Immobilienblase Sandkasten-Spiele in Dubai

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Grafik: Arabische Beteiligungen im Westen

Bis vor zwei Jahren spielte Dubai seine Rolle genüsslich aus: Abenteuerspielplatz für die zu Hause von religiösen Sittenwächtern und restriktiven Bürokraten eingezwängten Saudis, Bankplatz der Reichen aller Golfstaaten, Handelsdrehscheibe für die gesamte Region einschließlich des Iran, der über Dubai manche internationale Sanktion unterlief. Außerdem touristische Destination mit Wachstumsraten um die 15 Prozent über mehrere Jahre, Drehkreuz des Flugverkehrs mit der einheimischen Megafluglinie Emirates (im Staatsbesitz, was sonst?) und Heimat des Hafengiganten Dubai Ports World, dem Teile der Häfen von Antwerpen, Marseille, Dschidda, Dschibuti, Shanghai, Hongkong und Buenos Aires gehören.

Finanziert wurde alles mit viel fremdem Kapital: Dubai Ports World gehört, wie Nakheel, zu Dubai World. Bis vor ein paar Tagen durften Investoren glauben, für die Dubai-World-Schulden stehe letztlich der Stadtstaat Dubai oder Emir Mohammed persönlich gerade. Bis der seinen Finanzdirektor mitteilen ließ, man sei eine Marktwirtschaft – und da habe der Staat nichts mit den Schulden der Unternehmen des Landes zu tun.

Der Bescheid markierte das endgültige Aus für den Traum vom Wirtschaftswunderländchen in der Wüste. Der Ratingagentur Standard & Poor’s zufolge hat Dubai insgesamt Auslandsschulden von 80 bis 90 Milliarden Dollar, etwa die Hälfte davon entfällt auf Dubai World und deren Töchter. Dem stehen Investitionen gegenüber, die oft wenig Vertrauen wecken: ein für über acht Milliarden Dollar kurz vor der großen Krise gekauftes Megakasino in Las Vegas oder auch das Super-Luxus-Passagierschiff „Queen Elizabeth 2“, das derzeit unbenutzt vor Dubais Küste dümpelt.

Immobilien: Wert hat sich halbiert

Kern des Problems aber ist die Immobilienblase. Noch im September 2008 ließ Dubai-World-Chef Sultan Ahmed bin Sulayem 20 Millionen Dollar springen und die Popsängerin Kylie Minogue einfliegen, um auf der künstlichen Palmeninsel 2000 geladene Gäste zu Investitionen in die „Waterfront“ zu verlocken: eine supermoderne Trabantenstadt für 400.000 Einwohner auf 800 Quadratkilometern an einer künstlichen Kanallandschaft. Geplant bis ins Detail – aber völlig unverkäuflich.

Analystenschätzungen zufolge wurden bisher Häuser für 360 Milliarden US-Dollar in Dubai in den Sand gesetzt; weitere Bauprojekte über 300 Milliarden Dollar wurden seit Beginn der Krise im Jahr 2008 eingefroren. In Boomzeiten sollen die Dubai-Immobilien – zwei Drittel Wohntürme, ein Drittel Gewerbeflächen – bis zu 500 Milliarden Dollar wert gewesen sein. Mittlerweile sind die Preise um 45 bis 55 Prozent eingebrochen. Die Büroflächen sind geschätzt nur zu 40 Prozent belegt. Das wird wohl noch schlimmer: 2011 wird Dubai mehr Büroraum haben als das zehnmal größere Shanghai.

Störfall Dubai

Thomas Beyerle, Research-Chef bei Aberdeen Immobilien in Frankfurt, vergleicht Dubai mit dem „Ost-Immobilienboom im wiedervereinigten Deutschland“. In den frühen Neunzigerjahren wie heute war es im Wesentlichen Eigenkapital aus der Nachbarschaft – hier westdeutsche Ersparnisse, da Geld aus der arabischen Welt – das verbaut wurde. Kredite spielten nur eine untergeordnete Rolle. Tröstlich: Es gibt deshalb wohl kaum Dubai-Hypotheken, die verbrieft, neugebündelt und weltweit verhökert wurden, so wie die folgenschweren Subprime-Kredite in den USA.

Gemessen an den Billionen-Verlusten der US-Hypothekenkrise, ist Dubai kein GAU, sondern allenfalls ein Störfall: 26 Milliarden Dollar müssen umgeschuldet werden. Selbst wenn – was unwahrscheinlich ist – die gesamte Summe platzen würden, wäre die Belastung gering. Die Auslandsschulden der Vereinigten Arabischen Emirate insgesamt sind mit 123 Milliarden Dollar überschaubar, zumal dem milliardenschweres Vermögen gegenübersteht. Allein der Staatsfonds von Abu Dhabi hält Beteiligungen über 500 bis 600 Milliarden Dollar. Der Nahe Osten insgesamt hat – dem Öl sei Dank – öffentliche und private Schulden in Höhe von nur acht Prozent seiner jährlichen Wirtschaftsleistung, aber Reserven in Höhe von 22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also einen Überschuss. Von solchen Quoten können EU-Staaten und die USA nur träumen.

Der Staat klinkt sich aus

Als Auslöser einer weltweiten Krise tauge Dubai World nicht, dazu seien die Probleme „zu klein, zu begrenzt“, meint Pierre Cailleteau, Analyst der Ratingagentur Moody’s. Dennoch sei die Nervosität nicht unbegründet. Dass ein Staat ein Staatsunternehmen nicht stützen wolle, „könnte der Beginn der globalen Ausstiegsstrategien sein“, sagt Cailleteau: „Nach einer Phase beispiellos umfassender staatlicher Garantien erleben wir nun eine Rückkehr zur Normalität.“ Nur weil Dubai World dem Staat gehört, ging der Schock diesmal so tief. „Dass zwei saudische Holdings mit 15 bis 20 Milliarden Dollar Schulden ihre Anleihen nicht mehr bedienten, hat in Europa im Juni dagegen fast niemanden interessiert“, sagt die Frankfurter Fondsmanagerin Elisabeth Weisenhorn.

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