Das Datenleck bei der Kanzlei Mossack Fonseca in Panama zeigt: Steuerhinterzieher leben gefährlich. Im Zeitalter der Digitalisierung sind Datendiebstähle ein Kinderspiel und damit eine ständige Bedrohung für sie.
Allerdings ist der Fiskus nicht mehr allein auf Datenverkäufer angewiesen. In den vergangenen Jahren hat die Staatengemeinschaft den Druck auf Steueroasen sukzessive erhöht – und viele von ihnen erfolgreich gezwungen, ihr strenges Bankgeheimnis aufzuweichen. So haben bis heute 80 Staaten das OECD-Abkommen zum „automatischen Informationsaustausch“ unterzeichnet – darunter einstige Trutzburgen von den Britischen Jungferninseln bis zur Schweiz. Mehr als 20 andere, etwa Singapur, haben ihre Unterschrift angekündigt. Einzige relevante Steueroase, die sich noch immer weigere, sei Panama, moniert OECD-Steuerchef Pascal Saint-Amans.
Umschichten ist kein Ausweg mehr
Banken in den am Informationsaustausch teilnehmenden Ländern liefern dem deutschen Fiskus künftig ungefragt Informationen über sämtliche Kapitalerträge, die Anleger aus Deutschland vor Ort einstreichen – seien es Zinsen, Dividenden, Aktiengewinne oder Versicherungserträge. In 55 Staaten werden die Erträge bereits dieses Jahr erfasst und 2017 geliefert, die übrigen steigen ein Jahr später ein.
Das müssen Sie zu den Panama Leaks wissen
Der "Süddeutschen Zeitung" sind nach eigenen Angaben umfassende Daten über Briefkastenfirmen zahlreicher Politiker zugespielt worden. Insgesamt gehe es um 11,5 Millionen Dokumente zu 214.000 Briefkastenfirmen, die von einer Kanzlei aus Panama gegründet worden seien. Die Dokumente würden ein detailliertes Bild darüber abgeben, wie diese Firma "Tag für Tag Sanktionsbrüche und Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche in Kauf nimmt". Es gebe Unterlagen über mutmaßliche Offshore-Firmen von zwölf aktuellen und früheren Staatschefs sowie Spuren zu Dutzenden weiteren Spitzenpolitikern, ihren Familien, engsten Beratern und Freunden. Zudem fänden sich fast 130 weitere Politiker aus aller Welt unter den Kunden der Kanzlei, darunter viele Minister. Zur Überblicksseite: www.panamapapers.de
Quelle: dpa/reuters
Die Unterlagen sollen E-Mails, Urkunden, Kontoauszüge, Passkopien und weitere Dokumente zu rund 214.000 Gesellschaften umfassen, vor allem in Panama und den Britischen Jungferninseln. Der Datensatz wurde der „Süddeutschen Zeitung“ von einer anonymen Quelle zugespielt. Die „Süddeutsche Zeitung“ teilte die Daten mit dem Internationalen Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) und Partnern auf der ganzen Welt. Etwa 370 Journalisten aus 78 Ländern haben im Zuge der Recherchen den Datenschatz aus rund 11,5 Millionen Dateien ausgewertet. Es handle sich um „ein gigantisches Leak in einer bislang nicht vorstellbaren Dimension von rund 2,6 Terabyte“.
Die Kanzlei Mossack Fonseca aus Panama bietet die Gründung und Verwaltung von Offshorefirmen an. Nach eigenen Angaben beschäftigt das Unternehmen über 500 Mitarbeiter auf der ganzen Welt. Die Kanzlei ist demnach in Belize, den Niederlanden, Costa Rica, Großbritannien, Malta, Hong Kong, Zypern, den Britischen Jungfern-Inseln, Bahamas, Panama, Anguilla, Seychellen, Samoa und den US-Bundesstaaten Nevada und Wyoming tätig.
Mossack Fonseca bietet zudem Rechtsberatung unter anderem in den Bereichen Finanzen, geistiges Eigentum und öffentliche Ausschreibungen an. Außerdem setzt die Kanzlei Treuhandfonds und private Stiftungen auf und verwaltet sie.
Gegründet wurde die Kanzlei 1977 von dem deutschstämmigen Rechtsanwalt Jürgen Mossack. 1986 tat er sich mit dem Panamaer Ramón Fonseca Mora zusammen. Der Anwalt, Schriftsteller und Politiker war bis vor kurzem Berater von Staatschef Juan Carlos Varela. Wegen Ermittlungen gegen Mossack Fonseca in Brasilien lässt er seine Beratertätigkeit derzeit ruhen.
