Betriebliche Altersvorsorge Betriebsrente gerät in die Fänge der Politiker

Politiker und Versicherer wollen die betriebliche Altersvorsorge stärken, aber ein Allheilmittel ist die zweite Säule der Altersvorsorge nicht. Gesetzliche Eingriffe und niedrige Zinsen werden oft verschwiegen.

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Betriebliche Altersvorsorge ist Teil der Rente Quelle: Getty Images

Die zweite Säule soll populärer werden: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will die betriebliche Altersvorsorge (bAV) stärken, die sie für „den wichtigsten kapitalgedeckten Baustein in unserem Rentensystem hält“.

Das besteht aus der gesetzlichen Rente, die auch oft als erste Säule der Altersvorsorge bezeichnet wird, als zweite Säule gilt die betriebliche Rente, zu der normalerweise sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Beiträge leisten. Und wer darüber hinaus noch spart, schafft sich mit einer privaten Altersvorsorge ein drittes Rentenstandbein, für das er sich individuell entscheiden kann. Beliebte private Vorsorgeformen sind etwa die Riester-Rente, ein Investmentsparplan in Aktien- oder Mischfonds oder eine klassische Renten- oder Lebensversicherung.

Welche Dax-Konzerne am meisten Altersvorsorge zahlen
Die Finanzierungslage der betrieblichen Altersversorgung der Dax-Unternehmen hat sich 2013 positiv entwickelt. Die guten Renditen (5,1 Prozent) ließen die Pensionsvermögen auf 198 Milliarden Euro steigen. Im Vorjahr waren es noch 192 Milliarden, die Pensionsverpflichtungen drohten zur Gefahr für künftige Gewinne zu werden. 2013 sah es schon anders aus, nicht nur die Rücklagen stiegen, auch der Umfang der Pensionsverpflichtungen ist gesunken. Statt 314 Milliarden müssen die Konzerne nur noch 303 Milliarden Euro zahlen. Damit sind 65 Prozent der Pensionsverpflichtungen mit spezifischen Vermögenswerten bedeckt (Vorjahr: 61 Prozent). Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Pensionsvermögen und -verpflichtungen im DAX 2013“ der Unternehmensberatung Towers Watson. Sie basiert auf den Angaben in den Geschäftsberichten der 30 DAX-Unternehmen. Quelle: dpa
Bei Adidas klaffen allerdings noch große Lücken zwischen dem Vermögen, das 2013 für die betriebliche Altersvorsorge eingeplant war und dem, was ausbezahlt wurde. So betrug das Planvermögen des Sportartikelherstellers 83 Millionen Euro, wogegen die Verbindlichkeiten 325 Millionen Euro betrugen. Damit erreicht Adidas einen Ausfinanzierungsgrad von nur 26 Prozent - die Differenz musste aus anderen Quellen genommen werden. Immerhin: 2012 waren nur 24 Prozent der Pensionsverpflichtungen mit spezifischen Vermögenswerten bedeckt. Quelle: REUTERS
Der Versicherer Allianz kann sich dagegen über eine Deckung von 61 Prozent freuen. Das Planvermögen des Konzerns für die betriebliche Altersvorsorge beträgt 11,7 Milliarden Euro, demgegenüber stehen Verpflichtungen in Höhe von 19,1 Milliarden. Quelle: REUTERS
Mehr als 80, nämlich genau 83 Prozent Deckungsgrad, kann der Chemiekonzern BASF vorweisen. Das Unternehmen muss also nur noch 17 Prozent aus sonstigen Geldern nehmen, um die Lücke zwischen den Rücklagen in Höhe von 17,1 Milliarden und den Verpflichtungen von 20,7 Milliarden Euro zu schließen. Quelle: dpa
Auch Bayer erreicht mit 65 Prozent einen ganz ordentlichen Deckungsgrad. Bei dem Pharmaunternehmen stehen Ausgaben in Höhe 20,7 Milliarden Euro für die betriebliche Altersvorsorge einem Polster von 13,4 Milliarden Euro gegenüber. Quelle: dpa
Das erfolgreiche Anlage- und Risikomanagement "bringt den Unternehmen Rückenwind für die Überarbeitung ihrer betrieblichen Altersversorgung, die angesichts der demografischen Entwicklung stärker denn je auf die Agenda drängt", sagt Thomas Jasper, Leiter Retirement Solutions bei Towers Watson. Er erwartet, dass in den kommenden Jahren viele Unternehmen ihre Pensionswerke überarbeiten oder neu gestalten werden. Bei BMW kann man gelassen in die Zukunft schauen: Von 76 Prozent im Jahr 2012 wuchs der Deckungsgrad auf 85 Prozent an. 2013 hatte das Unternehmen ein Planvermögen von 13,5 Milliarden Euro, demgegenüber Pensionsansprüche in Höhe von 15,8 Milliarden Euro standen. Quelle: AP
Derzeit sieht nur jedes dritte Unternehmen in Deutschland sein Angebot an Mitarbeiterbenefits wie der Altersvorsorge gut für die Zukunft aufgestellt, wie eine im Februar veröffentlichte Umfrage der Economist Intelligence Unit (EIU) im Auftrag von Towers Watson ergab. Die Beiersdorf AG zahlte ihren Pensionären im letzten Jahr beispielsweise rund 1,3 Milliarden Euro an Altersvorsorge. Zurückgelegt hatte das Unternehmen für diesen Zweck allerdings nur 877 Millionen Euro. Quelle: dpa

