Seit Anfang Februar ist die Börse auf Richtungssuche. Mehrfach strebte der wichtigste deutsche Börsenindex Dax in Richtung 8.000 Punkte. Doch so richtig reif ist die Zeit für den nächsten Boom am Aktienmarkt offenbar noch nicht, denn unter kräftigen Kursschwankungen – wie aktuell nach dem unklaren Wahlausgang in Italien - ging es an der Börse vor allem seitwärts.
Dabei schallte es in den vergangenen Monaten lautstark aus dem Blätterwald, als wären historische Hochs auf dem Frankfurter Parkett bereits ausgemachte Sache. In den ersten beiden Monaten des Jahres hatte es eine wahre Flut an Börsenthemen auf den Covern von Wirtschaftszeitungen und -magazinen gegeben, die zum Anlegersturm auf Aktien aufriefen. Optimismus allenthalben, der Dax müsste eigentlich jeden Augenblick zum nächsten Höhenflug ansetzen. Aber das Börsenbarometer kommt nicht vom Fleck. Könnte die Stimmung vielleicht sogar kippen?
Was die Dax-Konzerne für das Geschäftsjahr 2012 ausschütten wollen
Preis (in €): 71,5
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 1,25
Rendite (in %): 1,75
Stand: 20.02.2013
Preis (in €): 103,3
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 4,50
Rendite (in %): 4,36
Preis (in €): 69,3
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 1,70
Rendite (in %): 2,45
Preis (in €): 71,5
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 2,70
Rendite (in %): 3,78
Preis (in €): 64,3
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 0,80
Rendite (in %): 1,24
Preis (in €): 71,4
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 2,50
Rendite (in %): 3,50
Preis (in €): 1,5
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 0,00 (*bereits bekannt gegeben)
Rendite (in %): 0,00
Preis (in €): 88,5
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 2,00
Rendite (in %): 2,26
Preis (in €): 44,5
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 2,20 (*bereits bekannt gegeben)
Rendite (in %): 4,95
Preis (in €): 36,1
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 0,75 (*bereits bekannt gegeben)
Rendite (in %): 2,08
Preis (in €): 46,9
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 2,10 (*bereits bekannt gegeben)
Rendite (in %): 4,47
Preis (in €): 16,9
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 0,75
Rendite (in %): 4,43
Preis (in €): 8,3
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 0,70 (*bereits bekannt gegeben)
Rendite (in %): 8,47
Preis (in €): 13,3
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 1,10 (*bereits bekannt gegeben)
Rendite (in %): 8,30
Preis (in €): 52,2
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 0,70
Rendite (in %): 8,30
Preis (in €): 89,7
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 1,10
Rendite (in %): 1,23
Preis (in €): 49,5
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 0,40
Rendite (in %): 0,81
Preis (in €): 65,9
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 0,90
Rendite (in %): 1,37
Preis (in €): 6,3
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 0,12 (*bereits bekannt gegeben)
Rendite (in %): 1,92
Preis (in €): 33,9
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 1,35
Rendite (in %): 3,99
Preis (in €): 66,5
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 1,00
Rendite (in %): 1,50
Preis (in €): 132,2
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 2,70
Rendite (in %): 2,04
Preis (in €): 15,7
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 0,00 (*bereits bekannt gegeben)
Rendite (in %): 0,00
Preis (in €): 103,4
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 1,80
Rendite (in %): 1,74
Preis (in €): 133,8
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 7,00 (*bereits bekannt gegeben)
Rendite (in %): 5,23
Preis (in €): 28,3
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 2,00
Rendite (in %): 7,08
Preis (in €): 59,4
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 0,85
Rendite (in %): 1,43
Preis (in €): 78,2
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 3,00 (*bereits bekannt gegeben)
Rendite (in %): 3,84
Preis (in €): 17,5
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 0,00 (*bereits bekannt gegeben)
Rendite (in %): 0,00
Preis (in €): 176,7
Dividende Geschäftsjahr 2012 (in €): 5,05
Rendite (in %): 2,86
Genau das befürchten einige Anleger, wenn sie sich die Titelseiten der Wirtschaftspresse der vergangenen Wochen ins Gedächtnis rufen. Denn wenn die Medien allzu euphorisch über den nahenden Aufschwung an den Aktienmärkten berichten und dies zum Top-Thema machen, gilt das vielen erfahrenen Börsianern als klarer Kontraindikator. Der verbreitete Börsenoptimismus ist nämlich den Anhängern des antizyklischen Investierens zufolge eher ein Signal zum Ausstieg aus Aktien. Demnach geht eine Aufwärtsbewegung an der Börse zu Ende, wenn es allzu optimistische Aktienmarktprognosen auf die Titelseiten von Zeitungen und Zeitschriften geschafft haben. Das gilt vor allem für Medien, die sich üblicherweise ganz anderen Themen als Börse und Geldanlage verschrieben haben und zugleich eine breite Masse erreichen. Getreu der alten Börsenweisheit, dass man sofort alle Aktien verkaufen soll, wenn einem der Taxifahrer Börsentipps gibt.
