Verkehrte (Finanz-)Welt
Börse: Wie sich Anleger absichern können Quelle: imago images

So sichern sich Anleger in stürmischen Zeiten ab

Wenn es an den Börsen auf und ab geht, verlieren viele Anleger die Nerven – häufig zum eigenen finanziellen Nachteil. Dabei ist ein kühler Kopf die beste Absicherung gegen Verluste. In vier Schritten zum sicheren Depot.

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Die plötzlichen Rücksetzer an den globalen Aktienmärkten im Oktober dieses Jahres sind ein gutes Beispiel dafür, wie schnell sich Stimmungen an den Finanzmärkten ändern können. Viele Marktteilnehmer sprechen davon, dass nach gut zehn Jahren steigender Aktienkurse nun eine längere Kurskorrektur oder sogar ein Bärenmarkt überfällig ist.

Doch nicht nur im Aktienumfeld sind die Asset-Preise stark gestiegen: Staatsanleihen, Unternehmensanleihen oder auch Immobilien erscheinen im historischen Vergleich teuer. Das macht sowohl professionelle als auch private Anleger nervös. Doch gerade in Marktsituationen, bei denen ein Trendwechsel wahrscheinlich ist, ist es wichtig, Anlageentscheidungen faktenbasiert zu treffen. Denn häufig unterliegen wir einem Phänomen, das der philosophische Essayist und Finanzmathematiker Nassim Nicholas Taleb prägte: „narrative fallacy“, dem Trugschluss durch Erklärbarkeit (Taleb, Nassim Nicholas: The Black Swan: The Impact of the Highly Improbable; 2007; Random House). Demnach wird als wahr angenommen, was sich erklären lässt und plausibel klingt.

Zum Beispiel lag es nahe, den Flashcrash des britischen Pfunds im Oktober 2016 durch den drohenden „harten Brexit“ zu erklären. Nachfolgende Untersuchungen deuteten jedoch darauf hin, dass es sich wohl um ein zufälliges Aufeinandertreffen unterschiedlicher Faktoren handelte, welche die starke Preisschwankung auslösten.

Darin zeigt sich: sowohl professionelle als auch private Anleger entscheiden nicht immer rational. Beispielsweise kam es im Nachgang zum Hurrikan Katrina zu regelrechten Panikverkäufen in einzelnen US-Unternehmensanleihen, obwohl derart drastische Preisabschläge fundamental nicht gerechtfertigt waren.

Schritt für Schritt, statt großer Sprung

Wichtig ist daher, sich nicht von Gefühlen oder Annahmen leiten zu lassen. Stattdessen sollten Anleger folgende vier Schritte beachten, um systematisch bessere Vermögensentscheidungen zu treffen:

1. Finanzplan: Bevor in konkrete Instrumente investiert wird, sollte man einen eigenen Finanzplan erstellen, der insbesondere die folgenden Fragestellungen adressiert:
- Zielsetzung: Welches Ziel (zum Beispiel Kapitalerhalt, Altersvorsorge, bestimmte Anschaffungen) möchte ich erreichen?
- Rendite: Welche Mindestrendite ist erforderlich, um dieses Anlageziel zu erreichen (zum Beispiel Inflationsausgleich bei Kapitalerhalt)?
- Risiko: Welche tatsächlichen Verluste können finanziell verkraftet werden?
- Liquidität: Welche liquiden Mittel stehen für die eigene Finanzanlage zur Verfügung?

Welchen Liquiditätsbedarf hat man in den kommenden Jahren (zum Beispiel für den Kauf eines Eigenheims)? Welche Liquiditätsanforderungen werden an das Investmentportfolio gestellt (zum Beispiel Bestandteil der monatlichen Rente)?
- Anlagehorizont: Wie lange kann das anzulegende Geld gebunden bleiben?
- Steuern: Welche steuerlichen Besonderheiten liegen vor, die bestimmte Anlagen im Investmentportfolio sinnvoll erscheinen lassen?
- Individuelle Anforderungen: Welche besonderen Anforderungen bringe ich mit, wie zum Beispiel ethisch korrekte oder ökologisch nachhaltige Investments?