Änderungen bei der Betriebsrente hat die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD bereits vor einem Jahr vereinbart und im Bundesarbeitsministerium wird jetzt an den Plänen gefeilt. Es soll nicht bei den 17 Millionen Arbeitnehmern bleiben, die bereits eine Betriebsrente haben. Denn seit 2002 haben zwar alle Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf eine Betriebsrente, sie müssen aber ihren Arbeitgeber selbst danach fragen.

13 Millionen potenzielle Kunden

Das haben offenbar viele der 13 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten noch nicht getan, die noch ohne betriebliche Vorsorge sind. Nach dem Willen der Politik soll sich das künftig ändern.

Derzeit sind rund 520 Milliarden Euro Vermögen angelegt, um die Betriebsrenten heute und in Zukunft zu finanzieren. Die Finanzbranche, also Fondsgesellschaften, Banken, Versicherungen und Beratungsunternehmen, die die Gelder der Betriebsrentner verwalten, erhoffen sich von den Änderungen noch mehr Geschäft. Mit fast täglich neuen Umfragen, Studien und Erklärungen zur Altersvorsorge versucht die Finanzlobby, die Bevölkerung für die Themen Altersarmut und die klaffende Rentenlücke zu sensibilisieren, damit mehr Verbraucher vorsorgen.

Bei der Betriebsrente müssen Arbeitnehmer allerdings das System wählen, das ihr Unternehmen anbietet. Es gibt fünf verschiedene Betriebsrenten-Systeme, auch Durchführungswege genannt, mit unterschiedlichen Chancen und Risiken.

Die Änderungspläne der Regierung zielen vor allem auf kleinere und mittelständische Unternehmen ab. Sie sollen ihren Arbeitnehmern einen einfacheren Zugang zur betrieblichen Altersvorsorge bieten können. Zudem sollen die Gewerkschaften mit den Arbeitgebern Versorgungseinrichtungen aufbauen können, die die Betriebsrenten managen.

Damit würden zwar beide ins Boot gezwungen, allerdings droht die Betriebsrente so auch zum Gegenstand von Tarifstreitereien zu werden. Als Vorbild für die Kooperation gilt die Metallrente, die vor 13 Jahren von den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden der Metallindustrie geschaffen wurde. Sie ist heute für die Branche die zentrale Versorgungseinrichtung für Betriebs- und Riester-Renten sowie den Berufsunfähigkeitsschutz geworden.

Europäische Vorbilder

In der aktuellen Diskussion tauchen immer wieder Ideen auf, die für Deutschland ein Zwangs-Modell befürworten, das andere europäische Länder bereits haben: Etwa in der Schweiz, in Dänemark und Großbritannien werden Arbeitnehmer automatisch in ein Betriebsrentensystem aufgenommen, wenn sie nicht widersprechen.