Der Bild-Zeitungsindikator
Hierzulande wird der Titelblatt-Indikator auch gerne der Bild-Zeitungsindikator genannt, angelehnt an einen Bild-Titel aus dem Frühjahr 2000. Damals hatte Deutschlands größte Tageszeitung auf seiner Titelseite versprochen, dass uns der Neue Markt alle reich machen werde. Tatsächlich kam dieser Bild-Titel nur wenige Tage vor Beginn der Trendwende an der Börse – und kündete damit unfreiwillig eine Absturz der Aktienmärkte an. Von den folgenden Kursverlusten, die im Dax erst drei Jahre später bei einem Stand von 2200 Punkten zum Stillstand kamen, hatte sich die Börse erst 2007 erholt.
„Damals haben alle über Aktien und den Neuen Markt gesprochen. Wer nicht wenigstens fünf Technologieaktien runterbeten konnte, stand auf Partys schnell allein da“, erinnert sich Joachim Goldberg, Gründer und Geschäftsführer des Analyseunternehmens Cognitrend in Frankfurt. Cognitrend erstellt unter anderem den wöchentlichen Bull-Bear-Index, der das Verhältnis der optimistischen zu den pessimistischen Börsenakteuren auf Basis aktueller Umfragen abbildet. „Das Gefährliche an euphorischen Börsentiteln ist, dass etwas beschrieben wird, was im Grunde schon passiert ist. Die optimistischen Anleger haben da schon längst Aktien gekauft, das Gros der Kursgewinne ist da bereits gelaufen“, sagt Goldberg.
Noch hat es der Börsenjubel nicht auf die Titelseiten von wirtschaftsfernen Zeitschriften oder Tageszeitungen geschafft, wenn man vom eher anlegernahen Handelsblatt absieht. Insofern gab der Titelblatt-Indikator noch kein klares Verkaufssignal. Doch die Wucht des medialen Börsenoptimismus in den einschlägigen Wirtschaftsblättern sollte Anleger mit einer gesunden Portion Skepsis aufhorchen lassen.
Hochgesänge der Wirtschaftsmagazine
Vorangeprescht war das Anlegermagazin „Der Aktionär“ am 15. Januar: „Dax 10.000 – Neue Rekorde in Sicht“ prangte auf dem Heft, versehen mit der Unterzeile: „So schlagen Sie den Index“. Das Handelsblatt kleidete seine Wochenendausgabe vom 18. Januar in eine Titelseite mit der Überschrift „Dax 10.000“. Subtext: "Warum der Aufstieg der deutschen Standardwerte sich fortsetzen wird – ohne dass eine Spekulationsblase entsteht." Die Tageszeitung widmet den Argumenten für eine lang anhaltende Hausse der Börsen neun Seiten.
Wettbewerber Börse Online titelte nur sechs Tage später mit „Aktien auf Rekordkurs“. „Focus Money“ legte Ende Januar nach: „Zögerst Du noch – oder kaufst Du schon?“. Die Unterzeile verriet: „Deutsche Aktien sind günstiger als Sie glauben“. Das Cover war zudem mit weiteren Kaufargumenten gespickt: „Zinssparer verlieren“ war auf der Titelseite ebenso zu lesen wie „Aktien sind die besseren Anleihen“.
Der Reigen setzt sich fort: „Der Aktionär“ lässt am 6. Februar auf seinem Cover einen Mann „Kaufalarm!“ in ein Megafon brüllen. Dax und Dow wären auf Rekordjagd, lässt die Unterzeile den Leser wissen und verspricht sechs Top-Aktien, die man jetzt haben müsse. Noch überschwänglicher schürt die wenige Tage später erschienene zitronengelbe Ausgabe von „Focus Money“ den Börsenoptimismus: „Alternativlos!“ steht dort dramatisch über einem dicken Geldstapel, der fünf Prozent Rendite mit dividendenstarken Aktien verheißt. „Warum Sie jetzt deutsche Aktien kaufen müssen! Und welche…“ erläutert der nebenstehende Satz die Schlagzeile. Nur einen Tag später zündet „Der Aktionär“ erneut eine Börsenrakete: „Europa feiert Comeback – Die Chance des Jahrzehnts“. Das Magazin empfiehlt mit Blick auf Spanien, Italien, Frankreich & Co. solide Aktien, mit denen Leser ein Vermögen verdienen können.
