Anleihe Anlegerfalle in der Backstube

Mit Zinsen von sieben Prozent versucht die Wiener Feinbäckerei Heberer Kunden in die Brötchenfinanzierung zu locken. Die neue Schuldverschreibung ist hochriskant.

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Werbung für die Anleihe der Wiener Feinbäckerei Heberer Quelle: Screenshot

Die Filiale der Wiener Feinbäckerei Heberer am Berliner Alexanderplatz sieht auf den ersten Blick aus wie ein normaler Bäckerladen. Dinkel- und Kürbiskernbrote stapeln sich in der Auslage, Verkäuferinnen schenken Milchkaffee und Cappuccino aus. Doch zwischen Laugenbrezeln, Zupfkuchen und Schokocroissants findet sich eine Süßware der besonderen Art: Auf der Theke, an den Glastüren, sogar auf den Brötchentüten prangt unübersehbar Werbung für die „Jubiläumsanleihe“ von Deutschlands viertgrößter Bäckereikette aus Mühlheim am Main.

Die zuckersüße Botschaft: sieben Prozent Festzins. „Trotz Finanzkrise“ eine „einzigartige Gelegenheit, Ihr Geld in einem familiär geprägten und grundsoliden Unternehmen anzulegen“, lockt die Bäckerei ihre Kunden. „Mit Brötchen können Sie nichts verlieren“, versucht der Leiter einer Ostberliner Filiale die Anleihe schmackhaft zu machen.

Dass die Realität anders aussieht, merken Anleger erst, wenn sie den „allein maßgeblichen“ Wertpapierprospekt lesen. Auf den weist die Bäckerei im Kleingedruckten hin, verteilt ihn aber nur auf telefonische Anfrage und per Internet, nicht aber in der Filiale. Die Lektüre des 122-seitigen Dokuments dürfte Anlegern, so sie es überhaupt zur Kenntnis nehmen, den Appetit auf die Brötchenpapiere verderben.

Der Fan als Investor - Liebesbeweis statt Geldanlage
Der Kassenschlager Erst im November startete der Zweitligist FC St. Pauli die Zeichnungsphase seiner Fan-Anleihe. Papiere zu 100, 500 oder – in Bezug auf das Gründungsjahr – 1910 Euro gab der Kiezclub seither aus.  Vier bis fünf Millionen Euro wollte er damit einsammeln, am Ende wurden es acht. Der Verein musste wegen des Ansturms sogar noch mal nachlegen. Die Anleihe läuft bis 2018. Quelle: dpa
Die Fan-Anleihe ist offenbar auch ein Erfolgsmodell für die Rheinländer: Als deutschlandweit erster Klub zahlte der 1. FC Köln 2011 das komplette Anleihevolumen an seine Gläubiger zurück. Quelle: dpa
Schlechter läuft es für St. Paulis Erzrivalen: Hansa Rostock hatte im Juli 2011 ebenfalls eine Anleihe auf den Markt gebracht und im November erst 300.000 der angepeilten 5 Millionen Euro eingenommen. Eine ähnlich durchwachsene Bilanz hatten die Hauptstädter: 2011 nahm Hertha BSC statt den erwarteten sechs Millionen Euro nur 3,5 Millionen mit den Anleihen ein. Quelle: REUTERS
Der VorreiterDen Anfang in der deutschen Liga hat 2005 Hertha BSC gemacht. In anderen Ländern, wie Großbritannien, sind Vereinsanleihen bereits seit Jahrzehnten Gang und Gäbe, um neben Krediten und dem Einstieg von Investoren an frisches Geld zu kommen. Quelle: dpa
Die ZinsenDie meisten Vereine wählen einen Zinssatz, der deutlich über dem eines klassischen Sparbuchs liegt: fünf bis sechs Prozent. Über die Anleihen ist der Fan an seinem Lieblingsverein beteiligt und kann sich wie im Fall des 1. FC St. Pauli (mit Vereins- oder Totenkopfemblem) oder Arminia Bielefeld auch die „Schmuckurkunden“, die ihren Besitzer als Financier adeln, ins eigene Wohnzimmer hängen. Quelle: dpa
Die ErfolgsboniEinige Vereine locken ihre potentiellen Investoren noch mit besseren Ertragsaussichten. So hätte es auch Hansa Rostock gelingen können: Wäre der Klub in die erste Liga aufgestiegen, hätte der Ost-Verein einen zusätzlichen Ertrag von zwei Prozent zum jährlichen Basiszins von fünf Prozent auszahlen wollen. Quelle: dapd
Die ProfiteureDie Vereine erschließen zunehmend das Anleihe-Modell als Finanzierungsquelle. Auch Schalke 04, 1. FC Nürnberg, der 1. FC Köln, 1860 München und Arminia Bielefeld gaben bereits Anleihen aus. Quelle: AP

Keine "Investition ins goldene Handwerk"

Denn die Jubiläumsanleihe ist keine „Investition ins goldene Handwerk“, sondern eine hochriskante Wette auf die Sanierung einer hoch verschuldeten Backwarenkette, mit der Anleger alles verlieren können: Die Bäckerei Heberer macht ihre Brötchentheke zum Bankschalter, weil sie dringend Geld braucht.

Bisher gehen die Schuldscheine weg – sprichwörtlich wie warme Semmeln: Papiere über rund sieben Millionen Euro hat die Bäckerei laut eigenen Angaben bereits verkauft, über Zeichnungsscheine, die die Kunden per Post nach Mühlheim schickten. Bis Ende Juli will die Wiener Feinbäckerei zwölf Millionen Euro einsammeln. Vor allem Sparer, die bei Heberer ihre Brötchen kaufen, haben investiert. Ihnen droht ein böses Erwachen.

Sanierungsfall

Denn die 1891 gegründete Traditionsbäckerei ist eher ein Sanierungsfall denn ein Unternehmen mit Perspektive: Schon 2009 hatte die Unternehmensberatung Roland Berger ein Sanierungskonzept erarbeitet. Vier Millionen Euro flossen in die Restrukturierung, unrentable Filialen wurden geschlossen. „Unsere bereits umgebauten und neu eröffneten Filialen erfreuen sich höchster Beliebtheit. Dies zeigt, dass die Modernisierung ein richtiger Schritt ist, um unsere Marktposition zu stärken und unsere Kunden auch weiterhin zufriedenzustellen“, so Alexander Heberer, gemeinsam mit Bruder Georg Inhaber und Geschäftsführer des Familienunternehmens.

Der Backwarenmarkt ist hart umkämpft: Zwischen 2003 und 2008 sei er nur um 0,7 Prozent jährlich gewachsen, haben die Berger-Berater ausgerechnet. Supermärkte, Selbstbedienungsbäcker und Discounter machen den Mühlheimern das Leben schwer. In den vergangenen Jahren schrieb die Feinbäckerei Millionenverluste, die Umsätze schrumpften von 2009 auf 2010 um mehr als vier Prozent.

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