Schwellenländer "Taiwan hängt deutsche Tüftler ab"

Von Saudi-Arabien bis Südkorea, von China bis nach Kenia: Aufstrebende Schwellenländer profitieren von der globalen Konjunktur und haben sich zu Technologie-Vorreitern entwickelt, sagt Aktienexperte Graf Hardenberg.

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„Taiwan hängt deutsche Tüftler ab“ Quelle: REUTERS

In Schwellenländern sind Unternehmen entstanden, die eine Bedrohung für die Konkurrenten aus Industrieländer darstellen. Aktienexperte Carlos Graf von Hardenberg, Fondsmanager bei Franklin Templeton, erläutert, wie Anleger davon profitieren, was von Saudi-Arabiens neuem Herrscher zu halten ist und wieso sich in Simbabwe die Aktienkurse vervielfachen.

Zur Person

WirtschaftWoche: Graf Hardenberg, ihr Spezialgebiet sind Aktien aus Schwellenländern. Saudi-Arabien zählt dazu. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman greift gerade hart durch. Wie beurteilen Sie seine Reformvorhaben?
Herr Carlos Graf von Hardenberg: Ich halte den Weg, den er eingeschlagen hat, um das Land moderner zu machen, für glaubhaft. Es wird hier häufig nur wahrgenommen, dass Frauen Autofahren dürfen, aber es geht viel weiter mit einer Modernisierung von Bildungs- und Gesundheitswesen sowie der Infrastruktur. Das wird für lange Zeit ein großes Thema bleiben, denn mittlerweile können Ausländer auch direkte Beteiligungen an saudischen Aktiengesellschaften erwerben und müssen nicht länger den Umweg über Derivate wählen.

Könnten Sie eigentlich etwas anderes sagen, ohne fürchten zu müssen, beim nächsten Besuch an der Grenze abgewiesen zu werden?
Man muss teilweise vorsichtig sein und behutsamer Kritik vorbringen. Aber wir sind Investoren und auf uns sind die Länder mitunter angewiesen, denn wir bringen Ersparnisse dorthin. Sie wollen als letztes Leute wie uns verscheuchen. Wir stellen häufig unangenehme Fragen und schreiben auch Briefe an Aufsichtsräte, wenn uns etwas nicht gefällt. Wäre das nicht machbar, würden wir auch nicht investieren.

Carlos Graf von Hardenberg (43).(Zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: PR

Trägt das Früchte?
In Korea hat Mark Mobius die Eigner von Samsung zu einem Aktienrückkauf aufgefordert und sie haben ihm zugehört und eine klare Dividendenpolitik angekündigt. Man öffnet sich etwas mehr.

Haben Sie in Saudi-Arabien investiert?
Ja, seit langem vor allem für Spezialfonds, die Großanlegern offenstehen oder den Frontier-Markets-Fonds. In den globalen Schwellenländerportfolios ist der Markt momentan nicht enthalten. Da über allem die Spannungen mit Iran, Jemen, Ägypten und Katar hängen, bin ich zurückhaltend.

Rechnen Sie mit einem erfolgreichen Börsengang des saudischen Ölkonzerns Aramco?
Als Salman vor ein paar Wochen in Riad eine Konferenz veranstaltet hat, war die Nomenklatura des weltweiten Kapitals jedenfalls schon mal dort. Entscheidend wird der Preis sein, den Interessenten beim Börsengang für das Unternehmen bezahlen sollen. Bis dato ist Aramco nicht für seine Offenheit gegenüber Investoren bekannt. Wir erwarten mehr Transparenz. Und die Corporate Governance ist uns bei allen unseren Beteiligungen sehr wichtig.

Wird Aramco eine große Rolle in Schwellenländerportfolios spielen?
Mit Aramco an der Börse würde Saudi-Arabien wahrscheinlich auf einen Schlag knapp zwei Prozent des globalen Schwellenländer-Index ausmachen. Höhere Index-Ausschläge nach oben und unten verursacht durch taktische Investoren sind sehr wahrscheinlich. Wir wollen uns an diesem taktischen Spiel nicht beteiligen, deshalb investiere ich lieber in Aktien, die gar nicht in den großen Indizes enthalten sind.

Saudi-Arabien bleibt zweitrangig

Nennen Sie mal ein paar Namen von Unternehmen, die in Saudi-Arabien gut geführt werden.
Für mich zählt etwa die Molkerei Almarai dazu, die Bank Samba, der Luxus-Modehändler Rubaiyat und die Supermarkt-Holding Savola, bei der auch schon ein ehemaliger Metro-Manager im Aufsichtsrat sitzt. Savola hat momentan Probleme mit der staatlichen Ansage, dass Arbeitgeber mehr Saudis einstellen sollen. Viele Saudis mussten bislang nie arbeiten, sie sind dafür auch häufig gar nicht ausgebildet. Für die wirklich großen globalen Fonds bleibt die Region zunächst zweitrangig. Da gibt es woanders spannendere Investments.

