Frauen und Finanzen Warum spezielle Geldanlagekonzepte für Frauen meist Unfug sind

Beim Thema Geld werden Frauen oft mit einem Klischee konfrontiert: Frauen seien risikoscheuer. Dabei schaut die Börse nicht auf das Geschlecht. Quelle: Getty Images

Anlageformate für Frauen haben Konjunktur. Beim Investieren nach Geschlechtern zu unterscheiden, ist allerdings selten sinnvoll – und kann für Frauen sogar schädlich sein. Worauf es wirklich ankommt.

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Welche Fragen zum Thema Finanzen und Geldanlage haben Sie? Stellen Sie sie am Donnerstag (28. April) live auf dem Instagram-Kanal der WirtschaftsWoche (@wirtschaftswoche). Redakteurin Julia Groth stellt sie im Gespräch ab 17 Uhr an Frauen-Finanzberaterin und WiWo Coach Annika Peters.

Wenn am 8. Mai Muttertag ist, können viele Frauen zwei Dinge erwarten: Blumen – und Tipps für die Altersvorsorge. Viele Bankberater, Broker und Anlagemagazine nehmen Feiertage, die speziell Frauen gewidmet sind, zum Anlass, auf die tatsächlichen oder vermeintlichen Geldanlagedefizite von Frauen hinzuweisen.

Ein wachsender Industriezweig widmet sich exklusiv Frauen und ihren Finanzen. Es gibt Frauenfinanzberatung, Anlegerinnenmagazine und Geld-Influencerinnen. Tatsächlich haben Frauen mit Blick aufs Investieren Nachholbedarf. So legen bei einem Nettoeinkommen von 3000 bis 4000 Euro pro Monat 39 Prozent der Männer, aber nur 30 Prozent der Frauen Geld an der Börse an, zeigt eine Umfrage des Deutschen Aktieninstituts. Unter den 14- bis 29-Jährigen haben 14 Prozent der Männer Aktien, Aktienfonds oder ETFs im Depot, und nur sechs Prozent der Frauen.

Der Hype um Frauen als Anlegerinnen ist allerdings nicht nur positiv. Zwar sind manche geschlechterspezifische Angebote hilfreich – aber längst nicht alle. Und einige bergen sogar Risiken.

Grundprinzipien gelten für alle Geschlechter

Generell gilt: Die Börse schaut nicht auf das Geschlecht. Grundlegende Anlageprinzipien wie eine breite Streuung des Kapitals gelten für Männer und Frauen gleichermaßen. Lediglich zwei statistische Unterschiede können für die Geldanlage von Frauen relevant sein: Sie haben eine höhere Lebenserwartung. Und sie verdienen oft weniger Geld, weil sie in schlechter bezahlten Berufen tätig sind, länger Elternzeit nehmen als Männer und häufiger in Teilzeit arbeiten. Frauen leben also statistisch gesehen länger, bekommen aber eine niedrigere Altersrente.

Um die Rentenlücke zu schließen, müssten Frauen eigentlich besonders engagiert privat vorsorgen. Um das zu verdeutlichen, schreckt die Honorarberaterin Stefanie Kühn vor leicht morbiden Anmerkungen nicht zurück: „Wenn ein Paar vor mir sitzt und Mann und Frau gleichaltrig sind, weise ich gern darauf hin, dass die Frau statistisch gesehen irgendwann allein dastehen wird“, sagt sie.

Weil Frauen oft älter werden, aber niedrigere Rentenansprüche erwirtschaften als Männer, müssen sie theoretisch besonders chancenreich anlegen, eine hohe Aktienquote haben. Bloß: „Geringere Arbeitszeiten lassen sich mit Geldanlage kaum ausgleichen“, sagt Kühn. Der wichtigste Schutz vor Altersarmut ist immer noch eine gute gesetzliche Rente – und die gibt es nur, wenn man sich nicht für längere Zeit aus dem Berufsleben verabschiedet oder dauerhaft in Teilzeit arbeitet.

Die Folgen, die sich für Anlegerinnen rein aus ihrem Geschlecht ergeben, sind also überschaubar: Hauptsache anlegen – und nicht zu risikoarm investieren, um keine Renditechancen zu verschenken. Gerade bei Letzterem werden Anlegerinnen allerdings oft Steine in den Weg gelegt.

Warum Berater ein Problem sein können

Das Klischee besagt, dass Frauen risikoscheuer sind als Männer, dass sie in defensivere und damit weniger renditeträchtige Wertpapiere investieren. Kühn kann das aus ihrer Beratungspraxis nicht bestätigen. „Viele junge Frauen wissen gut über Anlagethemen Bescheid und scheuen nicht davor zurück, in Aktien zu investieren“, sagt sie. „Und wenn Krise ist, rufen hier nicht mehr Frauen als Männer an.“ Viele Berater, vor allem männliche, scheinen aber dem Klischee Glauben zu schenken und sich in Anlagegesprächen – womöglich unbewusst – daran zu orientieren.

Frauen bekommen Studien zufolge in Beratungsgesprächen oft Anlageprodukte angeboten, die besonders risikoarm sind – und besonders teuer. Vor diesem Effekt schützt auch Beratung durch Frauen nur bedingt: Manche spezialisierten Frauenfinanzberatungen bieten Kundinnen zwar keine renditeschwachen Anleihen an, dafür aber hochpreisige hauseigene Fonds.

Frauenfinanzberatung kann trotzdem sinnvoll sein, sagt Honorarberaterin Kühn, die selbst nicht nach Geschlechtern differenziert und schätzt, dass ihre Kundschaft jeweils hälftig aus Männern und Frauen besteht. „Es gibt Frauen, die haben schlechte Erfahrungen mit männlichen Beratern gemacht, fühlten sich etwa von oben herab behandelt. Diese Frauen werden lieber von einer Frau beraten“, sagt sie.

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Ein wachsendes Problem sind Ratgeberformate zu Finanzfragen, die sich an Frauen richten und nicht von zertifizierten Anlageberaterinnen bespielt werden, sondern von tatsächlichen oder selbsternannten Influencerinnen. Da kann es vorkommen, dass riskante Anlagestrategien mit Einzelaktien empfohlen werden oder für digitale „Coachings“ vierstellige Beträge aufgerufen werden. Solche Angebote gibt es seit einiger Zeit immer häufiger. Anlegerinnen sollten deshalb misstrauisch sein – und nicht vergessen: Anders als bei Hautcremes oder Hormonpräparaten funktioniert, was bei der Geldanlage für Männer gut ist, in der Regel auch für Frauen.

Welche Fragen zum Thema Finanzen und Geldanlage haben Sie? Stellen Sie sie am Donnerstag (28. April) live auf dem Instagram-Kanal der WirtschaftsWoche (@wirtschaftswoche). Redakteurin Julia Groth stellt sie im Gespräch ab 17 Uhr an Frauen-Finanzberaterin und WiWo Coach Annika Peters.

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