"Das billige Geld wird von den Märkten nicht mehr angenommen"
Aufschwung lässt auf sich warten
Doch an der Börse lässt sich der nächste Aufschwung Zeit. „Derzeit haben wir zu wenig Privatanleger am Aktienmarkt. Nach neuesten Zahlen finden überhaupt nur etwa zehn Prozent der Anleger Aktien als Geldanlage überhaupt attraktiv. Da ist noch viel Platz für neue Investoren“, sagt der Experte für Anlegerverhalten Joachim Goldberg von Cognitrend. „Für eine starke Aufwärtsbewegung ist der Markt noch nicht gerüstet.“ Tatsächlich belegen aktuelle Zahlen Deutschen Aktien Instituts (DAI), dass nach einem Zwischenhoch Anfang 2012 in der zweiten Jahreshälfte 2012 die Zahl der Aktionäre um 1,3 Millionen auf nur noch 8,8 Millionen Menschen gesunken ist. Viele nutzten nach Einschätzung des DAI die gute Entwicklung der Kurse für Gewinnmitnahmen.
Dabei sind die 8000 Punkte ohnehin nur für Liebhaber großer glatter Zahlenwerte eine wichtige Hürde. Im Grunde geht es darum, wann die Börse die dramatischen Verluste der Finanz- und Schuldenkrise wieder wettgemacht hat und den alten Rekordstand vom 16. Juli 2007 überwindet. Damals erreichte der Dax 8105 Punkte – und übertraf damit sogar das alte Rekordhoch auf dem Höhepunkt der New-Economy-Blase vom Frühjahr 2000. Schade, dass Anleger nach Erreichen des neuen Rekords von 2007 nicht sehr viel Zeit hatten, um sich über ihren Erfolg zu freuen. Spätestens mit Beginn des Jahres 2008 ging die Börse für mehr als ein Jahr in den nahezu freien Fall über – und änderte erst unterhalb von 4.000 Punkten wieder die Richtung. „Das ist in den Köpfen der Anleger“, so Goldberg. „Viele wissen, dass der Dax bereits zweimal über die 8000 Punkte geklettert war – und es danach lange massiv abwärts ging.“
"Werden Sie Börsengewinner!"
Wer schon 2007 auf den Titelblatt-Indikator vertraut hat, konnte seinerzeit Gewinne mitnehmen oder zumindest Verluste begrenzen. Denn wenige Wochen bevor der Dax seine bis heute gültige Rekordhöhe erreichte, gaben einige populäre Publikationen ein starkes Verkaufssignal. Am 4. Juni warb die Titelseite des „Focus“ für einen Einstieg in Aktien mit der Schlagzeile: „Werden Sie Börsengewinner!“. Selbst die Fernsehzeitschrift „Hörzu“ lockte auf ihrer Titelseite die Leser mit dem möglichen Börsenreichtum. Die beiden Zeitschriften haben mit ihren euphorischen Titelzeilen aber nicht gerade gutes Timing bewiesen. Nachdem der Dax im folgenden Juli mehrfach seinen Höchststand testete, aber nicht mehr deutlich überwand, ging es bis zum Jahresende zunächst seitwärts. Ab Januar 2008 ging es dann an der Börse immer weiter in den Keller, bis der Dax schließlich im Frühjahr 2009 ein neues Tief deutlich unterhalb von 4000 Punkten markierte. Dass auch „Der Aktionär“ noch am 20. Juni 2007 auf seiner Titelseite die „Optimale Kauf-Zeit“ ausrief, ist angesichts des grundsätzlich eher optimistischen Tenors des Anlegermagazins aus Kulmbach nur ein weiterer Anlass für Börsenskepsis und zugleich Beleg, dass auch Fachmagazine gründlich irren können.
Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln
Gegen die größer werdenden Unwägbarkeiten sollte man sich zuallererst mit einer Strategie wappnen: Wer an kräftiges Wachstum in Deutschland glaubt, an einen anhaltenden Boom der Schwellenländer und hohen privaten Konsum, kann weiter am Aktienmarkt investieren. Wer skeptisch ist, sollte seine Bestände hingegen nicht aufstocken.