Die Begeisterung in der Politik für eine Zwangsrente ist offenbar begrenzt: Derzeit sind alle kapitalgedeckten Rentensysteme wegen der niedrigen Zinsen unter Druck. Und die Politiker wollen sich jetzt nicht für eine Anlage starkmachen, welche die Erwartungen dann nicht erfüllt. Durch die niedrigen Zinsen und die volatilen Aktienmärkte fällt es den Geldanlegern der Versicherer und Fondsgesellschaften immer schwerer, noch ansehnliche Renditen zu erwirtschaften und die eingezahlten Gelder vor Verlusten zu bewahren. Die Renditen auf die Einzahlungen sind jedoch je nach Betriebsrentenart unterschiedlich.

Schwache Rendite bei Versicherungsformen

Basiert die Betriebsrente auf einer Lebensversicherung, müssen strenge Anlagerichtlinien erfüllt werden, die die Geldanlage unflexibel machen.

Durch die Anlageverordnung sind Versicherer gezwungen, überwiegend in mager rentierende Zinspapiere zu investieren. Die laufende Verzinsung von zehn großen bAV-Versicherern liegt nach Angaben des Beratungsunternehmens Towers Watson noch zwischen drei und 3,6 Prozent in diesem Jahr. Das klingt zwar vergleichsweise üppig. Aber bei fünf Versicherern sind die Renditen schon um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr gesunken.

Diese Entwicklung dürfte weitergehen. Auch in diesem Jahr sind die Renditen, die Versicherer mit soliden und sicheren Anleihen erzielen können, weiter gefallen. Und renditestärkere Anlagen wie Aktien spielen bei der Geldanlage meist nur eine geringe Rolle mit Anteilen im unteren einstelligen Bereich.

Laufende Verzinsung wichtiger bAV-Versicherer

Höhere Chancen bei unabhängigen Pensionsfonds

Die großen Dax-Konzerne setzen bei den Pensionsvermögen für ihre Beschäftigten dagegen etwas stärker auf Aktien. Zwischen 25 und 30 Prozent der Geldanlage ihrer Betriebsrenten-Treuhandvermögen sind am Aktienmarkt investiert. Das Beratungsunternehmen Mercer erwartet, dass sich die Rücklagen für die Pensionssysteme der Dax-Unternehmen bis zum Jahresende auf rund 213 Milliarden Euro erhöhen werden. Allein durch die diversifizierte Geldanlage bei diesen Pensionssystemen ergibt sich laut Mercer eine Rendite für 2014 von etwa 7,5 Prozent - viel mehr, als bei Betriebsrenten erzielt wird, die auf einer Versicherungsleistung beruhen.

