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Schweiz: Vollgeldinitiative will Geldsystem revolutionieren Quelle: imago images

Vollgeldrevolution in der Schweiz

Thorsten Polleit
Thorsten Polleit Chefvolkswirt der Degussa

Geldschöpfung findet primär durch Kreditvergabe der Banken statt. Die Schweizer Vollgeldinitiative will dies nur der Nationalbank gestatten. Aber wird Geld dadurch besser? Aus vielerlei Gründen wird das nicht klappen.

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Jeder Investor kennt die Entscheidung: Das Anlagekapital wird investiert, wenn es attraktive Gelegenheiten gibt. Gibt es keine, wartet man ab, sucht weiter und hält bis auf weiteres liquide Mittel, also Cash. Eine beliebte Währung für die Kassenhaltung ist der Schweizer Franken. Denn das eidgenössische Geld sticht aus dem Kreis der ungedeckten Papierwährungen hervor: Der Franken ist relativ wertstabil, und seit den frühen 1970er Jahren wertet sein realer, effektiver Wechselkurs im Trendverlauf auf gegenüber den anderen ungedeckten Papierwährungen auf. Der Franken ist daher bis auf den heutigen Tag für viele Anleger und Investoren eine relativ attraktive Währung.   

Am 10. Juni 2018 werden die Schweizer nun aber eine ganz wichtige Entscheidung über ihr Geld treffen. Sie stimmen über die Vollgeld-Initiative“ ab. Letztere stellt in Aussicht, das Schweizer Geldsystem zu revolutionieren, es gerechter, besser, sicherer zu machen.

Eine zentrale Idee ist dabei, dass fortan nur noch die Schweizer Nationalbank (SNB) die Franken-Geldmenge produziert. Private Geschäftsbanken sollen von der Geldschöpfung ausgeschlossen werden. Dadurch fallen die Gewinne der Geldproduktion nur noch bei der SNB an und kommen vollumfänglich dem öffentlichen Haushalt zugute. Banken arbeiten nur noch als Verwahrstellen für Vollgeld und als Kreditvermittler, die das von der SNB produzierte Geld vom Sparer an den Kreditnehmer weiterleiten.

Zudem sieht die Vollgeld-Initiative vor, dass die täglich fälligen Kundeneinlagen zu 100 Prozent mit dem Vollgeld zu decken sind. Dadurch sollen Banken krisensicher gemacht werden. Die Kundeneinlagen stehen nicht mehr „im Feuer“, können im Fall eines Bankkonkurses nicht mehr verloren geben. Mit einer solchen 100-prozentigen Vollgeld-Reservehaltung würden die gefürchteten Bankenstürme (die sogenannten „Bank Runs“) gebannt, die ein Bankensystem, in dem die Geldhäuser mit einer „Teilreserve“ operieren, immer wieder ins Wanken bringen – und die dann eine Situation heraufbeschwören, in der die Steuerzahler in Haftung genommen werden für die Risiken im Bankgeschäft.

Die entscheidende Frage ist nun: Kann das Vollgeldsystem seine angestrebten Ziele tatsächlich erreichen, kann es für besseres Geld, ein sicheres Bankensystem sorgen, und hat es verträgliche Nebenwirkungen?

Ernste Bedenken sind hier anzumelden. Das deutet sich bereits an, wenn man die ideologische Herkunft der Vollgeldidee in Betracht zieht. Sie reicht zurück auf sozialistische Denker wie Pierre-Joseph Proudhon (1809 – 1865), Karl Marx (1818 - 1883) und Friedrich Engels (1820 – 1895) sowie den nationalsozialistischen Agitator Gottfried Feder (1883 – 1941). Ihnen zufolge soll allein die staatliche Zentralbank das Geld produzieren, und zwar am besten mittels zinsloser Kredite oder in Form von Geld-Geschenken an den Staat. Diese Vorschläge macht sich die Vollgeldidee zu Eigen.

Man kann sich leicht vorstellen, welch ein politisches Hauen und Stechen es im Vollgeldsystem darüber geben wird, wer wann wieviel neues Vollgeld erhalten soll! Eine derartige „Totalmonopolisierung der Geldproduktion, wie sie die Vollgeld-Initiative vorsieht, hätte also absehbar ein gewaltiges Missbrauchspotenzial – das dem heutigen ungedeckten Papiergeldsystem sicherlich in nichts nachsteht.

Es wäre vermutlich naiv zu glauben, man könnte eine politisch unabhängige Institution schaffen, die gerade nur so viel neues Geld in Umlauf bringt, wie die Volkswirtschaft braucht. Denn woher soll die Vollgeld ausgebende Zentralbank wissen, wieviel Geld die Volkswirtschaft benötigt wird? Soll die Geldmenge um zwei, vier oder acht Prozent pro Jahr wachsen, damit die Volkswirtschaft prosperiert? Die Zentralbankräte wissen es nicht, sie können es nicht wissen.

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