Trotz Erholung Aktienrückkäufe in Europa nur schleppend

Die Aktienrückkäufe nehmen in Europa nur ganz allmählich zu. Die Unternehmen haben offenbar andere Prioritäten. Aber es gibt auch einen anderen Grund.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Aktienrückkäufe haben auch ein politisches Element. Quelle: dpa

Europas Aktienanleger haben einen atemberaubenden Zuwachs bei den Aktienrückkäufen in den USA mitangesehen, seit sich die Märkte wieder von der globalen Finanzkrise erholt haben. Und sie fragen sich, wann sie an die Reihe kommen.

Auch wenn die Investoren ein ums andere Mal enttäuscht wurden, scheinen die Sterne in Europa nun endlich richtig zu stehen: Die Gewinne steigen, die Aktienbewertungen sind von Rekordhochs weit entfernt und die Fremdkapitalkosten liegen noch immer nahe an Allzeittiefs. Richemont, Yara International ASA, Royal KPN und Axa SA gehören zu den europäischen Unternehmen, die in letzter Zeit Rückkäufe angekündigt haben.

Doch das Rinnsal dürfte ein Rinnsal bleiben. „Die Aktienrückkäufe nehmen langsam wieder zu. Doch werden wir von nun an einen sprunghaften Anstieg erleben? Vielleicht nicht ganz so schnell“, sagt Emmanuel Cau, Aktienstratege von JP Morgan Chase & Co. in London. „Die Unternehmen in Europa haben andere Prioritäten.“

Zuerst dürften die Unternehmen ihre Investitionen steigern, die noch immer auf einem niedrigen Niveau liegen, fügt er an. Finanzkonzerne – die in den vergangenen zehn Jahren den größten Beitrag zu Aktienrückkäufen in Europa lieferten – könnten seiner Einschätzung nach als erstes die Dividende aufbessern, sobald ihr Kapital den strengeren aufsichtsrechtlichen Anforderungen genügt.

In Europa waren Aktienrückkäufe noch nie so beliebt wie in den USA. Diese Diskrepanz hat sich seit der globalen Finanzkrise noch verstärkt. In den letzten vier Quartalen ist der Wert der Rückkäufe in der Region auf 18 Prozent des Wertes in Amerika geschrumpft, während es vor einem Jahrzehnt noch 47 Prozent waren, zeigen von Bloomberg zusammengestellte Daten auf Basis von Aktienindizes.

Spekulationen über eine Renaissance der Rückkäufe sind zuletzt wieder gestiegen. Solche Schritte könnten auch wieder zunehmen, da Unternehmen in Europa noch ihre Leverage erhöhen müssen wie in den USA und sich das Ende der quantitativen Lockerung der Zentralbank nähert, erklärten Strategen um Karen Olney von UBS Group AG in einer Einschätzung vom 7. Mai. Nach Auffassung von Citigroup Inc. ist der Rückkauf von Aktien für Unternehmen weltweit sinnvoll, da die Eigenkapitalkosten relativ zu den Fremdkapitalkosten hoch bleiben.

Tatsächlich zeichnen sich einige der richtigen Bedingungen ab. Die liquiden Mittel der Mitglieder im Stoxx 600 sind Ende 2016 auf 2,6 Billionen Euro gestiegen. Daten von Bloomberg zufolge ist das der höchste Stand seit mindestens 2008.

Der Anteil der Unternehmen, die mit ihren Gewinnen die Erwartungen übertrafen, erreichte im vergangenen Quartal den höchsten Stand seit 2009, erklärt Goldman Sachs Group Inc. Die Banken weisen höhere Kapitalquoten auf, wobei die Schweizer UBS die Möglichkeit höherer Dividenden oder eines Aktienrückkaufs andeutete, wenn die Kosten für Rechtsstreitigkeiten und Regulierung weiter zurückgehen.

Rückkäufe haben auch ein politisches Element. Der sprunghafte Anstieg der Rückkäufe in den USA schürte die Kritik, Aktienkurse künstlich aufzublähen und Gelder von Unternehmensinvestitionen abzuziehen. Da der Populismus in Europa noch immer relativ hohe Wellen schlägt, würden verstärkte Rückkäufe womöglich zu schlechter Publicity führen.

Der Stoxx 600 notiert in der Nähe eines 21-Monats-Hochs, während sich die Gewinne verbessern und die Wahrnehmung politischer Risiken abnimmt. Der breite Aktienindex wird etwa zum 15-fachen der in einem Jahr erwarteten Gewinne gehandelt, verglichen mit etwa 14,8 im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.

„Im Zuge sich bessernder Ergebnisse und höherer Cashflows sollte es dazu kommen, dass sich die Kapitalrückgabe an die Aktionäre weiter verbessert“, sagt Steve Sherman, Fondsmanager bei BNP Paribas Investment Partners in London. „Die erste Sorge muss dem Geschäftsbetrieb gelten und es gilt sicherzustellen, dass sie eine ausreichende Produktionskapazität haben. Danach werden sie darüber nachdenken, ihr Kapital zu verteilen.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%