Zum Beispiel?
Wir sind stärker in die Wachstumsbranchen Internet und Technologie eingestiegen. Das Portfolio repräsentiert heute mehr die Zukunft der Schwellenländer und weniger die älteren Geschäftsmodelle, die auf Banken und Brauereien basieren. Als Value-Haus hatten wir mit den hohen Bewertungen bei Online-Geschäftsmodellen und den häufig noch fehlenden Gewinnen Probleme. Aber inzwischen werden die Schwellenländer mehr und mehr zu Technologie-Vorreitern. Taiwan hängt die Tüftler aus Baden-Württemberg ab, dort und in Südkorea entstehen die Bauteile für die Zukunft des Fahrens wie Sensoren. Auch bei Elektroauto-Ladestationen ist mit Fit hon Teng ein chinesisches Unternehmen Weltmarktführer. Die Aktien hatten wir vor sechs Monaten gekauft, sie hat sich fast verdoppelt. Die teuersten Bauteile eines Elektroautos, die Batterien, kommen aus Korea und China. Sogar in der Stahlindustrie sitzen die innovativsten Unternehmen, die Produzenten von ultraleichtem Spezialstahl in Schwellenländern. Überall gibt es dort Geschäftsmodelle wie die des chinesischen Internetriesen Tencent, der zu den wertvollsten Unternehmen der Welt zählt. In Brasilien zählt etwa der Onlinehändler B2W dazu, der einen Marktanteil von 50 Prozent hat und stark wächst.

Banken kommen in den Fonds noch immer auf einen hohen Anteil von fast einem Fünftel des Fondsvermögens. Was ist an ihnen interessant?
Sie müssen keine Filialen haben, das ist effizient. Die Kundenkommunikation und Risiko-Kontrollen laufen vielfach komplett online. Bei der Kenia Commercial Bank sind 80 Prozent der Geschäfte digitalisiert. Es gibt in dem Bereich viel Fantasie, etwa weil sich die Manager von russischer Sberbank mit denen von Alipay getroffen haben, da könnten die Gewinner von morgen entstehen. Die Alibaba-Tochter ist eine der größten Banken der Welt. Und in China oder Indien haben die Banken einen Zugang zu Milliarden Kunden mit nur einer Lizenz. Die müssten gar nicht expandieren.

Belastet die unklare Situation in Simbabwe nach dem Rückzug des Machthabers Mugabe die Fonds?
Die Kurse dort haben sich in einem Jahr fast vervierfacht, ich glaube das Land hat dadurch die weltweit beste Performance. Alle wollen ihr Geld in Aktien stecken, weil sie glauben, dass es dort sicherer ist als in Banken. Das Land hat nach einer Hyperinflation vor Jahren seine Währung aufgegeben. Es hängt komplett vom Dollar ab. Wir haben einige Aktien in dem Frontier-Markets-Fonds. Die Kurse sind so stark gestiegen, dass das Land plötzlich in dem Fonds einen Anteil von mehr als sechs Prozent bekam. Aber wir bekommen die Dollar nicht aus dem Land heraus. Das sind die Tücken dieser Märkte. Bei Problemen hängen alle drin.

Ich war einige Male dort, das Land hat eine gute Infrastruktur, gute private Investoren und gute Unternehmen wie die Brauerei Delta Corporation, die zum Konzern Inbev gehört. Sie wächst solide und ist transparent, nur eben im falschen Land angesiedelt.

"Guptas merkwürdige Geschäfte waren bekannt"

Südafrika wird von einem Korruptionsskandal erschüttert. Die indische Familie Gupta soll den Staatsapparat geschmiert haben. Ist Ihnen da nie etwas aufgefallen?
Für uns arbeiten zwei Analysten direkt in Kapstadt, aber momentan haben wir wenig südafrikanische Aktien im Portfolio. Guptas merkwürdige Geschäfte waren bekannt. Aber in Südafrika behindern auch extrem aggressive Gewerkschaften die Wirtschaft, die wollen, dass Weiße nicht in bestimmte Unternehmen gehen. 

Müssen Sie bei der Unternehmensführung häufig die Augen schließen, weil die Corporate Governance schlecht ist?
Nein, da hat sich schon einiges verbessert. Wir sind auch strenger geworden und haben einen stärkeren Nachhaltigkeitsfokus. Unternehmen sollen sich ökologisch und sozial verbessern mit klaren Zielvorstellungen und internen Messungen. Hier sehe ich eine wichtige Aufgabe für aktive Investoren.

Aber fast die Hälfte der Gelder, die in Schwellenländeraktien fließt, landet in börsennotierten Indexfonds, da kümmert sich niemand um Nachhaltigkeit und Kontrolle.
Dadurch fehlen bei Hauptversammlungen häufig Investoren, die sich einmischen. Diese Entwicklung sehe ich kritisch. Bevor Pakistan oder Katar in Indizes aufgenommen wurden, hatten sich die Aktien dort verdoppelt, weil Hedgefonds auf die Aufnahme gewettet haben. Da ist so viel Geld in den Markt geflossen, weil bekannt war, das später die Indexfonds die Aktien haben wollen. Das hat mit Investieren wenig zu tun. Manchmal geht es auch schief, Argentinien etwa wurde doch nicht aufgenommen und die Kurse sind wieder gefallen. Ich halte deshalb von den großen Aktien aus dem Index nur eine Handvoll und weiche lieber auf Titel aus, die gar nicht im Index enthalten sind.

Sind Schwellenländer-Aktien zumindest günstiger als die der Industrieländer?
Ja, im Schnitt um etwa ein Viertel günstiger. Ebenfalls gibt es bei manchen Währungen noch Aufholpotential um bis zu 15 Prozent.

Wie beurteilen Sie Indien und Osteuropa?
In Indien haben sich die Aktienkurse gut entwickelt, aber das Land ist sehr bürokratisch, bei der Steuer- und Zollreform geht es schleppend voran. Ein Sektor wie Pharma, der weltweit führend war, hat nicht genug unternommen, um die Position zu halten. Osteuropa hat gegenüber Südostasien oder Lateinamerika viele Chancen verpasst, das liegt aber auch daran, dass viele Arbeitskräfte in den Westen abgewandert sind. Die Aktienmärkte haben ihre Höchststände, die sie vor der Finanzkrise hatten, noch nicht wieder erreicht. Die Konvergenzstory hat letztlich enttäuscht.

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