Willkürliche Baupolitik Wie Immobilienkäufer und Mieter in Spanien abgezockt werden

Benidorm: In Spanien werden Immobilienkäufer und Mieter abgezockt Quelle: imago images

Der bevorstehende Abriss der Zwillingstürme „Gemelos 28“ in Benidorm sorgt für neue Rechtsunsicherheit im spanischen Immobiliensektor. Wer in Spanien eine Wohnung kaufen will, muss höllisch aufpassen.

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Auf der Vermietungsplattform Booking.com wird noch munter dafür geworben, gemäß des Obersten Gerichts in Spanien müssen die 22 Etagen hohen Zwillingstürme (Gemelos 28) mit ihren 168 Luxuswohnungen jedoch abgerissen werden. Auf einem Felsen direkt an der Küste der Touristen-Hochburg Benidorm gelegen, verstößt der Ferien-Komplex gegen das Küstengesetz (Ley de Costas) aus dem Jahr 1988.

Um den in diesem Gesetz vorgesehenen Schutz der Meereslinie scherten sich Spaniens Immobilienentwickler, Justiz und Politik bisher wenig. Erst seit rund zehn Jahren sorgt das Gesetz für Zwangsenteignungen und Abrisse, obwohl die meisten eine Baugenehmigung vorlegen konnten. Auch die in Benidorm regierende konservative PP hat 2005 das Projekt der Firma Edificaciones Calpe durchgewinkt. Jetzt jedoch steht der Abriss des Stadt-Wahrzeichens bevor.  

Das Urteil des Obersten Gerichts fiel bereits 2012. Damals leitete der Inhaber der Baufirma Andrés Ballester nicht nur die Revision, sondern sicherheitshalber auch die Insolvenz ein: „Mit dem Konkursverfahren schleichen sich immer noch viele der spanischen Bauträger durch die Hintertür aus ihrer Verantwortung“, warnt der auf Immobilienrecht spezialisierte Anwalt Tim Wirth. Jetzt, wo das Oberste Gericht endgültig entschieden hat, dass die Türme weg müssen, muss deswegen die Regierung des Landes Valencias die Entschädigungen an die Käufer ebenso bezahlen wie den Abriss. Die Kosten werden auf 180 Millionen Euro geschätzt.

Rechtsunsicherheit besteht nach wie vor

Spaniens Politik, Justiz, Banken sowie Unternehmen haben in den vergangenen Jahren enorme Aufräumarbeit geleistet, aber das hat wohl noch nicht gereicht. Die Verstrickung zwischen Verwaltung und Wirtschaft blieb  bestehen. Wie ein Unternehmen aus dem Facility-Management anonym gegenüber der WirtschaftsWoche bestätigt, werden immer noch Aufträge und Baugenehmigungen unter der Hand vergeben sowie illegale Kommissionen von Auftragnehmern bezahlt: „Es gehen keine Umschläge mehr offen über den Tisch, aber wir bekommen komische Anrufe und sehen, dass die Ausschreibungen teilweise nur eine Farce sind, weil die dort angebotenen Preise nicht real sind. Es ist schon vorher klar, wer den Zuschlag bekommt“. Nach ihren Aussagen sind das inzwischen meist strategisch wichtige Groβunternehmen wie beispielsweise der Bauriese ACS – in Deutschland ist das Unternehmen durch die Übernahme von Hochtief bekannt geworden.

Aber das ist nicht alles. Auch die Schattenwirtschaft geht in Spanien munter weiter: „Hier halten strengere Kontrollen die kleinen Fische ab, die Groβen kennen die Tricks“, sagen die Unternehmer aus eigener Erfahrung, die sich nicht outen wollen, um die Arbeitsplätze ihrer Firmen nicht in Gefahr zu bringen: „Wenn wir anfangen zu reden, dann können wir zumachen“. Nicht nur, dass ein Branchenkenner offen zugibt, dass immer noch 40 Prozent der Mieten schwarz kassiert werden in Spanien: die Gemelos 28 gibt es in kleinerem Umfang über das ganze Land verteilt. Die Leidtragenden sind fast immer die privaten Eigentümer, die teilweise sogar mit Anwalt und Architekt gebaut oder gekauft haben und deren Bau- und Erstbezugsgenehmigungen dann nicht erteilt oder zurückgenommen werden.

