Falsche Schufa-Auskunft Der Bonitätskrieg und wie Kreditnehmer ihn gewinnen

Falsche Schufa-Einträge können erheblichen Schaden anrichten, wie ein aktueller Fall zeigt. Was Banken und die Schufa dürfen, wie sich Kreditnehmer wehren und fehlerhafte Bonitätsauskünfte korrigieren.

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Was Sie über die Schufa wissen müssen
Schufa-Logo Quelle: dpa
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18,50 Euro
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An einem Februartag morgens um halb zehn betreten Paul Scherer und sein Anwalt vor Gerichtssaal 135 des Landgerichts Dortmund. Scherer hat gegen die BHW Bausparkasse geklagt, es geht um nicht weniger als eine Schadenersatzforderung in einer Größenordnung von 100.000 Euro, die er von der BHW fordert. Und er rechnet sich gute Chancen aus.

Der Grund: Scherer macht die BHW für einen falschen Schufa-Eintrag verantwortlich, durch den ihm ein vielversprechendes Immobiliengeschäft letztlich entging. Beim anberaumten Gütetermin am Landgericht sollte nun die Sachlage geklärt werden sowie Kläger und Beklagter Gelegenheit erhalten, die Chancen für einen Vergleich auszuloten. Normalerweise gleichen solche Verfahren dem Kampf von David gegen Goliath.

Die Richter beginnen die Verhandlung mit einer Schilderung der Fakten, wie sie sich aus der Aktenlage ergibt. Scherers Ärger hat seinen Ursprung im Jahr 2008. Damals löste er zwei Kredite bei der BHW über eine Gesamtsumme von 650.000 Euro durch Zahlung der verbliebenen Restschuld von gut 300.000 Euro ab – genauso, wie es die BHW zur Ablösung der Kredite berechnet hatte. Die Sache schien erledigt, doch drei Wochen später forderte die BHW von Scherer aufgrund einer angeblichen Falschberechnung eine Nachzahlung von etwa 1800 Euro.

Was die Schufa speichert – und was nicht

Den Nachweis, dass die Forderung berechtigt ist, blieb die BHW nach Ansicht von Paul Scherer bisher schuldig. Den Schilderungen des Richters zufolge ging es in den Folgejahren kaum nachvollziehbar hin und her, Geld wurde abgebucht und zurückgebucht, es gab Telefonate und Korrespondenz zwischen den ehemaligen Vertragsparteien, es wurde neu gerechnet und gemahnt. Durch den Gerichtssaal schwirren Daten, Termine und Behauptungen, die den Streit um die gemessen am Kreditvolumen geringe Forderung absurd erscheinen lassen.

Den Schilderungen zufolge blieb Scherer hart, er weigerte sich standhaft zu zahlen, weil ihm die Forderung nicht plausibel erschien. Er hatte ja alles zurückbezahlt. Die Bausparkasse hingegen beharrte weiter auf ihrer Forderung, schaltete irgendwann ein Inkasso-Unternehmen ein und meldete im September 2011 ein Zahlungsversäumnis an die Schufa – mit ungeahnten Folgen.

Plötzlich schlechter Schuldner

Den Schufa-Eintrag bemerkte Scherer, weil er nach Einschaltung des Inkasso-Unternehmens seine Schufa-Auskunft anforderte. Die Aufforderung seines Anwalts vom Dezember 2011, den Schufa-Eintrag von vor den Weihnachtsfeiertagen zu löschen, blieb unbeantwortet. Als er im Juni 2012 ein günstiges Mehrfamilienhaus in begehrter Wohnlage im Dortmunder Süden kaufen wollte und bei der örtlichen Commerzbank um eine Finanzierung der Immobilie bat, schlug der der negative Schufa-Eintrag voll durch. Seine Kreditanfrage lehnte die Commerzbank mit dem Hinweis darauf ab. Seine Bonität – so ein Banker sinngemäß zu Scherer – wäre mit so einem Eintrag gleich null. Auch andere Banken verweigerten aus gleichem Grund ein Kreditangebot.

Nachdem Scherer klar wurde, dass der negative Schufa-Eintrag noch immer bestand, beschwerte er sich per Anwalt darüber bei der BHW erneut und forderte die Löschung desselben. Diesmal reagierte die BHW prompt. Insgesamt hat es jedoch gut neun Monaten gedauert, bis die BHW den negativen Eintrag löschen ließ. Zugleich gab sie bekannt, die offene Forderung nicht weiter zu verfolgen.

Scherer aber klagt auf Schadenersatz, weil das Miethaus zum Schnäppchenpreis – es sollte nur die neunfache Jahresmieteinnahme kosten - wegen der fehlenden Finanzierungszusage an einen anderen Käufer ging, obwohl er sich mit dem Verkäufer bereits einig gewesen war. Er macht nun die verpassten Mietrenditen sowie den entgangenen Vermögenszuwachs durch die inzwischen deutlich gestiegenen Immobilienpreise geltend.

