Solarbranche Der Strippenzieher von Solar Millennium

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Interne Unterlagen: Kuhn bekam umfassende Beratungsaufgaben übertragen - zu Tagessätzen von 200

Möglicherweise gibt es auch eine Verbindung zwischen Rückzahlung und „Anpassung“ des Vertrags einerseits und dem Rücktritt von Utz Claassen als Solar-Millennium-Chef andererseits. Der frühere EnBW-Vorstandsvorsitzende Claassen hatte sein Amt bei Solar Millennium Mitte März wegen Differenzen zu „Kultur und Corporate Governance des Unternehmens“ überraschend niedergelegt. Claassen und das Unternehmen wollten sich dazu nicht äußern.

470.000 Euro der bis Oktober 2007 insgesamt gezahlten 800.000 Euro Honorare kassierte ein Dubaier Tochterunternehmen der von Kuhn geführten Balance für die angebliche Vermittlung von Investoren. Rund 330.000 Euro flossen an Ba-lance selbst für Beratung, aber auch für die Erstellung von Jahresabschlüssen.

Das im vergangenen Jahr zunächst ausgezahlte und dann vorläufig zurückgezahlte Geld gab es vor allem für die „Neuausrichtung in den USA“. Mit dieser Neuausrichtung hatte der Vorstand von Solar Millennium Kuhn laut einem „Nachtrag zum Entsendevertrag“ vom 24. September 2009 schon im Oktober 2008 beauftragt. Der Aufsichtsrat stimmte diesem Nachtrag – bei Enthaltung Kuhns – einstimmig zu.

Wichtiger US-Markt

Für Solar Millennium ist der US-Markt enorm wichtig, hier will das Unternehmen noch bis Jahresende mit dem Bau eines Solarthermiekraftwerks starten. Die Zeit drängt, da umfassende Kapitalspritzen aus dem amerikanischen Konjunkturprogramm voraussichtlich nur gewährt werden, wenn der Bau noch in diesem Jahr startet. Mit mehr als einer Milliarde Dollar Auftragswert sind die US-Projekte um ein Vielfaches größer als die bislang vom Unternehmen realisierten spanischen Kraftwerke.

Umso erstaunlicher ist es, dass nicht der Vorstand, sondern ein Aufsichtsrat die Strategie für den so wichtigen US-Markt entwickeln sollte. Zumal Kuhns „Tätigkeitsnachweis“ – eine Liste der Termine und Aktivitäten, die er dem Unternehmen am 30. September 2009 in Rechnung gestellt hat – zeigt, dass seine Aufgaben umfassend waren. Zwar enthält die Liste teilweise nur spärliche Angaben („Besprechung Essen“, „diverse Telefonate“), führt aber auch reihenweise Managementaufgaben an.

So traf sich Kuhn Dutzende Male mit leitenden Mitarbeitern des Kooperationspartners Ferrostaal, um die gemeinsamen Aktivitäten zu planen. Er besprach sich teilweise mehrmals wöchentlich mit dem späteren USA-Geschäftsführer Uwe Schmidt („US“), strukturierte den geplanten Auftritt in den Vereinigten Staaten und entwickelte die Anteilseignerstruktur beim spanischen Kraftwerk Andasol 3 („Konsortialstruktur Andasol 3“). Auch „Vertragsverhandlungen“ und „Verhandlungen“ weist die Liste aus.

Ein ehemaliger Mitarbeiter, der in leitender Position an Projekten von Solar Millennium beteiligt war, berichtet, dass Kuhn seit Jahren „die graue Eminenz“ bei Solar Millennium sei.

Bankenprofessor als Aushängeschild

Auch die Idee, über eine neue Gesellschaft, Solar Millennium Invest, Geld für weitere Solarthermiekraftwerke einzusammeln, soll von ihm stammen. Er selbst sagt dazu nur: „Der Erfolg hat viele Väter.“ Der TV-bekannte Bankenprofessor Wolfgang Gerke hält 45 Prozent der neuen Gesellschaft und ist deren Aushängeschild.

Kuhn und Gerke kennen sich seit Jahren. Die von Kuhn geführte Balance AG Steuerberatungsgesellschaft beriet früher Gerkes Beteiligungsgesellschaft Audire. Audire investierte ursprünglich in das Sprachtechnologieunternehmen Castel-Care. Kurz vor der Marktreife suchte Gerke weitere Investoren und bat Balance um Hilfe. Doch es fanden sich keine weiteren Geldgeber. Castel-Care rutschte 2004 in die Insolvenz. Nun wollen Gerke und Kuhn mit  Solar Millennium Invest ihren Geschäftsbeziehungen offensichtlich ein erfreulicheres Kapitel hinzufügen.

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