Justiz und Politik in Spanien agieren teilweise noch immer chaotisch

Das schreckt ab. Gemäß des spanischen Immobilienportals „idealista“ ging der Anteil der Ausländer an den Gesamtinvestitionen in spanische Ferienimmobilien 2018 von zwölf auf neun Prozent zurück. Kleine Investoren, die sich keine teuren Berater und Rechtsanwälte leisten können, sind in Spanien aufgrund der oft undurchsichtigen Informationen verloren. Die Irreführung geht so weit, dass trotz des Abrissurteils die Wohnungen der Gemelos 28 vom Makler Concept G28 immer noch zu horrenden Kaufpreisen angeboten werden. Drei-Zimmer-Apartments kosten mindestens eine Million Euro.

Selbst bei der Anmietung in Spanien muss aufgepasst werden. Bei booking.com gehen sie zum Beispiel davon aus, dass der Abriss der Gemelos 28 in diesem Jahr nicht mehr durchgeführt werden wird, wie aus einer E-Mail-Antwort auf eine fingierte Mietanfrage hervorgeht, die trotz der richterlichen Entscheidung angenommen wird. Für 15 Tage im April werden 3000 Euro Miete verlangt. Auch „FeWo direkt“ bietet die Wohnungen auf seinem Portal noch an. 

Benidorm ist überall

von Rüdiger Kiani-Kreß, Volker ter Haseborg

Ebenfalls zu klären bleibt auch die Zukunft des wie ein Kaffeefilter gestalteten „InTempo“-Turms in Benidorm. Das mit 47 Stockwerken ehemals höchste Apartment-Gebäude Europas war bereits vor der Eröffnung ein Pleiteprojekt, vor allem wegen enormer Baumängel und des Konkurses des Trägers. Das 2015 von der spanischen „Bad Bank“ Sareb an den britischen Investmentfond SVP Global verkaufte Objekt soll nach Recherchen der WirtschaftsWoche jetzt 2020 neu eröffnet werden. Ein Projektentwickler aus Barcelona, Uniq Residential, plant die Umgestaltung, damit neue Investoren trotz der windigen Vergangenheit den Schritt wagen, hier ein Apartment zu kaufen. Schätzungen zufolge sollen die Wohnungen zwischen 191.000 und 1,6 Millionen Euro kosten, wie die „Costa Blanca Nachrichten“ schreiben. „Wir werden schon ab Mai Wohnungen vom Plan verkaufen“, berichtet Paul Jessup, der als Berater für den Turnaround des Unternehmens zuständig ist.

Die Rechtsunsicherheit im Bausektor betrifft nicht nur Benidorm. Wirth berichtet auch von Fällen in Mallorca, die oft politischer Natur sind, weil Entscheidungen aus der Vergangenheit einfach revidiert werden. So kaufte einer seiner Mandanten ein Grundstück mit gültiger Baugenehmigung in der Nähe von Andratx. Diese wurde dann jedoch mit undurchsichtigen Gründen wieder revidiert. „Das verunsichert Investoren natürlich enorm. Hier geht es um Millionen von Euro. Klagen können solche Prozesse mit den Gemeinden auf Jahre hinauszögern. In diesem konkreten Fall hat der Kunde jetzt ein Grundstück, mit dem er nichts machen kann“, sagt Wirth. 

Spanien denkt grüner, damit steigt jedoch Rechtsunsicherheit

Die Querelen sind meist politischer Natur. Die seit 2015 regierende  linke Koalitionsregierung auf den Balearen und auf Mallorca versucht, Küsten und Umwelt zu schützen und die Überfremdung und Ausbeutung der Insel zu verhindern. Deswegen wurden Bauvorhaben gestoppt und nur noch sehr wenige Genehmigungen vergeben. „Das ist auch gut so, aber bereits zugelassene Investitionen müssen geschützt werden“, glaubt Wirth.

Der britische Berater und ehemalige Umweltaktivist Jessup von „InTempo“ ist optimistisch, was sein Projekt betrifft, auch wenn über Benidorm Wolken aufziehen: „Wir haben bisher alle Genehmigungen und das Objekt liegt weit weg vom Meer. Unser Projekt wird das Abgebot in Benidorm enorm aufwerten. Es sollte keine Probleme geben“, erklärt Jessup zuversichtlich.

Klar scheint jedoch angesichts der aktuellen Lage nur, dass der Ausblick aus dem Doppelturm zumindest ab der 20. Etage mit Sicherheit spektakulär sein wird, sollte er dann 2020 endlich geöffnet werden.

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