*Name von der Redaktion geändert

Ohne Ankündigung ist ein Schufa-Eintrag gesetzwidrig

Die vorläufige Einschätzung des Landgerichts beim Gütetermin, also noch vor einem ordentlichen Beweisaufnahmeverfahren, fiel immerhin zugunsten des Klägers aus. Zwar wäre zunächst gerichtlich zu klären, ob und in welchem Umfang die Zahlungsforderung der BHW berechtigt war oder nicht. Die Richter sehen einen Schadenersatzanspruch aber unabhängig davon als gegeben an, weil die BHW Bausparkasse die gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen an eine Schufa-Meldung offenkundig missachtet hat. So die erste Einschätzung des Gerichts aufgrund der eingereichten Schriftsätze.

Paragraph 28a des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) regelt, unter welchen Voraussetzungen personenbezogene Daten an Auskunfteien wie die Schufa übertragen werden dürfen. Der Absatz stellt klar, dass ein Schufa-Eintrag nur erfolgen darf, wenn der Betroffene mindestens zweimal angemahnt wurde, die Forderung zu begleichen. Spätestens vier Wochen vor einem Schufa-Eintrag muss der Gläubiger explizit darauf hingewiesen haben, dass bei Nichtzahlung eine Schufa-Meldung erfolgt. Das hatte die BHW definitiv versäumt.

Diese Fristen gelten bei Löschung von Schufa-Daten

„Aber selbst wenn die Warnung erfolgt wäre, hätte die Schufa-Meldung nie erfolgen dürfen“, sagt Scherers Anwalt Thomas Kubatta. „Es hätte einer unstreitigen oder titulierten und damit pfändbaren Forderung bedurft.“ Einen gerichtlichen Forderungstitel hat es jedoch nie gegeben. Nach der Aufforderung zur Löschung des Schufa-Eintrags dauerte es dennoch neun Monate, bis die Bausparkasse dem nachkam.

Der lange Weg zur Löschung

Ob die offene Forderung der BHW damit auch vom Tisch war, wollten Scherer und sein Anwalt dennoch separat geklärt wissen, um keinen neuerlichen Schufa-Eintrag zu riskieren. Denn was im Wortlaut in der Schufa-Meldung stand, war nach der Löschung nicht mehr feststellbar. „Erst nachdem wir mit einer negativen Feststellungsklage gedroht haben, bei der ein Gericht hätte feststellen können, dass die Forderung gegenstandslos ist, hat die BHW ihre Ansprüche fallen lassen und uns das auch bestätigt“, berichtet Anwalt Kubatta.

Entsprechend hielten nun die Richter am Landgericht fest, dass zum Zeitpunkt der Eilmeldung an die Schufa die Forderung keinesfalls unstreitig war. Zusammen mit den versäumten Mahnungen sei ein Schadenersatzanspruch des Klägers daher „dem Grunde nach gegeben“, so das Gericht. Die Anwältin der BHW ging in die Defensive, offenbar habe sie nicht alle Informationen von ihrer Mandantin erhalten. „Verbuchen Sie das als Etappensieg“, sagten die Richter zu Scherer und seinem Anwalt. Sollte jedoch keine gütliche Einigung möglich sein, würde auf die Beteiligen ein zeit- und kostenintensives Gerichtsverfahren zukommen.

Wie Sie herausfinden, was Auskunfteien über Sie speichern

Nach Auskunft der Schufa-Zentrale in Wiesbaden erreichen die Auskunftei um die 350.000 Meldungen und Anfragen täglich. Sie kommen vor allem von Banken, Finanzdienstleistern, Händlern und Telekommunikationsunternehmen. Für ihre 9000 Vertragspartner erfasst die Schufa unter anderem die Daten von 66 Millionen Personen. Für die Korrektheit der Informationen sind laut Gesetz die meldenden Unternehmen verantwortlich, die Schufa verifiziert sie nicht.

Die Schufa ist lediglich die Sammelstelle für die ihr geschickten Daten. „Unsere Vertragspartner sind zugleich Lieferanten und Empfänger der Informationen. Insofern haben die angeschlossenen Unternehmen, Verbraucher und die Schufa selbst ein identisches Interesse an korrekten und aktuellen Daten“, sagt Schufa-Sprecher Ingo Koch. „Wenn wir Hinweise auf mögliche Fehler erhalten, nehmen wir diese sehr ernst und gehen ihnen umgehend nach.“ Sofern eine Korrektur erforderlich sei, erfolge diese in der Regel binnen 24 Stunden.