Eng verbunden mit der ersten Regel: Immer wieder kommt es vor, dass sich Dinge anders entwickeln, als man erwartet hat. Es ist wichtig, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und nicht jeder Entwicklung hinterherzulaufen. Eine solche Reaktion zeugt nicht von einem geringen Vertrauen in die eigene Strategie. Es kostet meist auch Geld, weil die Masse schon vorher diese Richtung eingeschlagen und das Gros an Rendite eingefahren hat.
Groß oder klein, spekulativ oder konservativ, liquide oder illiquide, dividendenstark oder dividendenschwach, Substanz oder Wachstum: Bei Aktien ist die Auswahl riesig. Der richtige Mix aus spekulativen und konservativen Titeln hilft, Schwankungen zwischen guten und schlechten Zeiten auszugleichen. Nicht zu unterschätzen sind starke Dividendenzahler, die Jahr für Jahr den Grundstock für eine solide Rendite legen.
Keine Frage, die Börsen haben in den vergangenen zehn Jahren stärker geschwankt als in allen Dekaden zuvor. Das wird so bleiben, mit wachsendem Computerhandel sogar noch zunehmen. Wer sein Risiko minimieren will, baut Barrieren ein – sogenannte Stopps. Gerne werden Stopps bei 20 Prozent über und unterhalb des aktuellen Kurses gewählt. Dann wird automatisch verkauft, wenn diese Grenzen erreicht sind. Kommt eine Phase überraschend steigender Kurse mit anhaltendem Aufwärtstrend, lässt sich die Barriere leicht nach oben verschieben. Wichtig ist dann, auch die Barriere am unteren Ende nachzuziehen.
Wichtig in Phasen überraschender Kurssteigerungen oder -stürze ist es, das Verhalten der Masse zu beobachten. Ist es noch nachvollziehbar oder völlig irrational? Häufig ist es irrational. Dann hilft meist die zweite Regel: Widerstandskraft zeigen. Nach einigen Monaten kehrt die Rationalität von ganz allein zurück. Der Kurssturz aus dem vergangenen Jahr und die jüngste Entwicklung beweisen das gerade wieder.
Sind Aktien wie seit Jahresbeginn schon um 30, 40 oder gar 50 Prozent gestiegen, dann sind Anschlussgewinne in der Regel nur noch schwer zu erzielen. Phrasenverdächtig ist zwar die alte Weisheit: „An Gewinnmitnahmen ist noch niemand zugrunde gegangen.“ Richtig ist sie trotzdem.
Firmenchefs haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber normalen Aktionären. Sie wissen weit mehr als jeder Analyst oder Kommentator, wie es in ihrem Unternehmen aussieht. Insider nennt man sie deshalb. Sie melden ihre Orders innerhalb von fünf Handelstagen an die Börsenaufsicht Bafin. Das Handelsblatt veröffentlicht alle zwei Wochen das sogenannte Insider-Barometer, das aus der Summe aller Kauf- und Verkaufsorders Schlüsse für den weiteren Verlauf in Dax & Co. zieht. Jüngste Tendenz: Vorstände und Aufsichtsräte verkaufen mehr als sie kaufen. Vorsicht also!
Terroranschläge und Naturkatastrophen kommen unerwartet. Politische Konflikte wie aktuell zwischen Israel und dem Iran schwelen meist länger. Entscheidende Wahlen wie jüngst in Russland und in diesem Jahr noch in Frankreich und den USA sind vorhersehbar und haben immer Einfluss auf die Börse. Dabei gilt generell: Wahljahre sind gute Börsenjahre.
Mit Optionsscheinen oder Bonus-Zertifikaten lässt sich zwar aus einem Aufwärtstrend ein noch größerer Profit schlagen. Dies sind jedoch in der Regel Wetten ohne realen Hintergrund. Aktien sind reale Werte.
Vor allem Aktien einzelner Branchen unterliegen immer wieder gewissen Moden. Doch die wechseln wie im realen Leben, und manchmal geht das schneller, als man denkt. Das bekommt gerade die einst angesehene Solarenergie-Branche bitter zu spüren.
