Zumindest einige Frachtschiff-Reedereien können sich über den niedrigen Ölpreis freuen, der zurzeit auf dem niedrigsten Stand seit 2009 notiert. Auch wenn der Dieseltreibstoff damit für alle Schiffe billiger geworden ist und deren Betriebskosten senkt, leiden sie unter der schwachen Weltkonjunktur und damit unter zu geringer Auslastung.
Für große Tanker gibt es jetzt ein Alternativgeschäft: Die Schiffe könnten als bewegliche Öllager vermietet werden. Große Ölhändler wie Trafigura aus der Schweiz oder Vitol mit Sitz in Rotterdam und Genf sowie Ölproduzent Shell nutzen bereits Supertanker, um ihr billiges Öl zu horten, bis ein Preisanstieg den Verkauf profitabel macht.
Meilensteine der Ölpreisentwicklung
Die ersten gewinnbringenden Erdölbohrungen finden Mitte des 19. Jahrhunderts statt. In dieser Zeit entstehen auch die ersten Raffinerien. Bis 1864 steigt der Ölpreis auf den Höchststand von 8,06 Dollar pro Barrel (159 Liter); inflationsbereinigt müssen damals im Jahresdurchschnitt 128,17 US-Dollar gezahlt werden. In den folgenden Jahrzehnten bleibt der Preis auf einem vergleichsweise niedrigen Level, fällt mitunter sogar, bedingt etwa durch den Erfolg der elektrischen Glühlampe, durch die Öl im privaten Haushalt nicht mehr zur Beleuchtung nötig ist.
Mit dem Erfolg des Automobils zu Beginn des 20. Jahrhunderts steigt die Öl-Nachfrage rasant; speziell in den USA, wo der Ford Modell T zum Massenprodukt wird. 1929 fahren insgesamt 23 Millionen Kraftfahrzeuge auf den Straßen. Der Verbrauch liegt 1929 in den Staaten bei 2,58 Millionen Fass pro Tag, 85 Prozent davon für Benzin und Heizöl. Die Preise bleiben allerdings weiter unter fünf Dollar pro Fass (nicht inflationsbereinigt), da auch mehr gefördert wird.
In den 30er Jahren kommt die Große Depression, die Unternehmenszusammenbrüche, Massenarbeitslosigkeit, Deflation und einen massiven Rückgang des Handels durch protektionistische Maßnahmen zur Folge hat. Während der Weltwirtschaftskrise verringert sich die Nachfrage nach Erdöl und der Preis sinkt auf ein historisches Tief. 1931 müssen bloß noch 0,65 Dollar pro Barrel gezahlt werden (inflationsbereinigt etwa zehn US-Dollar). So billig sollte das schwarze Gold nie wieder sei.
Nachdem sich die Weltkonjunktur erholt hat, steigt der Preise für Öl wieder, bleibt aber konstant unter fünf Dollar pro Barrel. Für die Jahre zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Ölkrise im Herbst 1973 spricht man deshalb vom „goldenen Zeitalter“ des billigen Öls.
In den 70er und 80er Jahren kommt der Ölpreis in Bewegung. Als die Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) nach dem Krieg zwischen Israel und den arabischen Nachbarn im Herbst 1973 die Fördermengen drosselt, um politischen Druck auszuüben, vervierfacht sich der Weltölpreis binnen kürzester Zeit. Zum Ende des Jahres 1974 kostet ein Barrel über elf Dollar (inflationsbereinigt fast 55 US-Dollar). Dies bekommen auch Otto-Normal-Bürger zu spüren: In Deutschland bleiben sonntags die Autobahnen leer, in den USA bilden sich Schlangen vor den Tankstellen.
Während der zweiten Ölkrise in den Jahren 1979/1980 zieht der Ölpreis nach einem kurzfristigen Rückgang weiter an. Ausgelöst wird dies im Wesentlichen durch Förderungsausfälle und Verunsicherung nach der Islamischen Revolution. Nach dem Angriff Iraks auf Iran und dem Beginn des Ersten Golfkrieg explodieren die Preise regelrecht. Auf dem Höhepunkt im April 1980 kostet ein Barrel 39,50 Dollar (inflationsbereinigt 116 Dollar).
