Capgemini-Report 2019 „Vermögende Familien werden vorsichtiger bei der Geldanlage“

Multimillionäre, Ultrareiche und sonstige Vermögende, wie hier auf einer Millionärsmesse, haben 2018 im globalen Durchschnitt zwar leicht verloren, werden aber wohl darüber hinwegkommen. Quelle: dpa

Die Zahl der Millionäre schrumpft wieder, erstmals seit der Finanzkrise. Wie wirkt sich das auf die Arbeit eines Vermögensverwalters aus? Nachgefragt beim Chef des Deutsche Oppenheim Family Offices.

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Der promovierte Betriebswirtschaftler Thomas Rüschen leitet seit September 2014 die Deutsche Oppenheim Family Office AG. Die Unternehmung bezeichnet sich selbst als „eines der größten vermögensverwaltenden Family Offices in Deutschland“ und betreut mehr als 100 Mandanten an den vier Standorten Hamburg, München, Köln und Frankfurt. Das Family Office verwaltet mehr als zehn Milliarden Euro Gesamtvermögen und gehört zur Deutschen Bank.

Herr Rüschen, laut einer aktuellen Untersuchung des Beratungsunternehmens Capgemini hat sich das Vermögen der Reichen gegenüber 2017 weltweit verringert. Auch in Deutschland ist erstmals seit der Finanzkrise 2008 die Zahl der Millionäre rückläufig: im vergangenen Jahr gab es 1,35 Millionen Deutsche, die über ein Anlagevermögen von mindestens einer Million Euro verfügen – ein Rückgang von 1,1 Prozent. Muss man sich Sorgen um Ihren Job machen?
Nein, Sie brauchen sich keine Sorgen machen. Ich gehe im Übrigen davon aus, dass die Zahl gegen Ende vergangenen Jahres erhoben wurde und mittlerweile wieder auf dem Stand von Anfang 2018 gestiegen ist. Der Hauptgrund, warum die Anzahl der Vermögenden gegen Ende 2018 zurückgegangen ist, ist die negative Entwicklung des Dax im vierten Quartal 2018: rund 18 Prozent unter Vorjahresniveau. Aber im ersten Quartal 2019 gab es am Aktienmarkt wieder eine starke Gegenbewegung aufwärts. 

Wie hat sich Ihr Geschäft im vergangenen Jahr entwickelt?
Es hat sich positiv entwickelt, aber auch herausfordernd aufgrund dieser besagten negativen Entwicklung am Aktienmarkt. So ein kurzer Abschwung ist aber schon länger erwartet worden. Wir befinden uns in einem mehrjährigen Aufschwung. In vergangenen Jahren hatten wir über alle Optionen hinweg positive Entwicklungen: Immobilien, Aktien, Anleihen. Man rechnet damit, dass der Konjunkturzyklus bald zu einem Ende kommt, dass man vielleicht sogar in eine Rezession rutscht. Außerdem führen die internationalen Handelskonflikte zu Unsicherheiten, das wiederum führt dazu, dass die Märkte volatiler werden. Vermögende Familien überlegen sich in der Folge stärker, wie sie darauf reagieren. Bedeutet: Sie werden vorsichtiger bei der Anlage ihrer Mittel.

Sind in der Folge auch Sie vorsichtiger geworden?
Ja, wir diskutieren verstärkt mit Familien, ob man möglicherweise etwas Risiko rausnimmt aus dem Portfolio. Ob man beispielsweise bei der Entwicklung am Immobilienmarkt unbedingt mitmachen muss, das Preisniveau ist ja inzwischen sehr hoch. Wir merken schon, dass sich vermögende Familien stärker überlegen, ob sie kaufen. Andererseits sind die Zinsen dauerhaft niedrig. Das heißt, es stellt sich die Frage der Alternative. Mit Anleihen, die heute begeben werden, lässt sich jedenfalls kein Geld mehr verdienen. 

Halten Sie häufiger Rücksprache mit Ihren Mandanten?
Nein. Wir beraten sie so, dass sie ihr Vermögen langfristig anlegen. Mit kurzfristigen Marktbewegungen rechnet man. Sehr, sehr vermögende Familien denken jahrzehnteübergreifend. Wir simulieren auch Marktkorrekturen und berechnen, wie viel Prozent man in welchem Fall verlieren würde. Wir stellen fest: Da bricht keine Panik aus.

