




Wenn es noch eines Beweises für den Machtzerfall der Organisation Erdöl exportierender Staaten (Opec) bedurfte, dann war es das Treffen der 14 Mitgliedstaaten Ende September in Algier. Dort traf die Opec nach Ansicht des iranischen Ölministers Bijan Sanganeh eine „außergewöhnliche Entscheidung“: Mit einer Obergrenze für die Produktion von 33 Millionen Barrel pro Tag und der Einführung nationaler Quoten sollte dem Preisrutsch beim Öl ein Ende bereitet werden.

Doch nur vier Wochen später zeigten wichtige Förderstaaten außerhalb der Opec dem Kartell seine Grenzen auf: Bei einem Treffen in Wien lehnten es Russland, Brasilien, Mexiko, Oman, Aserbaidschan und Kasachstan allesamt ab, ihre Fördermengen verbindlich zurückzufahren. Beschlossen wurde lediglich, sich vor der nächsten Opec-Sitzung am 30. November noch mal zusammenzusetzen. Der Ölpreis, der zuvor nach oben geschossen war und ein 15-Monats-Hoch erreicht hatte, legte daraufhin flugs den Rückwärtsgang ein. In der vergangenen Woche fiel er auf den niedrigsten Stand seit September.
Die aktuelle Achterbahnfahrt passt ins Bild: Bei keiner anderen Rohstoffgruppe waren die Notierungen in den vergangenen zwölf Monaten so sprunghaft wie bei Ölprodukten. Das zeigt der Rohstoffradar, den die Commerzbank dreimal jährlich exklusiv für die WirtschaftsWoche ermittelt. Der Indikator spiegelt die Volatilität der Preise wider, gibt also Aufschluss darüber, wie heftig die Notierungen nach oben und unten schwanken und die Kalkulation der Unternehmen erschweren. Der Rohölpreis (Brent) pendelte demnach in den vergangenen zwölf Monaten um durchschnittlich 44,6 Prozent um seinen Mittelwert, stärkere Schwankungen gab es nur bei Diesel (44,8 Prozent).
Was Sie über den Ölpreis wissen müssen
Da Öl ursprünglich in Fässern abgefüllt wurde - Barrel im Englischen -, wird diese Maßeinheit in der Branche bis heute verwendet. Ein Barrel sind 159 Liter.
Die steile Talfahrt begann Mitte 2014, bis Anfang 2016 hatte sich der Preis mehr als gedrittelt. Seitdem hat sich der preis wieder erholt, bleibt aber weiter weit hinter früheren Niveaus zurück. Hintergrund ist ein knallharter Wettbewerb zwischen den klassischen Ölförderern wie Saudi-Arabien und neuen Konkurrenten, die Rohöl mit der aufwendigen Fracking-Methode aus Schiefergestein lösen, allen voran in den USA.
Rohöl ist nicht gleich Rohöl. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Sorten – je nach Region. Alleine der Finanzinformationsdienst Bloomberg listet mehr als 100 Stück auf, wovon allerdings nur wenige große Bedeutung haben. Als Richtwert am Finanzmarkt gilt das US-Rohöl West Texas Intermediate (WTI). Eine weitere wichtige Sorte ist das Nordsee-Öl Brent.
Bei den Ölsorten gibt es gravierende Unterschiede bei der Qualität, was auch zu merklichen Preisunterschieden führt. So kann etwa die Sorte North Dakota Sour in der Raffinerie nur schwer verarbeitet werden, weil sie stark schwefelhaltig ist. Das schlägt sich auch im Preis nieder.
Für US-Öl und Brent-Öl werden die Preise über das Spiel von Angebot und Nachfrage gebildet. Aber auch diese Sorten können eine Vielzahl von unterschiedlichen Preisen haben, was daran liegt, dass sie in sogenannten Future-Kontrakten gehandelt werden. Der Käufer erwirbt dabei Rohöl mit unterschiedlichen Lieferdaten. Der am meisten gehandelte und damit für die Anleger wichtigste Future-Kontrakt läuft über einen Monat.
Auch die Ölsorten des Ölkartells Opec (Organisation erdölexportierender Länder) sind für die Weltwirtschaft von hoher Bedeutung. Von der Opec-Zentrale in Wien wird einmal täglich der sogenannte Opec-Korbpreis ermittelt. Hierfür melden alle Mitgliedstaaten des Ölkartells ihre jeweiligen Ölpreise, dann wird der sogenannte Korbpreis aller 13 Opec-Sorten errechnet. Dieser Durchschnittspreis wird allerdings immer mit einem Tag Verzögerung veröffentlicht und spiegelt daher nicht die neueste Entwicklung wider.
Bei den Industriemetallen hingegen hat die Volatilität seit dem Sommer fast durchgehend abgenommen – wobei die Preise derzeit klar nach oben tendieren. Auch im Agrarsektor hat sich die Lage etwas beruhigt, die größten Preissprünge machte hier mit 34,1 Prozent der Zucker (Juli: 35,1 Prozent).
Neue Marktstruktur
Dass der jüngste Ölpreisanstieg nicht nachhaltig war, liegt nach Ansicht von Eugen Weinberg, Chef-Rohstoffanalyst der Commerzbank, nicht allein an der Uneinigkeit der Förderländer. Grund sei auch die überraschend robuste US-Frackingindustrie, die ihre Produktion von Schieferöl 2017 deutlich ausweiten dürfte. Das drückt auf die Preise. „Wir erleben derzeit eine nachhaltige Strukturveränderung am Ölmarkt“, glaubt Weinberg. „Die Frackingindustrie wird für den globalen Ölmarkt mehr und mehr zum Zünglein an der Waage – und auf lange Sicht für den Ölpreis sogar ein entscheidenderer Faktor als die Opec.“
Zumal einige Opec-Länder nun offenbar ihre eigenen Beschlüsse unterlaufen und die eigene Produktion bis zum Anschlag hochfahren. Allein Libyen holt derzeit jeden Tag 590.000 Barrel aus der Erde – rund 300.000 mehr als Mitte September.
Für die Verbraucher hat das auch sein Gutes. Weinberg: „Nun dürfte der Ölpreis deutlich länger günstig bleiben.“