.


Verluste bei Bonitätsanleihen

Ein Blick auf eine Bonitätsanleihe im Vergleich zu einer Anleihe des Unternehmens mit ähnlicher Laufzeit zeigt den Unterschied: Eine Bonitätsanleihe auf den Flugzeughersteller Airbus von der LBBW (WKN LB01W0) mit Laufzeit 2024 bietet aufgrund des doppelten Bonitätsrisikos eine Rendite von 1,28 Prozent, eine Anleihe direkt von Airbus mit einfachem Insolvenzrisiko und ähnlicher Laufzeit (WKN A1ZFGC) lediglich 0,24 Prozent.

„Anders als etwa bei sogenannten Mittelstandsanleihen oder zahlreichen Produkten am Grauen Mark ist mir zudem kein Fall bekannt, bei dem Anleger mit Bonitätsanleihen seit Anfang 2013 einen Verlust durch ein Kreditereignis erlitten hätten“, sagt Vollmuth. Die letzten Kursverluste gab es bei den Bonitätsanleihen auf die Solvenz von Griechenland, die beispielsweise von der DZ Bank und der Landesbank Baden Württemberg auf den Markt gebracht wurden. Zum Laufzeitende war es für die Anleger eine teure Angelegenheit: Ja nach Ausstattung erhielten sie nur 20 bis 30 Prozent des Nennwertes zurück.

Der mehrjährige Zwist über die Solvenz des griechischen Staates hat auch Einfluss auf die Emittenten gehabt. So bieten einige Emittenten wie beispielsweise die LBBW keine bonitätsabhängigen Anleihen auf Länder mehr an. Auch hat der Marktführer keine sogenannten Multi-Bonitätsanleihen im Programm, bei denen der Kreditausfall eines Unternehmens zum Totalverlust führen kann. In derartigen Fällen fällt der Kurs des Baskets nur um den entsprechenden Anteil.

Die letzten Zahlungsausfälle von Bonitätsderivaten auf Unternehmen sind rund sieben Jahr her. Damals sorgte die Insolvenz von der US-Investmentbank Lehman Brothers und des Automobilherstellers General Motors für deutliche Verluste.

Anleger sollten sich also vor dem Kauf einer Bonitätsanleihe über die Kreditwürdigkeit des Unternehmens oder des Landes informieren, auf das sich das Derivat bezieht. Es gilt wie bei herkömmlichen Anleihen: Je höher der Zinssatz, desto höher das Risiko.

Und ein Vergleich zwischen einer Credit Linked Note und einer traditionellen Anleihe auf den gleichen Wert lohnt sich. Die französische Großbank Société Générale bietet derzeit eine Bonitätsanleihe auf Südafrika mit einem zweiprozentigen Kupon und einer Laufzeit bis Mitte 2012. Eine einfache Inhaberschuldverschreibung mit gleichem Rating und ebenfalls in Euro bringt 3,75 Prozent. Der Haken: Die einfache Anleihe hat eine fünf Jahre längere Laufzeit und die Stückelung ist 100.000 Euro.

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