Panama ist einer der wichtigsten Finanzplätze in Lateinamerika. Ein äußerst liberales Bankengesetz lockte zahlreiche Kreditinstitute nach Mittelamerika. Die Finanzkrise ging an Panama weitgehend vorbei und brachte dem Finanzplatz sogar zusätzliche Investitionen.
Nachdem sich die Schweiz zuletzt von ihrem Bankgeheimnis verabschiedet hatte, galt Panama vielen als neue Steueroase. Immer wieder gibt es Berichte über illegale Transaktionen. In den Achtzigerjahren war das Land das Bankenzentrum der kolumbianischen Drogenkartelle. Zuletzt bemühte sich Panama allerdings darum, dieses Image loswerden und sich als seriöser Finanzplatz zu positionieren.
So erließ die Regierung eine Reihe neuer Richtlinien für Banken, Versicherungen, Immobilienfirmen sowie Wertpapier- und Edelsteinbörsen. Im Februar strich der OECD-Arbeitskreis für Maßnahmen zur Geldwäschebekämpfung (Gafi) Panama von der grauen Liste, auf der Staaten geführt werden, die beim internationalen Austausch von Finanz- und Steuerinformationen noch hinterherhinken. Der Internationale Währungsfonds (IWF) lobt in seinem jüngsten Bericht die Stabilität des Bankensektors.
Anders als beim EU-internen Informationsaustausch seit 2005, der nur Zinsen betraf, können Schwarzgeldanleger dem Fiskus durch Umschichten also nicht mehr ohne Weiteres entkommen. Dafür dürften sie keine Kapitalerträge mehr einstreichen – etwa, indem sie Goldbarren oder Bargeld im Schließfach bunkern.
Aber selbst solche Aktionen wären nicht ungefährlich, weil Banken neben Erträgen auch Kontostände und Depotsalden melden. „Bei größeren Differenzen dürften Finanzbeamte hellhörig werden und nachhaken“, sagt Björn Demuth, Partner bei CMS Hasche Sigle in Stuttgart.
Gnadenfrist für Selbstanzeigen
Hartnäckigen Hinterziehern bleibt eine Gnadenfrist: Alle 2016 erzielten Erträge werden ab September 2017 ans Bundeszentralamt für Steuern geliefert, das sie danach an die „Wohnsitzfinanzämter“ weiterleitet. Erst dort gilt die Tat als entdeckt – und eine Selbstanzeige ist nicht mehr möglich.
Trödeln wäre dennoch riskant. Womöglich kursiert bereits eine CD mit Daten; zudem kann es Wochen dauern, um die Selbstanzeige vorzubereiten, weil die Bundesregierung die Vorgaben in den vergangenen Jahren verschärft hat. So müssen Steuerhinterzieher sämtliche Taten über zehn Jahre beichten und detaillierte Informationen liefern. Die meisten brauchen dabei Hilfe ihrer Bank, weil sie keine Unterlagen aufbewahrt haben.
Zudem ist seit Anfang 2015 ab einer hinterzogenen Summe von 25 000 Euro ein zehnprozentiger Strafzuschlag fällig, der schrittweise bis auf 20 Prozent steigt.
Allerdings dürften kaum sämtliche Schwarzgeld-Anleger aus der Deckung kommen. Denn der Informationsaustausch greift in vielen Fällen noch ins Leere: Wie der Skandal um Mossack Fonseca eindrucksvoll zeigt, führen die großen Fische ihre Offshore-Konten nicht im eigenen Namen – sie gründen Briefkastenfirmen oder Trusts, bei denen oft ein Anwalt vor Ort als vermeintlicher Eigentümer fungiert. Die Bank weiß dann gar nicht, dass der wahre „wirtschaftlich Berechtigte“ ein Ausländer ist. Und diese Gefahr besteht keineswegs nur in Panama: Auch etliche andere Länder haben laxe Gründungs- und Transparenzvorschriften, die solche Tricks ermöglichen.
Gravierende Defizite in Sachen „Verfügbarkeit von Eigentümer-Informationen“ konstatiert die Financial Action Task Force – die Anti-Geldwäsche-Einheit der OECD – etwa in der Schweiz, in Costa Rica, in Marokko und sogar in den EU-Staaten Rumänien und Polen.
Fortschritte bescheinigen die Experten dagegen anderen Ländern mit schlechtem Ruf – etwa den Britischen Jungferninseln, Gibraltar und Singapur („compliant“) sowie den Cayman Islands, Liechtenstein und Zypern („largely compliant“).
Auch im Bereich der Briefkastenfirmen geht es also voran.