Geldanlage global
Die Wirtschaftswelt nach Corona wird unter anderem stärker auf regionale Produktion setzen. Quelle: imago images

Die wichtigsten Aktientrends nach Corona

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Maximilian Kunkel Chief Investment Officer, UBS Wealth Management Germany & Global Family Office Zur Kolumnen-Übersicht: Geldanlage global

Mit der Beschleunigung der Impfkampagnen und der Aussicht auf ein baldiges Ende der Lockdowns bin ich in letzter Zeit häufiger gefragt worden, auf was sich Anleger in der Welt nach Corona einstellen müssen. Ich glaube, dass unsere Post-Covid-Welt verschuldeter, digitaler, regionaler und nachhaltiger sein wird.

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Die Verschuldungsquoten vieler Industrieländer werden Ende 2021 mehr als 20 Prozentpunkte höher sein als Ende 2019. Natürlich wird es regionale Unterschiede geben, wie hiermit umgegangen wird. Mittelfristig werden zur Schuldenfinanzierung jedoch höhere Steuern, und vor allem anhaltend niedrige Zinsen kombiniert mit moderat höheren Inflationsraten nötig sein.

Für Anleger hat dies nicht zu unterschätzende Auswirkungen: Es wird die geringe Widerstandskraft vieler – bisher als sicher verstandener – Anlagen offenbaren. Konto- und Sparguthaben werden langsam, aber stetig, an Kaufkraft verlieren. Fortwährend zinsarme Staatsanleihen höchster Bonität könnten allenfalls noch als Versicherung für den Fall eines wirtschaftlichen Einbruchs oder anderer Extremrisiken angesehen werden. Meine Einschätzung deshalb: Wer sein Vermögen langfristig sichern oder sogar mehren und sich nicht schutzlos dem Inflationsvirus aussetzen will, wird um einen größeren Fokus auf reale Vermögenswerte wie Aktien nicht herumkommen.

Der wohl offensichtlichste, durch die Pandemie beschleunigte Trend ist die Digitalisierung sowie ihre Auswirkung auf die Art wie wir arbeiten, konsumieren und leben. Um umfassend von dieser voranschreitenden Tendenz zu profitieren, sollten sich Anleger meiner Meinung nach nicht nur auf großkapitalisierte Technologieunternehmen konzentrieren. Vielmehr sollten sie Unternehmen im Blick behalten, die Technologien zur Veränderung bisher weniger digitalisierter Branchen nutzen.

Dazu zählen etwa das Gesundheitswesen, in dem digitale Geschäftsmodelle wie die Telemedizin erst einen Bruchteil der Umsätze ausmachen. Ähnliches gilt für die Finanzbranche, in der Fintech-Unternehmen in einer ersten Phase vor allem im Bereich der Zahlungsvermittlung und -abwicklung Fuß gefasst haben, über die Zeit jedoch in weiteres Terrain vorstoßen werden. Interessant sind auch grüne Technologien, denn nahezu alle großen Industrieländer haben sich mittlerweile auf eine deutliche Reduktion der CO2-Emissionen bis 2030 sowie ein Netto-Null-Ziel per Mitte Jahrhundert verpflichtet. Die ambitiösen Klimaziele werden nur mittels gewaltiger staatlicher wie auch privater Investitionen in erneuerbare Energieträger sowie eines breiten Spektrums weiterer grüner Technologien erreichbar sein.

Die Welt wird weniger global. Politische Aspekte in einer zunehmend multipolaren Welt, Sicherheitsbedenken angesichts der Pandemie, stärker auf Nachhaltigkeit und lokalere Produktion setzende Konsumentenpräferenzen und neue Technologien, die eine Lokalisierung der Produktion ermöglichen, tragen allesamt dazu bei, dass die Welt – wirtschaftlich betrachtet – regionaler sein wird. Eine weniger globale Welt bedeutet für Anleger im Umkehrschluss, dass sie ihre Portfolios globaler gestalten müssen, um Zugang zu den jeweiligen regionalen Wachstumschancen zu erlangen. Viele Investoren, mit denen ich spreche, hinterfragen in diesem Kontext vor allem ihre längerfristige Allokation zu Asien und insbesondere China. In den meisten Portfolios ist diese weiterhin marginal, gemessen an der wirtschaftlichen Relevanz der Region, ihren Wachstumschancen und den möglichen Diversifikationsvorteilen dortiger Anlagen.

Zu guter Letzt wird das Thema Nachhaltigkeit meiner Einschätzung nach viel mehr als nur ein kurzfristiger Trend sein. Rückblickend auf die vergangenen 30 Jahre kann jedes Jahrzehnt aus der Perspektive eines Anlegers im Großen und Ganzen durch ein vorherrschendes Akronym definiert werden. „TMT“ dominierte die 1990er Jahre, „BRICS“ reflektierte die wachsende Bedeutung der Schwellenmärkte in den 2000er Jahren und „FAANG“ war das Schlagwort für neue Technologien und die damit verbundene Disruption im letzten Zyklus. Mit Blick auf die Zukunft glaube ich, dass „ESG“ (Environment-, Social- und Governance-Faktoren) mit hoher Wahrscheinlichkeit ein führendes Akronym für die 2020er-Jahre sein wird. Gesellschaftliche Trends werden Veränderungen im Verhalten von Verbrauchern, Unternehmen und Investoren stärker vorantreiben. Dazu kommen noch „prozyklische“ Regulierungs- und Regierungsmaßnahmen, die Umwelt- und Sozialthemen weiter in den Vordergrund rücken.

Die Pandemie hat diese Entwicklungen beschleunigt. Entsprechend sollten Anleger das Augenmerk auf Unternehmen richten, die auf diese Veränderungen vorbereitet sind oder sie gar vorantreiben.

Mehr zum Thema: Streng nachhaltig und erfolgreich investieren ist kein Gegensatz – zumindest für grüne Pioniere nicht. So investieren diese Öko-Fondsmanager.

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