Vielen Deutschen droht die Altersarmut
Die Ergebnisse einer neuen Studie besorgniserregend. Es droht eine riesige Versorgungslücke und vielen Bürgern eine akute Altersarmut. Den künftigen Rentnern ist dies zwar durchaus bewusst, allerdings tun sie kaum etwas dagegen. Im Gegenteil: Mehr als ein Viertel der Befragten gab an, die Altersvorsorge komplett zu ignorieren. Das zeigt die Studie „Altersvorsorgereport: Deutschland 2014“ der Sparda-Bank in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Jens Kleine vom Research Center for Financial Services der Steinbeis-Hochschule. Sie gibt einen umfassenden Überblick zum deutschen Altersvorsorgemarkt vorgelegt. Quelle: IMAGO
Das private Vorsorgeverhalten lässt in Deutschland zu wünschen übrig. Die Mehrheit der Bürger will den gegenwärtigen Lebensstandard nicht für die Altersvorsorge einschränken. Dadurch entsteht laut den Berechnungen der Experten eine Versorgungslücke von mehr als 27.000 Euro. Neben einer möglichen Altersarmut des Einzelnen droht in der Gesellschaft ein Generationenkonflikt beim Streit um die Höhe der staatlichen Rente. Quelle: IMAGO
Verantwortlich für die Versorgungslücke sind neben dem Lebensstandard zu geringe finanzielle Möglichkeiten. Rund 75 Prozent der Deutschen fehlt schlichtweg das Geld, um privat vorzusorgen. Besonders betroffen sind dabei die Arbeiter. In dieser Berufsgruppe verfügen nur 19 Prozent über ausreichende finanzielle Spielräume für die private Altersvorsorge. Quelle: IMAGO
Diese Vorsorgeproblematik hat zur Folge, dass die ohnehin schon in der Gesellschaft bestehende Schere zwischen Arm und Reich im Alter noch größer wird. Menschen mit ausreichender Kapitalausstattung sind nämlich in der Lage zusätzlich 325 Euro in die private Altersvorsorge zu stecken. „Das soziale Ungleichgewicht wird sich im Alter weiter verschärfen. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung wird im Alter gut leben können, wohingegen ein wesentlich größerer Teil mit Einschränkungen oder gar Altersarmut zu kämpfen haben wird“, so Heinz Wings, Vorstandsvorsitzender der Sparda-Bank Hamburg. Quelle: IMAGO
Trotz dieser möglichen Scherenbildung herrscht insgesamt nur geringes Interesse für Altersvorsorge-Themen. Viele haken das Thema komplett ab – und das obwohl 82 Prozent der Befragten bewusst ist, dass eine rechtzeitige private Altersvorsorge notwendig ist, wenn der bestehende Lebensstandard im Alter fortgesetzt werden soll. Quelle: IMAGO
Neben dem Desinteresse spiegelte sich bei den Befragten auch Unkenntnis wider. Die Studie ergab, dass rund 73 Prozent der Bürger zwar von zu niedrigen Rentenansprüchen ausgeht, allerdings kennen auch weniger als die Hälfte deren tatsächliche Höhe. 50 Prozent der Deutschen hat zudem Angst im Alter vom Existenzminimum leben zu müssen. Vor allem junge Menschen treibt diese Angst um – was Wings zufolge ein gutes Ergebnis ist: „Dass die jungen Menschen die Bedeutung der Altersvorsorge erkannt haben, ist ein äußerst positives Zeichen. Sie haben jedenfalls vom Alter her noch Möglichkeiten, um ausreichend vorzusorgen.“ Quelle: IMAGO
Die Versorgungslücke von 27.000 Euro ergibt sich durch die Berechnung des durchschnittlichen Sparverhaltens. So wollen die Befragten bei Renteneintritt circa 96.000 Euro angespart haben. Doch hierfür legen die Bürger in einem Zeitraum von 21 Jahren im Monat lediglich 179 Euro im Monat zur Seite. Die Experten der Studie haben außerdem mit einem recht hohen Zinssatz von vier Prozent gerechnet. Alles zusammengerechnet – die Sparquote und der durchschnittliche Zinssatz – ergeben statt der anvisierten 96.000 nur 69.000 Euro. Quelle: IMAGO

Möglich ist die freie Geldanlage mit einem höheren Aktienanteil zum Beispiel in sogenannten Gruppentreuhandverträgen, denen sich mehrere und damit auch kleinere Unternehmen anschließen können. Beratungsunternehmen wie Mercer, Banken wie Metzler oder auch die Allianz bieten diese Form an. Durch die flexiblere Geldanlage können sie im aktuellen Niedrigzinsumfeld die Vorteile gegenüber einer reinen Versicherungslösung ausspielen und erzielen vielfach höhere Renditen. Je nach Ausgestaltung haben die Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Garantiezinsen oder feste Rentenzusagen. Da der Garantiezins bei Neuverträgen versicherungsbasierter Betriebsrenten wie auch anderen Lebensversicherungen ab Januar 2015 sowieso auf 1,25 Prozent auf den Sparanteil sinken wird, dürfte Sparern der Verzicht leicht fallen.

Auslaufmodell Garantiezins?

Angesichts der wegfallenden Garantien suchen Experten verzweifelt nach Ideen, um die bAV attraktiver zu machen. Eigentlich könnte sie eine effiziente Altersvorsorge sein, denn wenn viele Arbeitnehmer gemeinsam einen Vertrag abschließen, ist das theoretisch günstiger, als wenn jeder einen eigenen Vertrag hat und dafür Provision bezahlt.

Allerdings waren in der Vergangenheit viele Kleinbetriebe oder auch die Innungen von Handwerkern überfordert, die Fallstricke und tatsächlichen Kosten der Betriebsrentenverträge zu beurteilen, die ihnen von den Anbietern vorgesetzt wurden.