Die 80er und 90er Jahre sind – abgesehen von dem kurzzeitigen Anstieg verursacht durch den Zweiten Golfkrieg – eine Phase niedriger Ölpreise. Die Industriestaaten befinden sich in einer Rezession und suchten aufgrund vorhergehenden Ölkrisen mit besonders hohen Preisen nach alternativen Energiequellen. Weltweit gibt es Überkapazitäten. Während der Asienkrise 1997/1998 sinkt die Nachfrage weiter. Ende des Jahres 1998 werden 10,65 Dollar pro Barrel verlangt.
Nach Überwindung der Krise wachsen die Weltwirtschaft und damit auch der Ölbedarf schnell. Selbst die Anschläge auf das World Trade Center 2001 sorgen nur für einen kurzen Rücksetzer. Anfang 2008 steigt der Ölpreis erstmals über 100 US-Dollar je Barrel, Mitte des Jahres sogar fast auf 150 Dollar. Ein Grund für den Preisanstieg wist der Boom des rohstoffhungrigen China, mittlerweile zweitgrößter Verbraucher der Welt.
Die globale Finanzkrise und eine schwächelnde Konjunktur sorgen für einen Rückgang der Nachfrage. Gleichzeitig bleibt das Angebot durch die massive Förderung in den USA (Fracking) hoch. Die Folge: Der Ölpreis bricht ein. Ab Sommer 2014 rutscht der Preis für Brentöl innerhalb weniger Monate um rund 50 Prozent auf 50 Dollar. Erst im Februar 2015 erholte sich der Ölpreis leicht und schwankt um die 60 Dollar je Barrel.
Im Mai 2015 hatten sich die Ölpreise zwischenzeitlich erholt. Die Sorte Brent erreichte mit einem Preis von 68 US-Dollar je Barrel ein Jahreshoch. Von da aus ging es bis September des Jahres wieder steil bergab auf 43 Dollar. Nach einer Stabilisierung zwischen September und November nahm der Ölpreis seine wieder Talfahrt auf. Am 15. Januar hat der Ölpreis die 30-Dollar-Marke unterschritten.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters aus Branchenkreisen erfahren hat, haben die drei Unternehmen zusammen vier besonders große Tankfrachtschiffe mit einer Gesamtkapazität von zwölf bis 15 Millionen Barrel - umgerechnet knapp 2,4 Milliarden Liter - gemietet, um Öl einzulagern. Der Gewinn ist dabei schon jetzt kalkulierbar, denn derzeit ist der Ölpreis umso höher, je ferner in der Zukunft der Liefertermin liegt.
An den Rohstoffmärkten nennen Händler diese Konstellation Contango. „Das Angebot an Öl ist offensichtlich nicht knapp“, sagt Eugen Weinberg, Rohstoffexperte der Commerzbank. „Auch wenn das Contango in den letzten Jahren eher die Ausnahme war, gehe ich davon aus, dass dieser Zustand noch länger hält.“ Den umgekehrten Fall zum Contango – mit niedrigeren Preisen für eine späte Lieferung - bezeichnen Kenner als Backwardation.
Einen Anlass, Öl zumindest kurzfristig auch physisch zu bunkern, hätten Spekulanten und Ölförderer damit allemal. „Für die Händler physischen Öls ist so ein Vorgehen sinnvoll“, sagt Weinberg. „Erstens, weil der Markt mit Öl überversorgt ist, und zweitens wegen des sehr stark ausgeprägten Contangos. Derzeit liegt der Ölpreis für Lieferung in einem Jahr zehn Dollar über dem Spot-Preis für sofortige Auslieferung.“
Weinberg schätzt die Lagerkosten hingegen auf fünf bis sieben Dollar pro Barrel und Jahr. So dass pro Barrel drei bis fünf Dollar als Ertrag bleiben, wenn das Öl sofort mit Liefertermin in einem Jahr verkauft wird. „Für die Händler ist das ein schöner Gewinn“, sagt Weinberg. Pro Supertanker sind so brutto zehn Millionen Dollar Gewinn und mehr drin.
Was den Ölpreis bestimmt
Der Ölbedarf hängt stark von der Konjunktur ab. Mit zunehmenden Wirtschaftswachstum steigt auch der Ölverbrauch. So ist der Bedarf nach Öl in den boomenden Schwellenländern China, Indien und Russland in den vergangenen Jahren massiv gestiegen und hat diese Länder zu den größten Ölverbrauchern der Welt gemacht. Hinzu kommen saisonale Einflüsse, etwa vor dem Winter mit steigendem Heizölbedarf oder der so genannten „Driving Season“ in den USA, weil dann der Benzinverbrauch sprunghaft steigt.