Die Beobachtung von Titelseiten ist keine exakte und quantifizierbare Analyseform. „Man kann den Titelblatt-Indikator weder genau berechnen noch lässt er sich über einer durchgängige Zeitreihe verfolgen, da er nur sporadisch Signale erhält“, sagt Ralf Flierl, Chefredakteur des Anlegermagazins Smart Investor, dass des Öfteren über den Titelseiten-Indikator berichtet und sich den antizyklischen Investments – der Contrarian-Strategie – verschrieben hat. „Man muss als Anleger auch berücksichtigen, wie reißerisch einzelne Publikationen titeln. 'Der Aktionär' ist eigentlich immer bullisch. Wenn der etwa ‚Dax 10.000‘ auf den Titel schreibt, nehme ich das nicht so ernst, wie wenn die gleiche Zeile vorne auf dem Handelsblatt-Titel steht. Wer sich auf solche Anzeichen stützt, muss auch Gespür für die einzelnen Medien mitbringen.“ Dass Wirtschaftsmagazine mit Schwerpunkt Geldanlage regelmäßig die Entwicklungen an der Börse thematisieren und zu gegebener Zeit auch Optimismus verbreiten - wie beispielsweise auch die WirtschaftsWoche -, ist an sich nicht ungewöhnlich. Schließlich werden damit die Interessen der treuen Leserschaft bedient. Insofern ist ein Börsenthema auf der Titelseite eines Wirtschaftsmagazins allein noch kein Trendsignal. Erst bei thematisch breiter aufgestellten Publikumszeitschriften gewinnt ein Börsenthema so an Strahlkraft, dass Anleger hellhörig werden sollten. Die jüngste Häufung positiver Börsentitel macht Flierl daher auch noch nicht nervös: „Für den Dax sind wir mindestens bis zum Frühsommer noch optimistisch, vielleicht auch noch bis ins dritte Quartal. Aber dann rechnen wir mit einem Dämpfer.“
8000 verpasst...und jetzt?
Die entscheidenden Faktoren
Titelseiten können also durchaus richtige Signale zum antizyklischen Investieren geben. Aber dafür müssen einige Faktoren stimmen, so Joachim Goldberg: „Man muss die Börseneuphorie am Kiosk sehen können. Damit die Stimmung als Kontraindikator verstanden werden kann, muss es das Thema also auf die Aufmacherseite von Blättern schaffen, die ein breites Publikum ansprechen. Titelt eine Wirtschaftszeitung wie das Handelsblatt oder ein Anlegermagazin ‚Dax 10.000‘, ist das für mich noch kein Kontraindikator. Aber schreibt so etwas die Bild-Zeitung auf Seite eins, wird es für investierte Anleger gefährlich.“
Der Titelblatt-Indikator mag zwar exotisch sein, aber er fußt auf fundierten Erkenntnissen. Der amerikanische Anlageexperte Paul Macrae Montgomery hat ihn 1971 entwickelt. In seinen zahlreichen Untersuchungen zu Titelblättern hatte er herausgefunden, dass etwa Aktien aus Titelgeschichten im Monat nach ihrem Erscheinen zunächst noch steigen, weil dann auch noch die letzten übrig gebliebenen unsicheren Anleger – Börsenlegende André Kostolany sprach von den Zittrigen - den Einstieg wagen. Ein Jahr nach der Titelgeschichte notieren jedoch Montgomery’s Untersuchungen zufolge 80 Prozent der fraglichen Papiere im Minus.
Herdentrieb der Finanzmarktakteure
Der hinter diesem Effekt stehende Mechanismus beruht auf dem Herdentrieb der Finanzmarktakteure und den Gesetzmäßigkeiten der Behavorial Finance – sozusagen die Verhaltensforschung an den Finanzmärkten. Diese Disziplin der Finanzmarktanalyse widmet sich der Stimmung – im Fachjargon dem Sentiment - in den Lagern von Börsenbullen und -bären. Sie geht davon aus, dass Börsenoptimisten – also die Bullen - bereits ihre kompletten Geldmittel in Aktien investiert haben und somit die Kurse nicht weiter in die Höhe treiben können. Steigen sie jedoch wieder aus – etwa um Gewinne mitzunehmen – lösen sie im Herdentrieb schnelle und deutliche Kursverluste aus.
Die Pessimisten hingegen halten eher Liquidität, weil sie sich bereits aus dem Aktienmarkt zurückgezogen haben. Steigt die Liquidität immer weiter, kommt der Zeitpunkt, an dem sie vermeintlich günstige Aktien kaufen wollen, um ihre Rendite gegenüber dem niedrig verzinsten Geld auf dem Tagesgeldkonto aufzubessern und sich nicht noch mehr Kursgewinne entgehen zu lassen. Der Behavorial Finance zufolge gehen daher zu viele Optimisten im Markt mit einem wachsenden Risiko von Kursverlusten einher, während es eine Mehrheit von Pessimisten braucht, damit die Kurse wieder auf breiter Front steigen können.