Fehler aufspüren, kreditwürdig bleiben

Eine Untersuchung der GP Forschungsgruppe vom Mai 2015, die auf einem Symposium des Bundesjustizministerium vorgestellt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass jede vierte Schufa-Auskunft fehlerhaft ist. Das ergab eine Verbraucherumfrage zu deren Schufa-Auskünften. Die meisten Fehler sind jedoch eher harmloser Natur. Ein Drittel der Befragten bemängelte die unterbliebene Löschung bereits abbezahlter Kredite oder beendeter Verträge. Allerdings dürfte den meisten Befragten dabei nicht klar gewesen sein, dass es gesetzlich geregelte Speicherfristen gibt, die vorsehen, dass zum Beispiel abgelöste Kredite noch drei Jahre gespeichert bleiben. Relativ häufig sind auch fehlerhafte Angaben zu Bank- und Kreditdaten oder falsche Adressen. Fehlerhafte Angaben zu Gläubigerforderungen kritisierten nicht ganz neun Prozent der Befragten.

Ein systematischer Missbrauch sei jedenfalls nicht erkennbar und auch nicht im Interesse der Vertragspartner, heißt es bei der Schufa. „Die seit vielen Jahren konstant hohe Rückzahlungsquote von 97,5 Prozent ist ein Beleg für die Qualität der Auskünfte“, so Koch. Zu mehr als 90 Prozent der gespeicherten Personen lägen ausschließlich positive Informationen vor. Auf ihrer Basis berechnet die Auskunftei einen Schufa-Score, der anhand von Vergleichsgruppen die Rückzahlungswahrscheinlichkeit für ein Kreditgeschäft angibt. „2014 hatte der Ombudsmann der Schufa, der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier, nur in 18 der an ihn herangetragenen Fälle Anlass, eine Korrektur vornehmen zu lassen“, sagt Schufa-Sprecher Koch.

Diese Daten verwendet die Schufa in ihrem Score

Weit schlimmer als bei den meisten fehlerhaften Schufa-Informationen ist es, wenn durch sie der Eindruck entsteht, jemand könne seine offenen Rechnungen oder fällige Kreditraten nicht begleichen. Damit ist dieser Verbraucher als Kunde für Kreditgeber verbrannt, er gilt als quasi als insolvent.

Was Betroffene tun können

Um gegen derlei Fehler in der Schufa-Auskunft vorzugehen, können Betroffene verschiedene Wege beschreiten. Zum einen können sie sich bei der Schufa melden. Sie wird wenn möglich alle Fragen klären und auch auf den Veranlasser eines Falscheintrags zugehen.

Grundsätzlich können sich Verbraucher auch direkt an die Bank oder das Unternehmen wenden, das den Eintrag verursacht hat. Wem der Schufa-Eintrag nicht vier Wochen vorher angemahnt wurde, hat der Betroffene in jedem Fall das Recht auf seiner Seite und sollte bei verhärteten Fronten auch einen Anwalt einschalten.

Wer sich lieber außergerichtlich und ohne die Gefahr hoher Anwalts- und Prozesskoste wehren möchte, kann sich zudem an den Ombudsmann der Schufa wenden. Ihn einzuschalten kostet nichts, sein Schiedsspruch wird von der Schufa in aller Regel akzeptiert werden. Leider bieten die vier anderen Auskunfteien auf dem deutschen Markt (Creditreform Boniversum, Bürgel, Deltaivsta, Infoscore)keinen eigenen Ombudsmann, so dass dort im schlimmsten Fall nur der Rechtsweg bleibt.

Grundsätzlich raten Verbraucherschützer allen Kreditnehmern dazu, wenigstens einmal im Jahr eine kostenlose Selbstauskunft bei der Schufa oder deren Wettbewerbern einzuholen um die Daten zu überprüfen. Denn nur so sei gewährleistet, dass fehlerhafte Einträge frühzeitig auffallen – und nicht erst, wenn schnell ein Kredit her muss.

Paul Scherer hätte vielleicht schneller und vehementer gegen den falschen Schufa-Eintrag vorgehen können – der einzige Vorwurf, dem man im Nachhinein wohl machen kann. Heute kann er nicht einmal den Wortlaut des falschen Schufa-Eintrags nachvollziehen, da dieser letzten Ende so gelöscht worden ist, als habe es ihn nie gegeben.

Vor den Richtern in Dortmund spielte das jedoch keine Rolle. Der sicherlich ungewöhnliche Einzelfall vor dem Landgericht zeigt, dass ein falscher Schufa-Eintrag schmerzhafte Folgen nach sich ziehen kann. Scherers Anwalt Kubatta hofft auf Schadenersatz in sechsstelliger Höhe. Die Anwältin der BHW bot beim Gütetermin nur 5000 Euro. Ein langer Streit um die Höhe des Schadenersatzes zeichnet sich ab. Und das alles wegen einer umstrittenen Forderung von nicht einmal einem Prozent der Restschuld aus zwei Krediten. Viel lieber würde Scherer heute das entgangene Mietshaus sein eigen nennen.

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