Der Ölpreis hat kaum Auswirkungen auf die Nachfrage, da der Ölverbrauch bei steigendem Ölpreis nicht einfach so eingeschränkt werden kann – man spricht von einer preisunelastischen Nachfrage.
Der Verbund der Erdöl fördernden Länder spricht sich regelmäßig bezüglich der Fördermenge ab, was natürlich Auswirkungen auf den Ölpreis hat. Sollten sich vor allem die arabischen Länder auf ein Senkung der Fördermenge einigen, verknappt dies das Angebot und treibt den Preis für Rohöl.
Erdöl ist grundsätzlich ein knappes Gut, aber es herrscht auch viel Unsicherheit darüber, wie lange die Vorkommen reichen. Hinzu kommt, dass mit steigendem Ölpreis auch der Abbau nur zu höheren Produktionskosten abbaubarer Ölvorkommen eher lohnt, z.B. die Ölgewinnung aus Ölschiefer, Ölsand oder durch Tiefsee-Bohrungen. Außerdem neigen die großen Raffinerien ebenso wie Staaten dazu, ihre Lagerhaltung auszuweiten, wenn der Ölpreis starken Schwankungen unterliegt. Stocken diese Marktteilnehmer ihre Lagerbestände massiv auf, sorgt die erhöhte Nachfrage kurzfristig für neue Preishochs.
An den Börsen wird Öl in Form von Terminkontrakten gehandelt. Die Marktteilnehmer kaufen also Öl, das erst zu einem späteren Zeitpunkt zum vereinbarten Preis geliefert wird. Vom Spotpreis wird gesprochen, wenn es sich um kurzfristige Terminkontrakte handelt, bei denen das Öl innerhalb von zwei Wochen geliefert wird. Längerfristige Terminkontrakte können auch für Spekulanten attraktiv sein.
Der US-Dollar ist die Standardwährung im Rohstoffmarkt. Eine Änderung des Dollar-Kurse hat somit Einfluss auf die Ertragslage des Erdölexporteurs. Auf Staatenebene spielt dabei eine Rolle, wie viele Güter in der Handelsbilanz stehen, die in Dollar bezahlt werden. Die erdölexportierenden Länder haben daher Interesse daran, bei einem fallenden Dollarkurs die Exportpreise für Erdöl etwa durch Angebotsverknappung anzuheben.
Der Gewinn ist dabei risikolos. Denn man kauft das Rohöl heute und verkauft es sofort auf Termin. Jetzt muss man nur noch bis zur Lieferung warten. Da die Versicherungskosten und vor allem die Zinsen extrem niedrig sind, lohnt sich das Geschäft immens.“ Riskant wäre das Geschäft nur, wenn der Verkauf zum fernen Termin in der Erwartung noch stärker steigender Future-Preise zunächst ausbliebe, der Ölpreis aber noch weiter fällt.
„Zwar glauben wir, dass beim Ölpreis bald eine Bodenbildung einsetzt, aber bis dahin kann es noch einen Etage weiter runter gehen, vielleicht bis auf 40 Dollar je Barrel“, prognostiziert Weinberg.
Dafür sprächen gleich drei Gründe: Erstens wolle die von Saudi Arabien dominierte Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) einen Preisrutsch bis auf 40 Dollar hinnehmen, bevor sie die Fördermenge zur Angebotsverknappung reduziert. Damit wollen die arabischen Ölförderstaaten ihre Marktanteile trotz des billigen Fracking-Öls aus den USA verteidigen.
Zweitens würden die Spekulanten am Terminmarkt noch immer auf einen steigenden Ölpreis wetten, was an den unverändert hohen Wetten auf einen Ölpreisanstieg erkennbar sei. Drittens habe der halbierte Ölpreis bislang noch keinen Effekt auf Ölangebot und -nachfrage gehabt. Eine Einschränkung des Ölangebots und einen anziehende Nachfrage sei erst zu erwarten, wenn der Ölpreis bis auf 40 Dollar gefallen sei, vermutet Rohstoffexperte Weinberg.