Kundenorientierung der Medien
Dass diese Wechselwirkung auch bei Zeitungs- und Zeitschriftentiteln greift, hat zudem mit der Kundenorientierung der Massenmedien zu tun. Bei der Auswahl eines Titelthemas in den Redaktionen spielen nämlich die Wünsche der Leser eine gewichtige Rolle – schließlich soll sich die Publikation auch am Kiosk möglichst gut verkaufen. Umgekehrt beeinflussen die Medien auch die Meinungsbildung der Anleger. Insofern sind die Medien Spiegel und Verstärker der Stimmung ihrer Leser.
Kuriose Börsenpannen
Fast 45 Minuten konnten am 29. Oktober 2013 an der US-Börse Nasdaq einige Indexstände nicht übermittelt werden. Wegen der fehlenden Daten wurde der Optionshandel vorübergehend ausgesetzt. Als Grund für die Panne nannte der Betreiber menschliches Versagen: Durch einen Bedienfehler seien Störungen in der Datenübertragung entstanden.
Wegen technischer Probleme hat die Derivate-Börse Eurex den Handel am Morgen des 26.8.2013 vorübergehend gestoppt. "Die Aussetzung wurde durch eine fehlerhafte Zeit-Synchronisierung im System verursacht", teilte die Tochter der Deutschen Börse mit. Aus diesem Grund sei der Handel zwischen 08:20 und 09:20 Uhr (MESZ) angehalten und sämtliche Produkte auf den Stand vor Börseneröffnung zurückgesetzt worden.
Eine technische Panne hat die US-Technologiebörse Nasdaq am 22. August 2013 für mehrere Stunden lahmgelegt. Grund für den Knock out sei ein Softwareproblem gewesen, teilte der Börsenbetreiber Nasdaq OMX mit. Die Übermittlung von Kursdaten an die New Yorker Börse an der Wall Street war offenbar zusammengebrochen. Auch der Optionshandel wurde bis auf weiteres ausgesetzt. Erst nach rund dreistündiger Zwangspause konnte die Börse den Handel mit den Papieren von Technologiefirmen wie Apple, Facebook, Microsoft oder Google wiederaufnehmen. Die Nasdaq rechnet aber bisher nicht mit Schadenersatz- oder Haftungsansprüchen.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat am 21. August 2013 versehentlich eine riesige Menge von Optionsgeschäften getätigt. Die irrtümlichen Orders wurden kurz nach Handelseröffnung aufgegeben und betrafen Optionen auf Aktien, deren Börsensymbole mit den Buchstaben H bis L beginnen. Eine mit den Problemen vertraute Person, die nicht namentlich genannt werden wollte, führte die fehlerhaften Aufträge auf eine Computerpanne zurück. Diese habe dazu geführt, dass bloße Interessensbekundungen an den Optionen irrtümlich als Orders an die Handelsplätze versandt worden seien. Möglicherweise drohe Goldman Sachs ein Verlust in Millionenhöhe.
Ein Aktienhändler der UBS handelte durch Eingabe zu vieler Nullen im Januar 1999 innerhalb von zwei Minuten zehn Millionen Aktien der Pharmafirma Roche, von den aber überhaupt nur sieben Millionen Stück existierten. Das Handelsvolumen überstieg die Marktkapitalisierung von Roche um knapp die Hälfte. Den Verkauf versuchte er durch eigene Kauforders rückgängig zu machen. 2001 verkaufte ein Händler der Investmentbank Lehman Brothers aus Versehen immer hundertmal mehr Aktien als er wollte – vor allem von Schwergewichten wie AstraZeneca und BP – und vernichtete so zeitweise 30 Milliarden Pfund an Börsenwert.
Im Dezember 2001 begleitete UBS Warburg den Verkauf neuer Aktien des japanischen Unternehmens Dentsu. Ein Händler vertippte sich und verkaufte statt 16 Dentsu-Aktien zu 600.000 Yen gleich 610.000 Aktien zu 6 Yen an. Schnell verkaufte die UBS so 64.915 Aktien, was etwa der Hälfte des Emissionsvolumens entspricht. Die UBS verlor so 100 Millionen Dollar, weil sie die Aktien selbst zum Marktpreis kaufen musste, um die Käufer mit den Papieren zu versorgen.
Ein Händler von Bear Stearns verkaufte im Oktober 2002 Aktien für vier Milliarden Dollar anstelle von vier Millionen. Bevor der Vertipper auffiel, gingen bereits Wertpapiere im Wert vom 600 Millionen Dollar an neue Besitzer. Der Leitindex Dow Jones sank dadurch um 2,3 Prozent.