Ohne Fleiß kein Anlageerfolg

2. Wissensaufbau: Wer Anlageentscheidungen trifft, sollte in erster Linie verstehen, was es mit diesen Anlagen auf sich hat. Doch die Komplexität der Finanzinstrumente und Anlagemöglichkeiten ist für viele Privatanleger häufig undurchschaubar und die Anzahl und Vielfalt der von Finanzdienstleistern angebotenen Finanzprodukte nimmt tendenziell zu. Trotzdem gilt: Ohne eine gründliche Recherche zu Funktionsweisen, Chancen und Risiken der Anlageprodukte geht es nicht – auch um abzustimmen, inwieweit diese Optionen sich mit den im Finanzplan gesteckten Rahmenbedingungen decken.

3. Finanzanalyse & Anlageauswahl: Bei der Anlageauswahl ist vom Einzelinvestment über eine Fondslösung bis zum Vermögensverwaltungsmandat vieles möglich. Oft setzen Privatanleger auch aus Zeitgründen auf kostengünstige Exchange-Traded-Funds (ETF) oder klassische Investmentfonds. Das entbindet jedoch nicht von der konkreten Anlageentscheidung. Auch in diesen Fällen sollte man sich zumindest genauer mit der Fondszusammensetzung befassen und gegebenenfalls einzelne Werte näher daraufhin untersuchen, ob sie den Kriterien aus dem Finanzplan entsprechen. Für Anlagen in Einzelwerte gilt das Gleiche. Im Zweifel sollten Privatanleger an dieser Stelle professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

4. Laufende Überprüfung & Anpassung: Ernsthaftes, professionelles Investieren ist als ein wiederkehrender Prozess zu verstehen. Das bestehende Investmentportfolio muss in regelmäßigen Abständen begutachtet und gegen aktuelle Entwicklungen an den Finanzmärkten und der Realwirtschaft geprüft werden. Welche Gewichte nehmen bestimmte Vermögensklassen (zum Beispiel Aktien, Anleihen, Immobilien) ein? Habe ich einzelne Investments, die mehr als zehn Prozent meines Vermögens ausmachen (Stichwort: Risikostreuung)? Wie ist die Performance (Gewinn beziehungsweise Verlust) des gesamten Investmentportfolios? Ist bei einer bestimmten Anlage der Eintritt eines Risikos wahrscheinlich geworden? Entsprechend dieser Analyse sollte man aktiv werden und diejenigen Anlagen reduzieren, die zum Gesamtrisiko am meisten beitragen.

Insbesondere der laufenden Überprüfung der eigenen Risikosituation kommt aktuell eine besondere Bedeutung zu – denn es zeichnet sich ab, dass die Preisvolatilität an den Finanzmärkten zunimmt. Doch wer in seinem Finanzplan einen langen Anlagehorizont definiert hat oder sogar zusätzliches Kapital einsetzen möchte, kann sich über den möglichen „Schlussverkauf“ freuen.

In jedem Fall gilt: Wer nachhaltig Erfolg in der Geldanlage haben möchte, muss sich laufend mit der Materie auseinandersetzen. Denn was ein Segen ist, ist auch eine Bürde: ist man in der komfortablen Situation, regelmäßig finanzielle Überschüsse zu generieren, hat man zugleich auch die Verantwortung diese sinnvoll zu investieren – je nach Umfang der Mittel kann dies einen beträchtlichen zeitlichen Aufwand mit sich bringen. Professionelle Hilfe kann hier Abhilfe schaffen, ist aber mit Kosten und keineswegs mit einer Performance-Garantie verbunden.

Eins können Privatanleger von professionellen Anlegern lernen: Methode und Ratio gehen vor Bauchgefühl – besonders in kritischen Marktsituationen.

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