„Alle Fakten liegen auf dem Tisch. Das ist die entscheidende mündliche Verhandlung“, sagt Rechtsanwalt Andreas Tilp. Seine Kanzlei aus Kirchentellinsfurt bei Tübingen vertritt den Musterkläger gegen die Deutsche Telekom. In dem Musterverfahren soll geklärt werden, ob die Deutsche Telekom im Börsenprospekt zu ihrer dritten Aktienplatzierung im Juni 2000, bezeichnet mit dem Kürzel DT3, Risiken verschwiegen und mit unrichtigen Angaben die Aktionäre getäuscht hat. Das Ergebnis des Verfahrens hat unmittelbare Auswirkungen auf die Klagen von 17.000 Telekom-Aktionären, die den Konzern auf Schadenersatz verklagt haben.
Das Musterverfahren zieht sich seit geraumer Zeit: der erste Verhandlungstag war im April 2008, die letzte mündliche Verhandlung hat am 15. Dezember 2010 stattgefunden. Es war der 16. Verhandlungstag, noch dazu unter neuem richterlichen Vorsitz durch Birgitta Schier-Ammann, die nach einjähriger Verfahrenspause die Aufgabe übernahm, weil ihr Vorgänger in den Ruhestand ging. Und am Ende diese 16. Verhandlungstages sah es eher schlecht für die 17.000 Kläger aus. Seither gingen nur noch Schriftsätze hin und her. An diesem Mittwoch, 25. Januar, ist die voraussichtlich letzte mündliche Verhandlungstag im Musterprozess.
Die anfangs zentralen Vorwürfe des Klägers, die Telekom habe in ihrem Verkaufsprospekt ihre Immobilien zu hoch bewertet und die Übernahme des US-Mobilfunkanbieters Voicestream zu spät bekanntgegeben, waren am letzten Verhandlungstag von der Richterin recht deutlich zurückgewiesen worden. Nur zwei erst nachträglich erhobene Vorwürfe muss das Gericht noch prüfen. Sie sind das zentrale Thema der morgigen Verhandlung. Rechtsanwalt Tilp sieht in diesen offenen Punkten jedoch den Wendepunkt für die Kläger und rechnet sich gute Chancen aus, den Prozess doch noch zu gewinnen.
Es geht einerseits um den Vorwurf, die Telekom habe in ihrem Börsenprospekt von einem „Verkauf“ der US-Tochter Sprint im Volumen von 8,2 Milliarden Euro geschrieben. Tatsächlich hat die Deutsche Telekom ihre Tochter Sprint laut Richterin Schier-Ammann nicht verkauft, sondern innerhalb des Konzerns umgehängt, es sei demnach eine „Einbringung“. Von den 8,2 Milliarden Euro, mit denen die Transaktion seinerzeit bewertet wurde, musste die Telekom später Wertberichtigungen im Volumen von 6,6 Milliarden Euro vornehmen. Somit verblieben von den 8,2 Milliarden Euro nur 1,6 Milliarden Euro in der Telekom-Bilanz.