Der Hochfrequenzhandel war für den "Flash Crash" an der Wall Street verantwortlich, als sich im Mai 2010 durch einen blitzartigen Kurseinbruch aus heiterem Himmel binnen Minuten fast eine Billion Dollar Marktwert in Luft auflöste. Einige Aktien verloren in der kurzen Zeitspanne rund die Hälfte ihres Wertes. Schon davor hatte es Kritik gegeben an den immer schnelleren Börsengeschäften über Computersysteme. Beim sogenannten Hochfrequenzhandel werden tausende Transaktionen binnen Millisekunden durch Computer ausgelöst.
Ende Juni 2010 fielen die Aktien der Citigroup nach Massenverkäufen durch elektronische Handelssysteme zeitweise um17 Prozent. Da die US-Börsenaufsicht SEC nach dem „Flash Crash im Mai zuvor beschlossen hatte, Aktien aus dem Index S&P 500 vom Handel auszusetzen, sofern diese innerhalb von fünf Minuten mehr als zehn Prozent fallen oder steigen, stoppte diese Sicherungssystem den Kursrutsch. Fünf Minuten stoppte der Handel, dann beruhigte sich die Lage. Den Handelstag beendete die Citigroup-Aktie sieben Prozent im Minus.
Noch vor Facebook gab es einen weiteren verpatzten Börsengang: Die Erstnotiz der drittgrößten US-Börse BATS Global Markets Ende März 2012 endete mit einem Totalschaden. Die Aktien sollten auf der eigenen Handelsplattform ihr Börsendebüt feiern, aber die neuen BATS-Aktien sackten binnen Minuten von 16 Dollar auf unter einen Cent. Als Schuldige wurde eine neue Software ausgemacht. BATS musste falschen Transaktionen zurücknehmen - und nahm die eigenen Aktien nach dem peinlichen Vorfall gleich mit von der Börse.
Als das 900 Millionen Nutzer starke Social-Media-Portal im Mai 2012 den Sprung an die Börse wagte, bekam die Erfolgsstory deutliche Risse. Nach gravierenden Pannen im Handelssystem der Technologiebörse Nasdaq in New York stürzte der Kurs des Börsenneulings rapide in die Tiefe. Beteiligte Firmen erlitten hohe Millionen-Verluste, etliche fordern von der Nasdaq Schadenersatz. Die Schweizer Großbank UBS, die beim Facebook-Börsengang 349 Millionen Franken (290 Millionen Euro) verlor, drohte bereits mit einer Klage gegen die Börse.
Am 31. Juli 2012 versetzte eine fehlerhafte Handelssoftware versetzte Wertpapierhändler und Anleger an der Wall Street in Aufruhr: In den ersten 45 Minuten des Handelstages verzeichneten rund 150 Aktientitel so hohe Umsätze wie sonst an einem ganzen Tag. Die Folge waren heftige Preisschwankungen, und fünf Aktien mussten sogar ganz aus dem Handel genommen werden. Das Börsenhandelshaus Knight Capital räumte ein, Probleme mit seinen computergestützten Systemen seien dafür verantwortlich. Ein neues Handelsprogramm hatte die Börse mit fehlerhaften Handelsaufträgen geflutet. Knight Capital verbuchte durch die viel zu teuer gekauften Aktien einen Verlust von rund 440 Millionen Dollar.
Kurz nach dem Handelsstart im April 2014 an der Technologiebörse Nasdaq schossen die Aktien des Lebensmittelherstellers Kraft Foods binnen einer Minute um satte 30 Prozent nach oben, von 45 auf mehr als 58 Dollar. Die Nasdaq verneinte Probleme mit ihrer Handelsplattform und machte einen Börsenmakler als Verursacher aus. Laut "Financial Times" hatte ein Handelsprogramm irrtümlich versucht, 30.000 Kraft-Aktien binnen kürzester Zeit zu ordern. Die Nasdaq und andere betroffene Börsen erklärten nach einer Untersuchung der Kursbewegungen die fragwürdigen Transaktionen oberhalb eines Kurses von 47,82 Dollar für ungültig. Der Fehler ereignete sich nur einen Tag, nachdem Kraft Foods sich aufgespalten und sein Geschäft mit Snacks außerhalb der USA unter dem Namen Mondelez International als eigenständige Aktie an die Nasdaq gebracht hatte.
