Rohstoffexperte "Gold bleibt erste Wahl"

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"Iran im Blickfeld"

Ölpumpen auf einem Ölfeld bei Ponca City, Oklahoma, USA Quelle: dpa

Wie verlässlich sind die Rohstoffstatistiken überhaupt, mit denen ihre Zunft arbeitet?

Merath: Die Statistiken sind mitunter unvollständig. Bei Öl und Industriemetallen funktionieren sie aber eigentlich ganz gut. Im Prinzip sind alle großen Lager an den Börsen registriert.

Auch in China?

Merath: Bei der Shanghai Future Exchange sind wir auch ein bisschen skeptisch. Da schauen wir uns zusätzlich an, was etwa die chinesischen Einkäufer zahlen, im Vergleich zum Weltmarkt. Das ist auch ein guter Indikator für die Versorgungslage. Bei Agrarrohstoffen hält sich die Zuverlässigkeit der Statistiken aber in Grenzen.

Woran liegt das?

Merath: Die Preise für Grundnahrungsmittel sind politisch eine sensible Angelegenheit. Wichtige Exportländer sind ja nicht unbedingt an einem starken Preiseinbruch interessiert, während Importeure keinen steilen Preisanstieg mögen.

Diskutiert wird viel über steigende Lebensmittelpreise, dabei sind auch die gefallen...

...und sie werden vermutlich weiter unter Druck stehen, was übrigens gut für die Weltwirtschaft wäre, weil der Inflationsdruck nachließe. Anfang des Jahres ging man von schlechten Ernten aus. Mit Blick auf eher tiefe Lagerbestände sorgte das für einen steilen Preisanstieg. Das stellte sich, nachdem abzusehen war, dass die Ernte auf der Nordhalbkugel doch nicht so schlecht ausfallen wird, aber immer mehr als Übertreibung heraus. Diese preisliche Übertreibung ist noch nicht bereinigt. Die Agrarpreise waren schon immer extrem schwankungsanfällig. Das wird auch so bleiben. Weil die Lager trotz besserer Ernten immer noch wenig gefüllt sind, werden Sorgen vor Ernteausfällen immer wieder zu starken Preisausschlägen führen, gerade bei unverzichtbaren Grundnahrungsmitteln.

Warum hat sich der Ölpreis im Vergleich zu anderen Industrierohstoffen so stabil gehalten?

Merath: Die weltweite Nachfrage wächst schneller als das Angebot. Seit Monaten fallen die Lagerbestände. Das stützt den Preis. Auch rückten geopolitische Risiken wieder in den Vordergrund und sorgen für einen Risikoaufschlag. Jetzt steht der Iran im Blickfeld. Der Ölpreis wird sich oben halten und bietet in gewisser Weise einen Stabilitätsanker für Rohstoffanleger.

Könnte sich der Ölpreis als Konjunkturkiller erweisen, wenn die Situation im Iran eskaliert?

Merath: Aktuell rechtfertigt die Wirtschaftslage den Ölpreis. Die Frage ist, wie teuer muss Öl werden, um schädlich für die Weltwirtschaft zu sein. Einen noch wichtigeren Effekt als die Geopolitik hat in meinen Augen aber die Geldpolitik auf den Ölpreis. Ein steigender Ölpreis treibt die Inflation. Normalerweise würden dann die Zinsen steigen, um die Wirtschaft abzukühlen. Aber Zinssteigerungen sind ja nicht möglich, weil sie die Schuldensituation noch verschärften. Die Notenbanken in den USA, in Europa und in Japan sind nicht in der Lage, die Zinsen zu erhöhen. Schauen sie nur auf die Bank of England, wo die Inflation stetig über vier Prozent liegt. Wenn die Tolerierung der Inflation politisch gewollt ist, dann besteht die Gefahr, dass der Ölpreis überschießt. Und das kann sich zu einem Bumerang für die Weltwirtschaft entwickeln.

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