Rein rechtlich
Aber wer häufig fehlt, riskiert im Ernstfall seinen Arbeitsplatz. Quelle: imago images

Wenn der Krankheitsfall zum Jobrisiko wird

Die Zahl der Fehltage von Arbeitnehmern ist 2018 gestiegen. Die Unternehmen kostet das Milliarden. Kranke sind gesetzlich geschützt. Aber wer häufig fehlt, riskiert im Ernstfall seinen Arbeitsplatz. Arbeitsrechtsexpertin Claudia Posluschny von Norton Rose Fulbright erklärt die Regeln für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

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Krankheitsbedingte Ausfälle von Arbeitnehmern sind für Arbeitgeber eine alltägliche Herausforderung. Durch die Entgeltfortzahlungspflicht wird das wirtschaftliche Risiko einer Erkrankung weitestgehend auf den Arbeitgeber verlagert. Besonders heikel wird es, wenn ein Mitarbeiter sehr lange oder immer wieder fehlt. In solchen Fällen kann auch eine Kündigung gerechtfertigt sein.

Die gesetzlichen Pflichten im Krankheitsfall sind eigentlich überschaubar und klar. Gleichwohl kommt es immer wieder zu – vermeidbaren – Fehlern, die arbeitsrechtliche Konsequenzen haben können. Hier ein kurzer Überblick über die Regeln und was sie bedeuten.

Meldepflichten des Arbeitnehmers

Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz muss sich ein Arbeitnehmer unverzüglich beim Arbeitgeber arbeitsunfähig melden, wenn er krank ist und nicht zur Arbeit kommen kann – am besten also vor Beginn der Arbeitszeit. Macht der Arbeitgeber keine Vorgaben, so steht es dem Angestellten frei, ob er sich telefonisch, per Fax oder per E-Mail krank meldet. Die Meldung kann an die Personalabteilung oder den Vorgesetzten gerichtet werden. Aber Vorsicht: Nur den Kollegen Bescheid zu geben, reicht nicht aus!

Nachweispflichten des Arbeitnehmers

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, muss der Arbeitnehmer spätestens am vierten Tag ein ärztliches Attest vorlegen. Der Arbeitgeber kann dies aber auch schon früher verlangen. Hierfür bedarf es keiner gesonderten Rechtfertigung, es empfiehlt sich aber eine ausdrückliche Klarstellung.

Die Art und Ursache der Erkrankung muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nur dann mitteilen, wenn der Arbeitgeber hieran ein berechtigtes Interesse hat. Dies ist z. B. der Fall bei einer ansteckenden Erkrankung oder falls Dritte die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers verursacht haben. Denn dann kann der Arbeitgeber Ansprüche gegenüber den Verursachern geltend machen. Im Regelfall muss der Arbeitnehmer aber Fragen des Arbeitgebers nach der Krankheitsursache nicht beantworten.

Fehler können Konsequenzen haben

Meldet sich ein Arbeitnehmer zu spät krank oder wird ein ärztliches Attest nicht rechtzeitig vorgelegt, droht eine Abmahnung. Denn Fehler bei der Melde- oder Nachweispflicht sind ein Pflichtenverstoß. Passieren solche Fehler häufiger und mahnt der Arbeitgeber konsequent ab, kann dies den Arbeitnehmer auch den Arbeitsplatz kosten. Der Arbeitgeber hat zudem das Recht, die Zahlung des Gehalts so lange zu verweigern, bis der Arbeitnehmer seiner Pflicht zur Vorlage eines ärztlichen Attestes nachkommt.

Entgeltfortzahlung hat Grenzen

Arbeitgeber sind verpflichtet, über einen Zeitraum von sechs Wochen pro Krankheitsfall das Gehalt weiter zu zahlen. Reicht der Arbeitnehmer unmittelbar nach Ablauf dieser sechs Wochen eine neue Erstbescheinigung ein, sollten Arbeitgeber aber genau hinsehen: Das Bundesarbeitsgericht hat nämlich entschieden, dass der Anspruch auf Fortzahlung des Gehaltes selbst dann auf die Dauer von (nur) sechs Wochen beschränkt bleibt, wenn während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Erkrankung auftritt.

Dieser sogenannte Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls führt zu einer Beweislastumkehr. Im Zweifel muss der Arbeitnehmer den von ihm behaupteten Beginn der neuen Krankheitsursache beweisen. Denn ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht nur dann, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, in dem die neue Erkrankung auftrat.

Hohes Schutzniveau für Arbeitnehmer

Grundsätzlich ist und bleibt es aber für Arbeitgeber schwer, gegen Arbeitnehmer vorzugehen, die im Verdacht stehen, „blau“ zu machen, also trotz Arbeitsfähigkeit zuhause bleiben. Auch wenn in der Praxis Krankschreibungen häufig viel zu schnell ausgestellt werden, hat das ärztliche Attest noch immer einen hohen Beweiswert.

Standardisierte Krankenrückkehrgespräche können helfen, häufige Kurzerkrankungen zu minimieren. Auch die Pflicht zur Vorlage eines ärztlichen Attestes bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit kann Fehlzeiten im Einzelfall reduzieren.

Ein gutes Arbeitsklima und eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen sind letztlich jedoch das wohl wirksamste Mittel gegen eine hohe Krankheitsrate im Betrieb.

Lange Fehlzeiten sind Kündigungsgrund

Während es Arbeitnehmer gibt, die sich auch krank zur Arbeit schleppen, gibt es in Einzelfällen immer wieder auch Arbeitnehmer, die mit 50 und mehr Fehltagen im Jahr die gesetzlichen Schutzmechanismen ausreizen. Die „Spitzenreiter“ in der Fehlstatistik waren auch 2018 wieder Rückenschmerzen, Atemwegsbeschwerden und psychische Erkrankungen.

Fehlt ein Mitarbeiter mehrere Jahre in Folge über sechs Wochen pro Jahr, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Derartig häufige Kurzerkrankungen führen zu hohen Entgeltfortzahlungskosten, die Gerichte als erhebliche Beeinträchtigung arbeitgeberseitiger Interessen werten. Voraussetzung ist dabei aber auch, dass die ärztliche Prognose keine wirkliche Besserung in Aussicht stellt. Dabei spielen auch weitere Faktoren eine Rolle, etwa die Ursache der Krankheit, wie lange der Mitarbeiter bereits beschäftigt wird, oder dessen Alter.

Wer also etwa wegen eines Bandscheibenvorfalls mehrfach oder länger ausfällt, sollte die ärztlich verordneten Rehabilitationsmaßnahmen ernst nehmen. Denn eine positive Prognose kann auch bei einer langen Fehlzeit dazu beitragen, den Arbeitsplatz zu sichern. Gleichzeitig können Arbeitgeber mit betriebsinternen Angeboten für Fitness und Entspannung sowie einem guten Konfliktmanagement dafür sorgen, krankheitsbedingte Ausfälle in der Belegschaft zu reduzieren. Davon profitieren am Ende beide Seiten.

Claudia Posluschny ist Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Norton Rose Fulbright in München. Sie berät Unternehmen in sämtlichen arbeitsrechtlichen Belangen, von Restrukturierungen, nationalen und internationalen Transaktionen bis hin zu arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten. Daneben unterstützt sie laufend Personalleiter und Geschäftsführer deutscher und internationaler Unternehmen bei arbeitsrechtlichen Themen.

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