Die Betriebsrenten-Anbieter wollen sich aktuell am liebsten ganz vom Garantiezins lösen und Geldanlagen ohne jährliche Garantie bieten. Damit wäre der Weg frei für höhere Aktienanteile in der betrieblichen Altersvorsorge. Haben die Unternehmen allerdings feste Rentenzusagen gegeben, müssten sie bei fallenden Aktienkursen Geld nachschießen. Bei der Diskussion mit Bundesarbeitsministerin Nahles wird es auch um die Frage gehen, ob die Unternehmen für die Renten weniger haften müssen. Das Risiko würde damit auf den Arbeitnehmer verlagert.

Eingriff durch Gesetzgeber

Aber selbst eine gute Rendite löst nicht das Problem, das manchen Betriebsrentner erst bei der Auszahlung erwischt. Norbert L. Brodtmann, früherer Marketingchef bei einem Elektrokonzern, profitiert zwar von einer Betriebsrente, die er während seines Berufslebens durch eine Entgeltumwandlung angespart hat. Aber trotzdem sieht der Ex-Manager die betriebliche Altersvorsorge inzwischen sehr skeptisch. Er gehört zu denen, die durch Eingriffe von Politikern in bestehende Betriebsrentenverträge schlechte Erfahrungen gemacht haben. Im Sommer 2003 hatte der Bundestag das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) mit den Stimmen der damaligen Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD sowie den Grünen verabschiedet.

Wann die Europäer in Rente gehen
DeutschlandDie Arbeitnehmer in Deutschland sind nach Informationen der „Bild-Zeitung“ im vergangenen Jahr so spät in Rente gegangen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Gleichzeitig sanken die Abschläge wegen vorgezogenen Renteneintritts auf den niedrigsten Wert seit 2003, berichtet die Zeitung unter Berufung auf die neueste Rentenzugangsstatistik der Deutschen Rentenversicherung. Danach stieg das durchschnittliche Renteneintrittsalter der Männer 2012 von 60,9 auf 61,2 Jahre. Frauen gingen mit 61 (2011: 60,8) Jahren in Rente. Das waren die höchsten Werte seit mehr als 20 Jahren. Im Jahr 2000 wechselten Männer noch im Schnitt mit 59,8 Jahren aufs Altenteil, Frauen mit 60,5 Jahren. Quelle: dpa
FrankreichAuch in Frankreich ist das Renteneintrittsalter gestiegen: 2009 - vor der Anhebung der Altersgrenze - gingen die Franzosen noch mit durchschnittlich 59,3 Jahren in Pension, 2012 waren sie im Schnitt 62 Jahre und 2 Monate alt (2011: 61 Jahre und 11 Monate). Wer vor seinem 20 Lebensjahr angefangen hat zu arbeiten und in die Rentenkasse einzuzahlen, darf bereits mit 60 Jahren aufs Altenteil wechseln, ohne Abschläge befürchten zu müssen. Quelle: AP
Griechenland2012 haben sich die griechische Regierung und die Troika aus Europäischer Zentralbank, Europäischer Union und Internationalem Währungsfondsdarauf geeinigt, das Renteneintrittsalter in dem Schuldenstaat anzuheben. Seit dem gehen die Griechen - zumindest nach Plan - mit 67 statt wie zuvor mit 65 Jahren in den Ruhestand. 2011 betrug das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Griechenland 61,4 Jahre. Quelle: dpa
ItalienItalienische Frauen verbringen inzwischen durchschnittlich 27,3 Jahre im Ruhestand, Männer knapp 23. In Rente gehen die Italiener im Schnitt mit 60,8 Jahren. Wenn sie keine Abschläge hinnehmen wollen, müssten sie eigentlich bis 62 arbeiten. Quelle: AP
Spanien2011 hat sich auch die spanische Regierung angesichts eines gigantischen Schuldenberges dazu entschlossen, die Altersgrenze anzuheben: Wie auch in Deutschland und Griechenland soll das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre angehoben werden. Zuvor gingen die Spanier im Schnitt mit 62,6 statt 65 Jahren in Rente. Beschäftigte, die bereits 38,5 Jahre gearbeitet haben, haben allerdings weiterhin ab dem 65 Lebensjahr einen Anspruch auf volle Rentenbezüge. Quelle: dapd
GroßbritannienSeit 2011 gibt es in Großbritannien kein offizielles Rentenalter mehr. Die Briten können also selbst entscheiden, wann sie in den Ruhestand gehen. Zuvor konnten die Briten mit 60 Jahren (Frauen) beziehungsweise 65 Jahren (Männer) die Arbeit Arbeit sein lassen. Das tatsächliche Eintrittsalter lag vor der Abschaffung des Rentenalters bei 63,1 Jahren. Quelle: AP
IrlandDie Iren arbeiten am längsten: So müssen auf der grünen Insel Männer und Frauen noch bis 65 arbeiten und tun es auch - zumindest bis sie (im Durchschnitt) 64,1 Jahre alt werden. Wegen des Schuldenberges der grünen Insel erhöht die irische Regierung nun schrittweise das Rentenalter von 65 auf 68 Jahre. Quelle: AP

