Riedls Dax-Radar Fünf Risiken für Anleger – und fünf neue Chancen

Aufholjagd der Börsenhändler an der Wall Street: Nach einem Minus von 800 Punkten im Dow Jones Index in den ersten Handelsstunden am Donnerstag kämpfte sich die New Yorker Börse bis auf 80 Punkte an das vorherige Niveau heran. Quelle: imago images

Erst kracht der Dax auf ein neues Zweijahrestief, dann kommt es an den US-Börsen zu einer fulminanten Erholung. Die nächsten Wochen werden turbulent bleiben. Anleger müssen dabei sorgfältig unterscheiden zwischen echten Erfolgsunternehmen, hochgejubelten Überfliegern und tief gefallenen Substanzperlen.

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Besonders stark erwischt es die europäischen Aktienmärkte, auch den Dax. Wieder einmal zeigt sich, dass die seit Monaten vorhandene Schwäche Europas noch lange nicht zu Ende sein dürfte. Der Dax ist wieder da angelangt, wo im Herbst vor gut zwei Jahren die jüngste mittelfristige Hausse-Phase begonnen hat. Der Dow Jones steht dagegen trotz der jüngsten Turbulenzen mehr als ein Drittel über dem Niveau von vor zwei Jahren. An dieser divergierenden Entwicklung dürfte sich auf absehbare Zeit nicht viel ändern.

Anleger sollten deshalb fünf große Risiken im Blick behalten - und die fünf Chancen, die sich daraus ergeben können.

Erstes Risiko: Europa wird für Anleger immer mehr zum Nachteil

Die europäische Wirtschaft ist in einem brisanten Zustand. Mit Großbritannien tritt eines der stärksten und wichtigsten Länder aus. In Frankreich signalisieren die jüngsten Unruhen, wie brüchig die bisher erreichten wirtschaftlichen Erfolge sind. Italien ist zum Dauerkrisenfall geworden. Die größeren osteuropäischen Länder gehen schon länger auf Distanz zu Kerneuropa. Und ob Deutschland dies alles wirtschaftlich ausgleichen kann, wird immer fraglicher.

Man kann den desolaten politischen Zustand, in dem sich Europa befindet, nicht von der wirtschaftlichen Perspektive und den Märkten trennen. Europa entstand als wirtschaftliche Vereinigung mit einem politischen Rahmen. Beides gerät zusehends aus den Fugen. Das trifft auch die EZB, die deshalb in eine unglückliche Zwickmühle geraten ist: Einerseits hat sie die Zinsen in den vergangenen Jahren mit Blick auf die Schwachen in der EU unten gehalten, andererseits hat sie nun kaum Spielraum, im Fall einer neuen Krise gegenzusteuern.

Zweites Risiko: Handelsstreit und die Unberechenbarkeit von Trump

Er liebe Zölle, hat Donald Trump gesagt, als es um die grundlegende Auseinandersetzung mit China ging. Bei allem Hin und Her, das Trump in den vergangenen zwei Jahren an den Tag gelegt hat, ist dies eine wirtschaftliche Konstante seiner Amerika-First-Politik. Damit besteht auch keine allzu große Hoffnung, dass sich nach Ablauf des jüngsten Waffenstillstands mit China wesentliches daran ändert. Es sei denn, China lenkt im Handelskonflikt weiter ein als bisher erwartet.

Für die Chinesen wird dies ein Drahtseilakt. Einerseits operieren sie aus einer Position der relativen Stärke heraus - die chinesische Wirtschaft läuft immer noch robust, China hat riesige Bestände an US-Staatsanleihen. Andererseits haben sie Angst, dass gerade der Aufschwung ihrer vielversprechenden Technologieunternehmen ins Stocken geraten könnte. Der Konflikt zwischen Trump und China wird bis auf weiteres bestehen bleiben. Er wird die Handelspolitik genauso dämpfen wie die konjunkturellen Perspektiven insgesamt.

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Drittes Risiko: Strategische Enttäuschungen bei Unternehmen

Im Dax stürzen Fresenius und FMC ab, weil die mittelfristigen Ziele gekappt werden. Bei Daimler führt die Verschiebung von Erträgen der Finanztochter ins nächste Jahr zu einem Kursrutsch. Bei Bayer sprechen immer mehr Anzeichen dafür, dass die Monsanto-Übernahme eine ziemlich gefährliche Sache ist. Sowohl im Dax wie bei vielen Unternehmen weltweit häufen sich schwere Enttäuschungen. Und die schlagen sich umso mehr in Kursen nieder, je sicherer sich Anleger vorher wähnten. Fresenius und FMC galten in den vergangenen Jahren als stabile Gewinnbringer, Daimler ist analytisch betrachtet ausgesprochen billig, und Bayer sollte gerade mit Monsanto eine Konzernstruktur erhalten, die auf die zukünftigen Bedürfnisse zugeschnitten ist.

Die Reihe der angeschlagenen Ikonen lässt sich beliebig fortsetzen: Sie reicht von General Electric über IBM bis zur Deutschen Bank. Wenn einst tragende Unternehmen der Wirtschaft und der Aktienmärkte so tief sinken, zieht das auch die Gesamtmärkte nach unten.

Viertes Risiko: Zu hohe Erwartungen an erfolgreiche Unternehmen

Zu den Dax-Aktien, die in den vergangenen Wochen besonders stark verloren haben, gehört Bezahldienstleister Wirecard. Nun ist der Aufstieg von Wirecard ohne Frage beeindruckend, das Unternehmen eine Erfolgsstory. Die Frage ist nur, ob dieses Unternehmen, das in diesem Jahr an die zwei Milliarden Euro Umsatz gemacht hat, an der Börse 17 Milliarden Euro wert ist? Und dabei ist der Kursrückgang von einem Drittel, den die Aktie in den vergangenen zwei Monaten erlitten hat, schon eingerechnet.

Um solche gigantischen Bewertungen zu rechtfertigen, müsste Wirecard die enormen Wachstumsraten, die es in den vergangenen Jahren von kleiner Basis aus erzielt hat, gleichsam unendlich fortsetzen. Das stößt früher oder später an reale Grenzen – in vielen Fällen dann, wenn die Aktie den Aufstieg in den Dax geschafft hat. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Wirecard bewertet wird wie jedes andere moderne Unternehmen auch. Und da besteht noch reichlich Luft nach unten.

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