Wenn also eine große Boulevard-Zeitung oder etwa eine Fernsehzeitschrift für den Einstieg in Aktien trommelt, dürfte die Börsenparty bald vorbei sein. Und offenbar sind die Titelblätter zum Thema Börse – auch wenn sie anders als bei Anlegermagazinen bei den populären, massentauglichen Medien ja nur sporadisch auftreten - ein durchaus ernst zu nehmender Kontraindikator. Ein legendäres Beispiel aus den USA aus dem Jahr 1979 illustriert, dass der Indikator auch in der Gegenrichtung funktioniert. Damals hatte die Business Week auf ihrem Cover den Tod der Aktien vorausgesagt – „The Death of Equities“. In den Monaten danach kam es an den Börsen zu einer historischen Hausse, bei der sich die Aktienbewertungen verzehnfachten.
Zu früh für eine Trendwende
Aber noch ist es offenbar zu früh für eine Trendwende. Die Begründungen für den derzeit zur Schau gestellten Börsenoptimismus sind durchaus gewichtig. Die sich ankündigende Rückkehr Chinas als Wachstumslokomotive der Weltkonjunktur, die sich aufhellende Konjunkturstimmung und die nachlassende Anspannung in der US-Haushalts- und Euro-Schuldenkrise sorgen für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends. Außerdem seien die Bewertungen noch nicht hoch: Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von elf im Dax sei angesichts eines historischen Durchschnitts-KGVs von 15,5 noch günstig. Daher müsse der Dax gemessen an einer am historischen Wert orientierten fairen Bewertung eigentlich bei 10.780 Punkten stehen, argumentiert etwa das Handelsblatt. Schwellenländer wie Indonesien und Indien würden ebenso wie China weiter stark wachsen und insbesondere den international gut aufgestellten deutschen Konzernen zusätzlichen Schub geben. Ein Erreichen der 8000-Punkte-Marke ist demnach zum Greifen nah.
Vorsichtiger Optimismus
Auch die Analysen von Cognitrend geben den Optimisten noch weiter Nahrung. „Noch sind wir weit von Euphorie entfernt“, konstatiert Sentiment-Experte Goldberg. „Die Anleger sind zwar überwiegend, aber nur vorsichtig optimistisch.“ Den Cognitrend-Daten zufolge rechnen etwa die Bullen im Markt im Mittel nur mit einem Anstieg des Dax bis auf 7910 Punkte, während die Bären Rückschläge bis auf 7400 Punkte erwarten. Der Optimismus ist also weniger stark ausgeprägt, als der Pessimismus. “Viele, die billig einsteigen wollten, kamen noch nicht zum Zuge. Sie zögern mit dem Einstieg, weil sie auf eine stärkere Kurskorrektur warten. Aber die Korrekturen waren moderat und die Pessimisten riskieren, dass ihnen die Kurse davonlaufen, wenn sie weiter warten. Dieses Risiko wird häufig unterschätzt“, so Goldberg. Die Kursverluste von zeitweise zwei Prozent im Dax unmittelbar nach der Italien-Wahl dürfte somit das Lager der Pessimisten wieder vergrößert haben und so den Boden für steigende Kurse bereiten.
Eine Faustformel, wann das Börsen-Sentiment ein Verkaufssignal gibt, hat Goldberg auch parat: „Erst wenn unser Bull/Bear-Index Werte von mehr als 80 Prozent zeigen würde, ist Vorsicht geboten. Aber in so einem Markt wie derzeit werden die Kurse weiter steigen.“ Vor der Italien-Wahl lag der Wert nur bei etwa 55 Prozent. Nun ist er auf 42 Prozent gesunken. Den starken Rückgang führen die Cognitrend-Analysten darauf zurück, dass 13 Prozent der 300 befragten institutionellen Investoren ihre Dax-Aktien verkauft haben und das Bullenlager verlassen haben. Gemessen daran hätte die Reaktion im Dax eigentlich stärker ausfallen müssen. Offenbar stützen aber auch Käufer aus dem Ausland den Dax. Goldberg erwartet für das laufende Jahr ein neues historisches Hoch im Dax.
Die Zeit für eine anschließende Börsenumkehr könnte erreicht sein, wenn zum Hoch die zittrigen Anleger Gewinne mitnehmen und wieder in das Lager der Pessimisten wechseln. Im Vorfeld kann es hilfreich sein, die Cover der Zeitschriften im Auge zu behalten. Denn wenn das voraussichtlich wachsende Optimisten-Lager seine relativ geringen Gewinnhoffnungen an der Börse erfüllt sieht, könnte es zu schnellen Gewinnmitnahmen kommen. Vielleicht warnt davor zuvor ein die Börse bejubelndes Titelblatt.