Wer freiwillig gesetzlich versichert ist oder Pflichtmitglied bei einer Krankenkasse, der zahlt seitdem auf die Auszahlung seiner betrieblichen Altersvorsorge den vollen Kassenbeitrag von 15,5 Prozent und noch 2,05 Prozent für die Pflegeversicherung.

Lockender Steuervorteil, ärgerlicher Kassenabzug

Gelockt wurde auch Brodtmann mit Steuervergünstigungen bei der Einzahlung: Zahlen Arbeitnehmer vier Prozent vom Bruttogehalt durch eine Entgeltumwandlung in eine betriebliche Altersvorsorge, müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer darauf keine Sozialabgaben oder Lohnsteuer zahlen. Die Steuervorteile bei der Einzahlung werden aber häufig durch hohe Krankenkassenabzüge bei der Auszahlung zunichte gemacht.

Brodtmann streitet sich derzeit mit seiner Techniker Krankenkasse vor Gericht um den Kassenabzug, da er nur Tantieme in die betriebliche Altersvorsorge eingezahlt hatte, die eigentlich als einmalige Sonderleistungen von dem Kassenabzug verschont bleiben sollten. Er warnt auch die heutigen Einzahler: „Der Staat steht nicht zu seinen Aussagen, heute wollen sie die Betriebsrente fördern, morgen greifen sie zu.“ Mit dem jetzt geplanten Gesetz verfolge die Regierung nur ein Ziel: „Sie versucht dem Mittelstand klarzumachen, dass er doch bitte selbst für die Rente seiner Arbeitnehmer vorsorgen soll, weil die gesetzliche Rente nichts mehr bringen wird“, vermutet er.

Private Altersvorsorge ist flexibler

Auch Peter Weber, ehemaliger Angestellter eines großen Hausgeräteherstellers und heutiger Rentner, ist von seiner Betriebsrente enttäuscht, nachdem auch ihm im laufenden Vertrag einfach der Kassenabzug aufgedrückt wurde. Weber hat ausgerechnet, dass ihm seine Einzahlungen in die Betriebsrente gerade mal 0,25 Prozent Rendite gebracht haben. Hätte er statt dessen eine normale Lebensversicherung abgeschlossen, wäre er besser gefahren, denn der Kassenabzug von mehr als 5000 Euro wäre ausgeblieben. Die Steuervorteile bei der Einzahlung zwar auch, aber die betrugen nur 1100 Euro.

Weber hofft auf ein Umdenken in der Politik bei der Neugestaltung der betrieblichen Altersvorsorge. Ohne einen Bestandsschutz für laufende Verträge sei der Arbeitnehmer der Parteien-Willkür ausgeliefert. Und dieses offensichtliche Unrecht mit massiven Vermögenseingriffen, werde auch von der Rechtsprechung kaum als solches gebrandmarkt. „Eines gilt mit Sicherheit auch in der Zukunft: Wenn der Staat Geld benötigt, wird er ohne Skrupel in die Taschen der Bürger greifen, Vertragsgrundlage bei der Betriebsrente hin oder her.“

Die Zukunft der gesetzlichen Rente ist grau. Wohltaten, die die Bundesregierung an aktuelle Rentner mit der Mütterrente und mit der Rente ab 63 verteilt hat, belasten das System zusätzlich. Die Zukunft der betrieblichen Vorsorge ist auch nicht rosig, wenn man weiß, dass die angesparten Vermögen zur Finanzierung der Sozialkassen herangezogen werden und zu häufig sehr renditeschwach sind. Findet die Bundesregierung hier keine überzeugenden Antworten, wird es ihr schwerfallen, heutige Arbeitnehmer für eine Betriebsrente zu gewinnen.

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