Hund gegen KI Renditegott auf vier Pfoten: Mit diesen Aktien schlägt Freddy den Markt

Hund gegen Maschine: KI kann einpacken – mit seinem Portfolio hat Freddy ChatGPT geschlagen, und den Markt sowieso. Quelle: Patrick Schuch

Seit einem halben Jahr wetteifert ein Hund mit ChatGPT um das beste Aktiendepot. Mit Erfolg: Wer seinen Anlagetipps gefolgt ist, kommt auf eine höhere Rendite als mit dem MSCI World.

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Die Straßen Istanbuls sind offenbar eine gute Kaderschmiede für Fondsmanager. Nach verlotterten Jahren zwischen Essensresten und Touristenströmen liegt Freddy heute, fünf Jahre später, mit weißem, leicht verstrubbeltem Haar auf dem Sofa in einem Duisburger Vorort und blickt nachdenklich aus dem Fenster.

Womöglich sinniert er gerade darüber, mit welchen Aktientrades er die Top-Performance in seinem Depot auch im kommenden Jahr fortsetzen könnte. Oder aber er träumt davon, endlich mal wieder in ein paar saftige Ochsenohren zu beißen. Wäre er ein Mensch, könnte man solche kulinarischen Wünsche als mindestens besonders bezeichnen. Freddy aber ist kein Mensch, sondern: ein Hund.

Die Grundkommandos sitzen, stubenrein ist er auch – da ist es zum Fondsmanager nicht mehr weit. Vor etwa einem halben Jahr hat die WirtschaftsWoche einen Tierversuch gestartet, mit dem wohl auch die erbittertsten Tierrechtsaktivisten leben können. Wir haben den Maltesermischling Freddy ein Aktiendepot zusammenstellen lassen und ihn auf Renditejagd mit dem großen Hoffnungsträger des 21. Jahrhunderts geschickt: künstliche Intelligenz. Der Sprachbot ChatGPT kann nämlich nicht nur Schülern die Hausaufgaben abnehmen oder Kochrezepte erstellen, sondern soll auch ein Orakel für die Börse sein.

Unser Autor wollte wissen, wer die besseren Aktien empfiehlt: ChatGPT oder sein Hund Freddy? Nach einem sechswöchigen Versuch ist der Sieger eindeutig – mit 13,5 Prozent Rendite.
von Philipp Frohn

Zum Start im Mai haben beide ein fiktives Depot in Höhe von rund 19.000 Euro bekommen. Nun ist Hund Freddy nicht gerade als schmallippiger Zeitgenosse bekannt, doch aus zeitweiligem Herumgekläffe lassen sich seine sicherlich tiefgreifenden Botschaften nur schwer interpretieren. Seine Aktientipps ließen sich nur mit einer saftigen Managementgebühr in Form von Leckerlis entlocken.

Diese lagen auf zunächst 15 Papierschnipsel, auf denen je eine Branche vermerkt war. Freddy meidet weite Wege und wählte natürlich genau die Branchen aus, die ihm quasi zu Pfoten lagen: Finanzen, Energie und ironischerweise auch jene Branche, mit der er gerade im Börsen-Wettkampf konkurriert: KI. Bei der Aktienauswahl geht es von vorne los, nur mit noch mehr Schnipseln und Futterstücken. Der Hund suhlte sich in börsianischer Völlerei.

„Hat er fein gemacht“

Kurs-Gewinn-Verhältnis? Fundamentaldaten? Oder Charttechnik? Von all diesen Bewertungskriterien hält Freddy wenig und stellt ein wildes Aktiendepot mit Klassikern, Hoffnungsträgern und ja, auch manchen Sanierungsfällen zusammen. Unter anderem setzt er auf die Holdingsgesellschaft Berkshire Hathaway, den gefeierten Chiphersteller Nvidia und den Gaskonzern Uniper, der nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine kurz vor der Insolvenz stand. Ein Mix, der dennoch selbst Branchenkenner überzeugte: „Hat er fein gemacht. Freddy hat, ohne es zu wissen, eine Valuestrategie mit dem Momentumansatz verknüpft“, sagte Fondsexperte Ali Masarwah von der Fondsplattform Envestor.

