Herr Weinberg, mit Rohstoffen lässt sich an der Börse derzeit kaum Geld verdienen. Ist der Superzyklus vorbei?
Der Rohstoffzyklus ist noch lange nicht vorbei, legt aber eine Pause ein. Insbesondere Industriemetalle wie Kupfer und Aluminium litten zuletzt unter der Konjunkturschwäche in den Schwellenländern. Die Goldpreise kamen unter Druck, weil die Anleger eine baldige Wende der Zinspolitik erwarten und die Inflation sehr niedrig bleibt. Dennoch bleiben die langfristigen Aussichten für den Rohstoffmarkt aus unserer Sicht gut.
Die Ankündigung von Fed-Chef Ben Bernanke, man werde künftig weniger Anleihen kaufen, hat nicht gerade geholfen.
Auch wenn die US-Notenbank nicht mehr 85 Milliarden US-Dollar monatlich an Anleihen kaufen sollte, bleibt die Zinspolitik sowohl in den USA als auch in Europa und Japan weiterhin expansiv. Geld bleibt noch lange Zeit günstig. Zwar sind die Rohstoffe nach den Äußerungen der Fed unter Druck geraten, aber dieser Effekt ist bereits in den Preisen eingerechnet. Und: Wenn der Ausstieg nicht ganz so schnell wie erwartet kommt, gibt das den Rohstoffpreisen positive Impulse.
Eine Garantie, dass es so kommt, gibt es nicht. Wäre es für Anleger dann nicht besser, zunächst abzuwarten und Rohstoffe zu meiden?
Die Anleger sind extrem skeptisch und meiden bereits den Rohstoffmarkt. In den vergangenen Monaten wurden bei Metallen ähnlich viele Terminkontrakte auf fallende Preise abgeschlossen wie kurz nach der Lehman-Pleite. Tiefer können die Erwartungen eigentlich nicht mehr sinken. Phasen, in denen Investoren bei Rohstoffen so einseitig positioniert sind, kündigen häufig Trendwenden an. Wir könnten in diesem Jahr, etwa bei Industriemetallen, noch positiv überrascht werden.
So groß ist Chinas Hunger nach Rohstoffen
Beim Aluminium entfallen 39,8 Prozent des weltweiten Verbrauchs auf China.
Auch bei Blei zählt China zu den größten Verbrauchern. 45,6 Prozent des Marktes beansprucht China für sich.
Lediglich den Rang als Spitzen-Erdölverbraucher überlässt China den USA, die einen Marktanteil von 10,7 Prozent einnehmen.
Bei Kupfer kommt der Verbrauch Chinas auf einen Marktanteil von 38 Prozent. Die USA landen mit deutlichem Abstand auf Rang 2. kurz vor Deutschland.
China zieht 39,3 Prozent des Nickelmarktes auf sich und lässt Japan und die USA weit hinter sich.
Das Reicht der Mitte ist der größte Importeur von Stahl. Die Hälfte des Weltmarkts entfällt auf China.
China ist der mit Abstand größte Verbraucher von Steinkohle. Das Land hat einen Weltmarktanteil von 51,4 Prozent an dem Energieträger. Die USA und Indien rangieren mit Abstand dahinter.
Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)/Deutsche Rohstoffagentur (DERA)
42,5 Prozent des Zinkmarkts vereinnahmt China für sich – weit mehr als die USA und Korea.
Beim Zinn kommt das Reich der Mitte auf einen Marktanteil von 41,0 Prozent. Damit liegt China deutlich vor Japan und den USA.
Welche Überraschungen meinen Sie?
Gute Nachrichten aus China und Europa. Die Angst geht um, Chinas Wirtschaftswachstum, das die Rohstoffnachfrage im vergangenen Jahrzehnt antrieb, könnte sich weiter verlangsamen. Zwar bremst die neue Regierung das Wachstum, aber dank der Strukturreformen wird das BIP-Wachstum Chinas noch einige Jahre über sieben Prozent jährlich betragen. Wenn sich der Konjunkturoptimismus wieder durchsetzt, wäre mit steigenden Rohstoffpreisen zu rechnen. Für Investoren, die gegen den Strom schwimmen, sind dies gute Voraussetzungen.
"Gute Nachrichten aus China und Europa"
China kämpft mit Problemen: Hoch verschuldete Provinzen und Geisterstädte.
Das sind Symptome der Vergangenheit. Die neue Regierung steuert bereits gegen. Geld fließt nun in sinnvolle Infrastrukturprojekte, die Kreditvergabe wird stärker reguliert. Die neue Regierung will die Wirtschaft einer Radikalkur unterziehen und auf einen nachhaltigen Wachstumspfad führen. Außerdem werden weiterhin jedes Jahr 15 bis 20 Millionen Chinesen vom Land in die Städte ziehen. Neue Häuser, Straßen, Brücken und Fahrzeuge werden gebraucht.
Wenn die Rohstoffmärkte abhängig von China sind, werden die Preise dann nicht stärker schwanken?
Nein, im Gegenteil. Die Chinesen kaufen ein, wenn die Preise unten sind - auch wenn die heimische Industrie die importierten Mengen nicht gleich verarbeiten kann. So baut China strategische Lager für Zeiten auf, in denen die Rohstoffpreise wieder anziehen. Mitten in der Weltwirtschaftskrise hat China einige Millionen Tonnen Metall aufgekauft. Anfang des Jahres hielten sich die chinesischen Händler zurück, nun kaufen sie wieder verstärkt Kupfer, Zink oder Aluminium ein. Denn die Vorräte an Kupfer oder Aluminium an der Metallbörse in Shanghai liegen auf dem tiefsten Stand seit einem Jahr. Offensichtlich beschleunigt sich das Wachstum in China derzeit wieder, weshalb die Rohstoffproduktion in China nicht mehr mit der Nachfrage Schritt halten kann.
Ein starker Dollar verteuert Rohstoffimporte. Bricht die Nachfrage dann ein?
Auch wenn der US-Dollar die wichtigste Währung im Rohstoffhandel ist, wird seine Stärke nicht die Richtung an den Rohstoffmärkten bestimmen. Denn die Rohstoffnachfrage ist weitestgehend preis-unelastisch - sie wird über den Bedarf, nicht über den Preis gesteuert. So ist der Benzinpreis in Deutschland seit Anfang 2009 um 50 Prozent gestiegen. Der Verbrauch sank zwar um knapp fünf Prozent, nicht aber, weil wir etwa weniger fahren, sondern weil die Autos sparsamer sind. Wenn der Bedarf da ist, können die Preise stark anziehen, ohne dass ab einer bestimmten Preisschwelle die wieder einbricht.
Umgekehrt, wenn es kriselt und es mehr Arbeitslose gibt, werden die Rohstoffpreise überproportional fallen. Ohnehin hat China kein Währungsproblem, da der Renminbi weitgehend an den Dollar gekoppelt ist. Und wenn überhaupt, wertet er gegenüber dem Dollar auf. Für die Rohstoffproduzenten ist ein starker Dollar sogar gut, weil sie Lohn und andere Kosten in schwächerer Heimatwährung bezahlen müssen. Eine Dollarstärke könnte deshalb den Gewinnen der Minenbetreiber und deren Aktien nutzen.