Clayton Christensen „Größe spielt keine Rolle“

Der Begründer der Disruptions-Theorie kritisiert, dass zu wenige Unternehmen darüber nachdenken, welche Jobs ihre Produkte erledigen sollen.

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Harvard-Professor Clayton Christensen. Quelle: Bloomberg

Sie haben scheinbar alles richtig gemacht: auf den Kunden gehört, die Profite gesteigert. Doch die richtigen Entscheidungen waren die falschen, führt Harvard-Professor Clayton Christensen 1997 in seinem Buch „The Innovator’s Dilemma“ aus. Anhand von Beispielen aus der Computer- und Stahlbranche zeigt er, wie Unternehmen sich auf ihre Kunden konzentriert und deren Wünsche befriedigt – aber das Interesse der Masse und damit Trends verschlafen haben. Und so letztendlich scheiterten. Christensen prägte den Begriff „disruptive innovation“, der beschreibt, wie Erfindungen ganze Geschäftszweige verändern und Produkte und Unternehmen aus dem Markt drängen. Dass er zwar den Aufstieg der PCs vorhersagte, Apples iPhone aber keine Chance einräumte, brachte ihm später viel Kritik und Häme ein. In weiteren Büchern verfeinerte er seine These. Am 4. Oktober erscheint sein neuestes Werk, “Competing against luck: The story of innovation and consumer choice”.


Herr Christensen, jedes Unternehmen will innovativ sein. Nur wenige sind es. Warum?
Clayton Christensen: Das Scheitern ist ein fester Bestandteil im Bestreben, ein innovatives Produkt auf den Markt zu bringen. Ich glaube aber, die Erfolgsaussichten einer Produkteinführung lassen sich genauer prognostizieren, wenn sich das betreffende Unternehmen fragt, welchen Job ein bestimmtes Gut erfüllen soll. Das tun die wenigsten.

Zur Person


Hat nicht jedes Produkt einen Zweck?
Richtig. Wenn Sie Lebensmittel kaufen, dann sollen sie sättigen. Es gibt aber noch viel mehr Aufgaben, die Essen erfüllt. Etwa die soziale Dimension. So will der Kunde beispielsweise, dass das Essen der Rahmen für ein romantisches Date ist. Oder im Gegenteil, er denkt: „Essen soll mir keine Zeit rauben.“ Diesen Job erfüllt McDonald’s.

Ein Schnellrestaurant aufzumachen, ist aber nicht sonderlich innovativ.
Nicht wirklich. Aber kein Markt ist komplett gesättigt. So würden etwa viel mehr Menschen essen gehen, wenn die Reservierung einfacher wäre. Wenn ich nicht irgendwo anrufen muss, im schlechtesten Fall erfolglos, sondern wenn ich sehe, welche vergleichbaren Restaurants noch Plätze freihaben. „Opentable“ – ein einfaches Online-Reservierungsportal – hat hier angesetzt und eine erfolgreiche Innovation geschaffen.

Fahrtenvermittler Uber agiert ähnlich.
Auch Uber erfüllt den Job, den Zugang zu einer Dienstleistung einfacher und günstiger zu machen. Mit der Folge, dass mehr Leute diesen Service nutzen. Bevor Uber startete, wurden in der Region um San Francisco jährlich Taxifahrten im Wert von 140 Millionen US-Dollar vermittelt. Mit dem Markteintritt von Uber schoss diese Summe durch die Decke – auf 1,1 Milliarden Dollar.

Risikobereitschaft lässt mit zunehmender Größe nach

Haben es Startups einfacher, innovativ zu sein, als Großkonzerne?
Für die Fähigkeit, Innovationen zu entwickeln, spielt die Größe eines Unternehmens keine Rolle. Aber die Risikobereitschaft lässt mit zunehmender Größe nach, weil die Unternehmen mehr zu verlieren haben.

Gleichzeitig prasselt eine Vielzahl an Informationen auf die Manager von Großkonzerne nieder: Bilanzen, Quartalszahlen, der Aktienkurs. Da fällt es schwer, den Fokus auf den Kunden und seine Anforderungen an neue Produkte zu halten.


Wie sinnvoll ist es, Innovation – etwa durch Übernahmen von Start-ups – einzukaufen?
Wenn der Rahmen stimmt, ist es sinnvoll. Dazu gehört, dass das Start-up und seine Innovationen in das Mutterunternehmen und zu dessen Produkten passen. Zudem müssen in beiden Häusern die Arbeitsprozesse ähnlich sein. Wie es nicht geht, zeigte die Übernahme von Chrysler durch Daimler.

Was war dabei das Hauptproblem?
Chrysler war so begehrt, nicht weil es so gute Autos herstellte, sondern wegen seiner effizienten Produktion. Sie konnten innerhalb von 24 Monaten neue Autos auf den Markt bringen. Bei Daimler dauerte es fünf bis sechs Jahre. Diese Prozesse anzugleichen, war jedoch nicht so einfach. Als Daimler Chrysler in sein Konzept rein presste, hat es dem US-Konzern seiner Vorteile beraubt.

Wie erkenne ich als Aktionär, ob ein Unternehmen innovativ ist?
Das ist nicht eindeutig zu beantworten, weil es vier verschiedene Arten von Innovationen gibt. Jede von ihnen erfüllt für das Unternehmen einen anderen Zweck. Für den Anleger ist wichtig, ob die Innovation die richtige Antwort auf die jeweilige Marktsituation ist.

Können Sie das näher erklären?
Disruptive Innovationen sind Produkte, die Märkte umkrempeln. So wie das iPhone. Dann gibt es Innovationen, die die Zugangshürden zu bestehenden Produkten verringern.

Internet und Smartphone revolutionieren unsere Wirtschaft. Doch selten sind solche bahnbrechenden Erfindungen nicht. Ein Blick auf die wichtigsten disruptiven Technologien der Vergangenheit und Gegenwart.

Opentable und Uber sind hierfür Beispiele. Es gibt effiziente Innovationen, die dafür sorgen, dass bestehende Produkte oder Dienstleistungen günstiger werden. Nachhaltige Innovationen machen bestehende Produkte qualitativ besser.

Welche Innovationen versprechen das größte Kurspotenzial?
Dafür gibt es keine Erfolgsformel. Der Anleger sollte sich fragen, was er vom Unternehmen erwartet. Disruptive Innovationen schaffen großes Wachstum. Geht es darum, sich auf einem umkämpften Markt zu behaupten, sind nachhaltige Innovationen wichtig. Nachhaltige Innovationen helfen Unternehmen Marktanteile zu gewinnen. Freier Cash Flow wird durch effiziente Innovationen geschaffen.

In welcher Industrie erwarten Sie die meisten Innovationen in der nächsten Zeit?
Eine der spannendsten Branchen bleibt der Automobilbau. Ich denke an die vielen Menschen, die mobil arbeiten und kein eigenes Büro haben. Ein wirklich smartes Auto könnte helfen.

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