Die größten finanziellen Verluste verzeichneten der Studie zufolge die sogenannten Ultrareichen, die über mehr als 30 Millionen Dollar verfügen. Ihr Gesamtvermögen sank um rund sechs Prozent. Ist das Ihre Klientel?
Ja, sogar hauptsächlich. Unsere Kunden bewegen sich größtenteils über 30 Millionen Euro. Die Grenze von einer Million ist für uns also kaum relevant. Ich kann diese Aussage aus der Untersuchung aber so nicht nachvollziehen. Es gab auch vereinzelt Vermögensverwalter, die 2018 positiv gewirtschaftet haben. Das hängt stark davon ab, wo und wie man investiert hat: Der US-Markt etwa war nicht so schlecht wie der europäische. Die Entwicklung am Immobilienmarkt war positiv. Diese pauschale Aussage kann ich so also nicht bestätigen. Es gibt sehr starke regionale Unterschiede, und diese Aussagen sind nicht eins zu eins auf jeden Markt zutreffend. Man muss sich nur mal die Vermögensverteilung anschauen: Deutschland hat vielleicht zehn Prozent aller weltweiten Millionäre. Die USA mehr als dreimal so viele. Und China wird uns da voraussichtlich überholen in den kommenden Jahren. Da gibt es große Unterschiede: Die Aktienaffinität ist in den USA viel höher als in Deutschland. In Asien gibt es viel mehr neueres Vermögen, das erst in den letzten Jahren entstanden ist. Das hat ein anderes Verhalten zur Folge: In Asien wird tendenziell viel aktiver und risikofreudiger angelegt als in Deutschland, wo die Vermögen teilweise über Generationen aufgebaut wurden.

Wie viel Vermögen benötigt man denn, um bei Ihnen einsteigen zu können?
Das kommt drauf an, welche Dienstleistung man in Anspruch nimmt. Wir sagen, eine vollumfängliche Family-Office-Betreuung ist sinnvoll ab 50 Millionen Euro. Wir arbeiten aber auch mit kleineren Vermögen und bieten abgespeckte Versionen an. Unter Family Office verstehen wir zum Einen die privaten finanziellen Belange einer Familie. Wir beraten aber auch strategisch, etwa: Sollte man eine Stiftung gründen, wenn kein Nachfolger in der Familie zu finden ist? Das geht über die reine Vermögensverwaltung hinaus.

Wer sind Ihre Kunden?
Familien machen den Großteil aus, und zwar branchenübergreifend. Es sind Familien, die ihr Vermögen durch unternehmerische Aktivitäten erwirtschaftet haben, sei es über mehrere Generationen hinweg, aber auch in erster Generation. Auch Erben zählen zu unseren Kunden. Es ist der typische deutsche Mittelstand.

Laut einer weltweiten Umfrage unter 2500 Reichen ersetzten diese im ersten Quartal 2019 teilweise Aktien durch Bargeld. Bargeld machte der Umfrage zufolge 28 Prozent des Finanzvermögens aus, Aktien nur noch knapp 26 Prozent. Merken Sie diesen Trend bei Ihrer Arbeit?
Ja, aber nicht in diesem Umfang. Cash ist in unserem Geschäft zwar nicht die wichtigste Klasse, aber gewinnt an Bedeutung. Richtig ist: Die Umwandlung oder Umschichtung zwischen verschiedenen Assetklassen, etwa von Cash in Aktien, ist der wesentliche Renditetreiber. Das ist viel relevanter als die Wahl zwischen der einen oder anderen Aktie. Mit Cash ist übrigens vor allem die Liquidität auf dem Konto gemeint, nicht Bargeld im eigentlichen Sinne. In Asien bekommt man da teilweise noch zufriedenstellende Zinsen, in den USA auch. In Deutschland aber zahlt man ab einem bestimmten Betrag Negativzinsen. Deswegen ist das hier verständlicherweise nicht populär.

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