




Manche Anlagestrategen kaufen unterbewertete Aktien und warten, bis der Markt deren Potenzial erkennt. Andere kaufen genau die Aktien, in die auch Warren Buffett investiert. Und wieder andere setzen auf jene Unternehmen, deren Produkte ihnen gefallen. Die Palette der Börsenratschläge reicht von hilflosen bis hilfreichen Tipps. Was dabei jedoch permanent untergeht, ist die andere Seite der Medaille: der Verkauf.
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Unzufrieden mit vagen Handlungsanweisungen aus Lehrbüchern begann Hartmut Jaensch schon im BWL-Studium in München Algorithmen zu testen, um Börsenzyklen zu entschlüsseln. Auch während seiner Tätigkeit als Manager und Berater für US-Konzerne wie Google, Xerox, Avaya und Dresser forschte er weiter. Unter anderem verantwortete er die Entwicklung und Einführung von Prognose-, Finanz- und Risk-Management-Systemen. Heute leitet er als geschäftsführender Gesellschafter Prediqma, ein Unternehmen, das Anlegern mit einer selbst entwickelten Software Informationen für ihre Börsenstrategie zur Verfügung stellt.
Denn wenn Sie fortwährend kaufen und Aktien sammeln wie Briefmarken, kann das Ergebnis zwar eine Zeit lang hervorragend aussehen. Doch schlussendlich verlieren Sie den Überblick über die Artefakte in Ihrem Sammelalbum. Gerade Anlagestrategen, die auf Fundamentalanalysen setzen, empfehlen oft die immer gleichen Käufe (zur Abwechslung mal wieder Coca-Cola oder Nestlé) und bleiben Ihnen Zeit Ihres Lebens die Angabe schuldig, wann Sie am besten verkaufen.
Kein Wunder. Der Blick auf betriebswirtschaftliche Kennzahlen reicht nämlich nicht, um den richtigen Zeitpunkt für den Verkauf zu bestimmen. Vielleicht tun sich viele Anleger deshalb mit dem Ausstieg schwer – insbesondere wenn die Kurse scheinbar unaufhaltsam neue Rekorde erreichen. Zu groß ist dann die Sorge, einen weiteren Kursanstieg zu verpassen.
Wann ist also ein guter Zeitpunkt erreicht, seine Aktien zu verkaufen?
Auf diese Frage pflegte der Großinvestor und Milliardär Warren Buffett zu antworten: „Nie.“ Ein „nie“, das viele Laien-Anleger gerne als Argument für eine Daueranlage aufgreifen. Doch ich kann Ihnen versichern: Auch der zweitreichste Mann der Welt kommt nicht umhin, sich immer mal wieder von Aktien zu trennen. Schon um Geld freizumachen für eine noch aussichtsreichere Aktie.





Eine ganze Reihe von Indikatoren steht zur Verfügung, um den passenden Ausstiegszeitpunkt zu bestimmen. Branchenanalysen könnten theoretisch hilfreich sein. Sie fassen die Lage in einer Branche zusammen, im Idealfall mit viel Marktkenntnis geschrieben. Doch viele Anleger halten von den Analystenberichten wenig. Der ehemalige Chef von Salomon Brothers, John H. Gutfreund, hat diesbezüglich sogar einmal eingeräumt, dass Finanzanalysen eine Art teure Werbung seien. Fakt ist: Branchenanalysen lassen den nötigen Gesamtüberblick über die Börsen vermissen, obwohl gerade der wichtig ist. Trübt sich die Börsenstimmung ein, erfasst diese Entwicklung die meisten Aktien. Wer das vernachlässigt, wird dafür teuer bezahlen. Deshalb können Branchenanalysen bei der Entscheidung für oder gegen den Verkauf einer Aktie kaum helfen.
Auch die Geschäftsdaten eines Unternehmens helfen nur begrenzt. Erinnern Sie sich nur an die T-Aktie. Deren Kurs hatte sich nach dem Börsengang innerhalb von nur drei Jahren, bis Ende 1999, von 17 auf 71 Euro vervierfacht, obgleich der Gewinn der Telekom in derselben Zeit nur um 45 Prozent und der Umsatz um rund 5 Prozent zulegten. Diese Entwicklung hätte Anleger vielleicht noch misstrauisch machen können. Zu Recht: Es folgte der harte Fall der Aktie. Doch danach halfen die Unternehmenszahlen weniger. Umsatz und Gewinn lagen Ende 2016 doppelt so hoch wie 1999. Trotzdem notierte die T-Aktie bei lediglich 16 Euro.
Um dieses Problem zu umgehen, werden Geschäftsdaten und Aktienkurs ins Verhältnis gesetzt. Der Fantasie sind dabei kaum Grenzen gesetzt: Kurs-Gewinn-Verhältnis, Kurs-Cash-Flow-Verhältnis, ... Die Bandbreite ist groß.
Am sichersten fahren Sie, wenn Sie das Kurs-Umsatz-Verhältnis eines Unternehmens betrachten. Denn Jahresabschlüsse werden international unterschiedlich berechnet und Gewinnzahlen können geschönt werden. Der Umsatz hingegen bietet Ihnen einen soliden Anhalt darüber, ob die Aktie eines Unternehmens im Vergleich zum Wettbewerber teuer oder günstig ist.
Je niedriger der Wert des Kurs-Umsatz-Verhältnisses, desto besser. Liegt es zum Beispiel weit über dem Branchendurchschnitt, ist Vorsicht geboten. Hier kann ein Verkauf sinnvoll sein.