Bei der KI ging es weniger spannend zu. Heiße Tenbagger empfiehlt ChatGPT nicht, sondern spuckt eine Art Weltaktienindex in sehr abgespeckter Form aus. Auf der Favoritenliste der KI stehen vor allem Techdickschiffe wie Alphabet, Amazon und Meta – aber eben nicht der Newcomer des Jahres: Nvidia. Schon nach sechs Wochen hat sich Freddy deutlich von der KI abgesetzt: In der Zeit machte sein Depot 13,5 Prozent Plus. Damit deklassierte er die KI, die gerade mal auf 3,5 Prozent kam. Es überrascht nicht, dass der Renditegott auf vier Pfoten schnell das Interesse der Öffentlichkeit auf sich zog.



Die britische „Times“ berichtete über Freddys geschickte Aktienauswahl, und selbst ein indischer Fernsehsender griff seinen Wettkampf gegen ChatGPT auf. Bei der medialen Aufmerksamkeit konnte Freddy darüber hinwegsehen, von einem Moderator als 80-jähriger Malteser bezeichnet zu werden, vor allem weil die Kommentare von Zuschauern ziemlich schmeichelhaft ausfielen, zumindest für ihn: „Hunde sind intelligenter als ihre Herrchen“, schreibt einer bei Youtube. Aus Gründen der Befangenheit lässt sich die Aussage an dieser Stelle nicht diskutieren.

Der Hund macht 13 Prozent Rendite

Und ein halbes Jahr später? Konnte Freddy die Performance halten. Sein Depot steht nun, Mitte Dezember (in seinem verdienten Weihnachtsurlaub schaut ein Hund nicht auf die Wertentwicklung), noch immer 13 Prozent im Plus. Wer seinen Aktientipps gefolgt ist, konnte mehr abstauben als mit einem ETF auf den MSCI World (plus zehn Prozent). Ein genauerer Blick in sein Portfolio zeigt allerdings, dass die Schere zwischen Gewinnern und Verlierers weit auseinanderklafft.



Mit Nvidia und Tesla haben zwei seiner KI-Profiteure mehr als 50 Prozent an Wert zugelegt. Sein ausgeprägter Geruchssinn kommt dem Hund also auch hier zugute. Woanders hat Freddy aber ordentlich daneben gegriffen. Mit der abflachenden Dramatik am Energiemarkt ist auch das große Momentum von Energieaktien vorbei. Besonders hart trifft es die Aktie von Plug Power, einem Hersteller von Brennstoffzellen. Das Papier crashte allein am 9. November um stolze 40 Prozent, nachdem das US-Unternehmen miserable Quartalszahlen vorgestellt hatte. Der Nettoverlust lag mit 283 Millionen Dollar 66 Prozent über dem Minus aus dem Vorjahr. Damit fiel der Verlust 50 Prozent höher aus als Analysten erwartet hatten. Auch Freddy musste feststellen, dass heiße Wasserstoffaktien große Risiken bergen.

Solche Ausreißer muss das KI-Depot nicht vermelden, zwischenzeitlich lag es sogar über dem des Hundes. Verluste muss ChatGPT vor allem bei Konsumgüteraktien wie PepsiCo und Coca-Cola einstecken. Die Papiere leiden darunter, dass Verbraucher wegen der inflationsbedingt höheren Lebenshaltungskosten ihr Kaufverhalten anpassten.

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Dafür profitiert auch ChatGPT vom KI-Boom, und zwar gleich bei mehreren Unternehmen. Mit einem Plus von 31 Prozent ist Microsoft der Top-Wert im Depot. Neben guten Quartalszahlen überzeugte der Softwarekonzern Aktionäre zuletzt mit der Ankündigung, bald selbst stärker ins KI-Geschäft einzusteigen und beispielsweise einen speziellen KI-Chip zu produzieren. Das wäre ein Angriff auf Nvidia. Wegen des KI-Booms konnte das ChatGPT-Depot deutlich aufholen: Inzwischen liegt es seit Start gut neun Prozent im Plus. Sollte die KI noch vier Prozentpunkte zulegen, hat sie den Hund eingeholt. Aber so leicht wird Freddy, nun wo er in die erste Liga des Fondsmanagements aufgestiegen und international bekannt geworden ist, ChatGPT sicher nicht das Geld überlassen

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