Wohnungsnot Auch die Polizistin und der Pfleger wollen gut wohnen

Baustelle eines Wohnbauprojekts in Adlershof in Berlin Quelle: imago images

Ein Sturm braut sich zusammen in deutschen Städten, denn Wohnungsnot trifft zunehmend auch Menschen, die noch vor Kurzem auf dem Markt fündig wurden. Unsere Gesellschaft droht auseinanderzudriften. Ein Gastbeitrag.

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Die Strateginnen und Strategen der Ampel-Regierung haben ein wichtiges Ziel genannt: 400.000 neue Wohnungen pro Jahr sollen es werden. Nur: Vieles kam anders, als SPD, FDP und Bündnis 90/ Die Grünen es sich zum Start ausmalen konnten. Die Folgen des Ukrainekrieges (bis heute unabsehbar) und die dramatischen Klimaeffekte (immer offensichtlicher) machen das Erfüllen dieser Aufgabe zum Windmühlenkampf.

Baukosten sind explosionsartig gestiegen, Material- und Lieferketten gestört, Bauzinsen haben sich verdreifacht. Unklare Signale zur Neubauförderung nach KfW-55-Standard – erst Schwanken, dann Stutzen – verstärkten die Lage. Das neue Programm ist mit einer Milliarde Euro völlig unterfinanziert. Private Wohnungsanbieter können kaum umhin, einen Teil der gestiegenen Kosten auch auf Mieterinnen und Mieter umzulegen.

Die Lage spitzt sich zu. Denn der Bedarf an leicht bezahlbarem Wohnraum in Städten wächst. Immer mehr Menschen in Deutschland suchen vergebens. Dass die Bundesregierung auf zusätzliche Sozialwohnungen setzt, ist richtig. Nur ist das höchstens eine Teilantwort. Denn Sozialwohnungen helfen Wohnungssuchenden knapp oberhalb der Berechtigungsschwelle nicht. Und genau hier liegt die neue Crux: Wohnungsnot trifft zunehmend Menschen, die noch vor Kurzem auf dem Markt fündig wurden.

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Jenseits der 20 noch im Kinderzimmer

Es sind die viel titulierten Krankenschwestern und Polizisten, die in dieser verschärften Lage oft leer ausgehen. Eigentumswohnungen fanden schon immer ihren Markt in höheren Segmenten. Da klafft also eine Lücke. So müssen Menschen aus der Mitte der Gesellschaft in Großstädten oft buchstäblich sehen, wo sie bleiben können. Meist ist das die Wohnung, in der sie gerade sind. Da leben dann gestandene Krankenschwestern und Polizisten in Wohnungen, die so winzig sind, dass eine Familiengründung in weite Ferne rückt. Andere sehen sich gezwungen, im Alter jenseits der 20 im Kinderzimmer bei den eigenen Eltern zu bleiben. Wenn aber Gruppen, die mit ihrem Job das Land am Laufen halten, Basics ihrer Lebensgestaltung nicht mehr bezahlen können, hat das fatale Signalwirkung.

Diese Gruppe droht zu einer neuen Verlierer-Community zu werden. Um sich eine Wohnung, die ihrem Bedarf entspricht, leisten zu können – dazu verdienen sie zu wenig. Um aktuell Wohngeld zu beziehen – dazu verdienen sie zu viel.

Dass Bundeskanzler Olaf Scholz das Wohngeld erhöhen und zudem auf diese Zielgruppe ausweiten will, ist richtig. Denn diese Hilfe kann genau über die Schwelle helfen, die für sie oft zu hoch ist. Wie Details der neuen Regeln ausfallen, wird darüber entscheiden, wie stark das Kraftsignal für die Mitte am Ende ausfällt.

Schaffen die das?

Angesichts der angespannten Lage haben schon einige öffentlich das 400.000-Wohnungen-Ziel aufgekündigt. Der Mut von Bundesbauministern Klara Geywitz verdient da besonderen Respekt. Sie könnte locker die gesteckten Ziele mit dem Hinweis „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ revidieren. Tut sie aber nicht. Die „oberste Bauherrin“ hat sich seit Amtsantritt breite Anerkennung erworben. Weil sie zuhört, weil sie kämpft, weil sie Anliegen der Immobilienbranche ernst nimmt und – nicht selten – aufnimmt. Die nächsten Monate werden zeigen, was Geywitz einlösen kann. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann spielt im Kampf um mehr Wohnraum eine Schüsselrolle, wenn er beim Regulieren Grenzen setzt.

Am Immobilienmarkt herrscht Bewegung, Kaufwillige sind verunsichert. Während vereinzelt Preise für Häuser und Wohnungen fallen, wird für andere der Traum vom Eigenheim zu teuer.
von Thomas Regniet, Sören Imöhl

Serielles und modulares Bauen insbesondere in Holz verspricht einen wahren Schub beim Wohnungsbau: schneller, günstiger, mehr. Da ist eine Bauzeit von nur drei Monaten für ein drei- bis viergeschossiges Wohnhaus kein bloßer Traum. Mit einer Fabrikproduktion von Modulen wird das zur realistischen Option. Zum Vergleich: Bei konventioneller Bauweise fällt in der Regel mindestens eine ein- bis anderthalbjährige Bauzeit an. Es gibt bereits Unternehmen, die ein Zielsoll von 20.000 Wohnungen pro Jahr proklamieren. Holz wird zum politischen Türöffner, denn Bauen am Lebenszyklus orientiert macht auch neuen Flächenverbrauch verschmerzbar.

Die bedrohte Mitte benötigt Hilfe

Tempo zählt. Das Forschungsinstitut Empirica ermittelte schon direkt nach der Eskalation in der Ukraine für den Zentralen Immobilien Ausschuss einen erhöhten Bedarf: So könnten nach einem Szenario bis zu 100 000 weitere Wohnungen zusätzlich für Flüchtlinge benötigt werden. Wenn die „bedrohte Mitte“ mit Neuankömmlingen aus der Ukraine konkurriert, birgt das die Gefahr von noch mehr sozialem Sprengstoff und wachsender Verbitterung in breiten Teilen der Bevölkerung. Eine solche Entwicklung muss unbedingt verhindert werden.

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Serielles und modulares Bauen ist insofern weder eine rein technische Frage noch ein bloßes Hobby vom Immobilienwirtschaft und Bauministerin. Es bietet vielmehr Antworten auf zutiefst soziale Fragen des Zusammenlebens. Die Zeit drängt.

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