Intelligent investieren

Die Robo-Investoren kommen - Gefahr und Gewinn für alle Anleger

Thorsten Polleit
Thorsten Polleit Chefvolkswirt der Degussa

Die vollautomatisierte Geldanlage mit Robo-Advisor und Robo-Investor hat unbestreitbare Vorteile, aber auch konzeptionelle Nachteile. Das birgt Risiken - und Chancen für Anleger, die daraus die richtigen Schlüsse ziehen.

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Die Robo-Advisors und Robo-Investors kommen. Ein Gewinn für alle? Quelle: Fotolia

Die einen bejubeln es als zukunftsweisende Innovation. Die anderen sind unschlüssig, was sie davon halten sollen. Und wieder andere meinen, die Finanzbranche jage schon wieder eine neue Sau durchs Dorf. Es geht um den „Robo-Advisor“ beziehungsweise den „Robo-Investor“. Der Robo-Advisor bietet seinen Kunden eine Internet-basierte, vollautomatisierte Form der Geldanlage an. Auf seiner Website kann der Kunde Risikoneigung, Anlagehorizont, Diversifikationsgrad, Zielrendite und alles andere, was als wichtig erachtet wird, eingeben, und der Robo-Advisor spukt ihm eine konkrete Anlageempfehlung aus: beispielsweise eine Zusammenstellung von Aktien und Anleihen, häufig in Form von Exchange Traded Funds (ETFs) und Indexzertifikaten, gestreut auf verschiedene Märkte.

Zur Person

Der Robo-Advisor, in der Regel ein Ausleger einer Bank oder eines professionellen Vermögensverwalters, bietet neben Vertragsabschluss auch die Depoteröffnung an und stellt eine digitale Berichterstattung über die Anlageentwicklung bereit. Das Anlageportfolio des Kunden wird auf Wunsch auch automatisch–dynamisch verwaltet – der Robo-Advisor wird dadurch zum Robo-Investor. Steigt zum Beispiel aufgrund von Kursbewegungen der Aktienanteil am Portfolio zu stark an, wird die gewünschte Relation durch automatische Verkäufe wieder hergestellt.

Der anspruchsvolle Robo-Advisor bietet anspruchsvollen Kunden auf Wunsch zudem aktive Portfolioeingriffe durch hauseigene Experten (aus Fleisch und Blut) an. Zudem gibt es Zugang zu besonderen Anlageformen (wie zum Beispiel Private Equity).

Das klingt alles recht vorteilhaft für den Anleger. Zumal die vollautomatisierte Geldanlage, auf individuelle Wünsche zugeschnitten, auch noch kostengünstig angeboten wird. Nicht nur die laufenden Verwaltungsgebühren sind im Vergleich zu anderen Finanzanbietern attraktiv. Auch die für den Anleger nicht zu unterschätzenden Such- und Arbeitskosten, die bei einem nicht automatisierten Portfoliomanagement anfallen, lassen sich so senken. Doch Robo-Advisor hin oder her: Der Anleger sollte genau hinsehen. Wer zum Beispiel seinen Robo-Advisor beauftragt, in Fonds zu investieren, der muss beachten, dass er Fondsgebühren bezahlen muss. Und wenn die Zielfonds, in die investiert wird, eine hohe Umschlaghäufigkeit aufweisen, kann es teurer als gedacht werden, und das Anlageergebnis leidet.

Von zentraler Wichtigkeit für den Anleger ist es jedoch zu verstehen, nach welchen Kriterien der Robo-Advisor das maßgeschneiderte Portfolio zusammenstellt. Und hier zeigt sich meist: Der Robo-Advisor speist seine Anlagephilosophie auf der modernen Finanzmarkttheorie – der modernen Portfoliotheorie. Letztere stammt aus den 1950er und 1960er Jahren und gilt in Wissenschaft und Praxis nach wie vor als das „Non plus ultra“.

Jedoch zeigt sich bei kritischem Nachdenken, dass die moderne Finanzmarkttheorie und die aus ihr abgeleiteten Anlageempfehlungen eine Reihe von Schwachstellen aufweisen. Beispielsweise bei der wichtigen Frage der Risikodefinition. Anhänger der Portfoliotheorie setzen das Risiko mit Börsenkursschwankung (Volatilität) gleich: Eine hohe (niedrige) Volatilität wird mit einem hohen (geringen) Risiko der Anlage gleichgesetzt. Und das wiederum hat unmittelbare Folgen für die Portfoliozusammensetzung, die der Robo-Advisor empfiehlt.

Doch für den Langfristanleger ist das Auf und Ab der Börsenkurse kein Risiko. Sein Risiko besteht darin, einen dauerhaften Kapitalverlust zu erleiden – und dieses Risiko hat nicht notwendigerweise etwas mit Volatilität zu tun. Um sein echtes Risiko zu senken, muss der Anleger vielmehr darauf achten, dass der „Sicherheitsabstand“ zwischen dem Preis, den er für zum Beispiel eine Aktie an der Börse zahlt, und dem Wert der Aktie (also dem Barwert der künftigen Gewinne, die ein Unternehmen erzielt) ausreichend groß ist. So aber gehen die moderne Finanzmarkttheorie und der Robo-Advisor nicht vor. Für den Anleger bedeutet das nicht nur, dass sein Risiko höher ausfällt als ihm lieb sein mag, sondern auch, dass er attraktive Einstiegskurse verpassen kann – und das geht zu Lasten seiner Gesamtperformance.

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