Verkehrte (Finanz-)welt

Ist der Aktienanalyst vom Aussterben bedroht?

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Unverzichtbare Analysten

Die Investor-Relations-Abteilungen kleinerer und mittlerer Unternehmen haben mit diesem Analysten-Schwund schwer zu kämpfen. Die Analysten und ihre Arbeitgeber sind als Vermittler und Multiplikatoren unverzichtbar, ihr allmählicher Niedergang entfernt die Emittenten weiter vom Puls des Kapitalmarkts.

Im akademischen Sinne steigert dies die Kapitalkosten vor allem kleinerer Unternehmen, da ihr Zugang zu institutionellen Investoren eingeschränkt wird und weniger Informationen und Analysen öffentlich und kommerziell verfügbar sind. Versucht ein Unternehmen, sich frisches Geld am Kapitalmarkt zu beschaffen, sind hohe Abschläge auf

den Kurs zu erwarten. Unter der hieraus resultierenden Verwässerung ihrer Anteile leiden vor allem die Altaktionäre. Gleichzeitig steigt das Risiko von Fehlinvestitionen in wenig bekannte Unternehmen.

Das sind die größten Anlegerfehler
Privatanleger machen vermeidbare Fehler Quelle: REUTERS
Mangelnde Streuung Quelle: REUTERS
Fehler 1: Mangelnde Streuung Quelle: AP
Fehler 1: Mangelnde Streuung - Gegenmittel Quelle: dpa
Fehler 2: Aktien-Picken - Befund Quelle: dpa
Fehler 2: Aktien-Picken - Folgen Quelle: dpa
Fehler 2: Aktien-Picken - Gegenmittel Quelle: dpa

Dies betrifft übrigens nicht nur private und institutionelle Anleger, sondern auch die Unternehmen selbst. Wenn Eigenkapitalkosten zu stark ansteigen, werden möglicherweise sinnvolle Investitionen nicht getätigt und das Wachstum der Realwirtschaft ausgebremst.

Konzentration auf große Werte droht, den Markt zu verzerren

Gleichzeitig profitieren die großen Konzerne von der zunehmenden Polarisierung. Ihre Kapitalkosten sinken weiter. Es droht eine strukturelle Überbewertung, wenn die Mehrheit der Investmentfonds und passiven Fonds ihre Anlagegelder noch stärker auf eine begrenzte Menge einzelner Aktien konzentriert, gleichzeitig aber die Hürden für neu an die Börse strebende kleine und mittlere Emittenten ansteigen. Eine solche Schieflage kann für den Gesamtmarkt und alle Anleger äußerst gefährlich werden: Beispielsweise dann, wenn liquide Aktien großer Konzerne in eine sich selbst verstärkende scharfe Korrektur geraten und aufgrund ihrer hohen Indexgewichtungen den Gesamtmarkt in die Tiefe ziehen.

An der Börse ist es zwar stets schwierig, Ursache und Wirkung genau zu diagnostizieren. Jedoch gibt es zumindest Anzeichen, dass auffallend scharfe Abverkäufe, wie etwa im Januar/Februar 2018, durch die hohe Konzentration der Anleger auf wenige große Titel  verstärkt worden sind. Denn bei plötzlichen Mittelabflüssen droht das Risiko, dass alle Marktteilnehmer synchron diese gleichen großen Titel verkaufen.

Einen Hoffnungsschimmer könnte die Regulierung bieten. Die neuen MiFID II-Regeln fordern eine separate Preisfindung des Corporate Access (Zugang der Unternehmen zum Kapitalmarkt) und Analysten-Research, also für Investoren andere Preise also für Aktienhändler. Es ist bereits zu beobachten, dass Analystenleistungen hierdurch aufgewertet werden. Denn nun werden sie stärker separat abgerechnet und den Emittenten nicht einfach als Mittel der Geschäftsanbahnung gratis bereitgestellt. Ein Top-Analyst, dessen Studien und Kommentare bei Investoren Beachtung finden, wird hierdurch für den Arbeitgeber wieder sichtbarer und wertvoller. Möglicherweise kann dies die Rahmenbedingungen für dieses im Kapitalmarkt weiterhin essentielle Berufsbild mittelfristig wieder etwas verbessern. Aus Kapitalmarktsicht kann das nur eine begrüßenswerte Entwicklung sein.

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