EIOPA-Boss „Wir verteidigen Europas Versicherungskunden“

EIOPA-Boss:

Der oberste EU-Versicherungsaufseher Gabriel Bernardino stilisiert sich als leidenschaftlicher Verbraucherschützer. Doch der Ehrgeiz europäischer Aufsichtsbehörden ist umstritten.

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Von seinem Büro im 25. Stock des Westhafenturms in Frankfurt hat Gabriel Bernardino einen perfekten Rundumblick auf die Akteure des Finanzwesens: Die gewagte Architektur der Wolkenkratzer des Bankenviertels, der futuristische Neubau der Europäischen Zentralbank, geerdet durch die nüchterne Betonfassade der Deutschen Bundesbank. Auf die gewohnte Nähe zum Wasser muss der gebürtige Lissabonner hier übrigens nicht verzichten, auch wenn die Binnenschifffahrt des Mainhafens in einer anderen Liga spielt als der Atlantik. Seit 2011 leitet der Mittfünfziger mit der massiven Statur und dem sympathischen Blick durch üppige Brillengläser Europas Aufsichtsbehörde über die Versicherungen und Pensionsfonds, EIOPA.

Beim Gespräch mit dem Frankfurter Journalistenclub ICFW setzt er sich als Kämpfer für den europäischen Verbraucher in Szene – eine Rolle, die man ihm angesichts seines kräftigen Nackens gern abnehmen will. „Wir sind dafür da, die europäischen Versicherungskunden zu verteidigen, und das werden wir tun“, sagt Bernardino.

Der Ehrgeiz der neuen europäischen Finanzaufsichtsbehörden kennt keine Grenzen. Neben der EU-Bankenaufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank sowie Bernardinos EIOPA wacht die ESMA mit Sitz in Paris über Europas Wertpapierhandel. Auch die in London beheimatete Bankenaufsicht EBA mischt im Konzert der neuen Finanzpolizisten mit, obwohl sie viel Einfluss an die EZB abgeben musste. Nach Plänen der EU-Kommission könnten die drei 2011 gegründeten ESA-Behörden EIOPA, ESMA und EBA künftig noch mehr Macht erhalten. Bei den parallel zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden ist der Plan jedoch umstritten.

So hat Bafin-Präsident Felix Hufeld im Mai die Idee scharf kritisiert, eine einheitliche EU-Aufsicht über die Versicherungsbranche und den Wertpapiermarkt zu etablieren. Bernardino dagegen steht hinter den Brüsseler Plänen, bei denen es seiner Auffassung nach nicht darum gehe, die Macht nationaler Behörden zu beschneiden. Stattdessen gehe es darum, nationale Risikomodelle gemeinsam zu diskutieren. Noch immer erhalte seine EIOPA nicht immer alle erforderlichen Informationen aus den Mitgliedsländern.

Der Markt für viele Finanzprodukte ist aus Sicht des EIOPA-Chefs trotz des gemeinsamen Binnenmarkts immer noch stark national zersplittert. So gebe es nur weniger als 80 grenzüberschreitende Pensionsfonds, von denen zudem viele zwischen Großbritannien und Irland tätig seien und nach dem Brexit schnell verschwinden könnten. Die nationale Zersplitterung bei der Altersversorgung sei ein Problem besonders für Arbeitnehmer, die Teile ihres Berufslebens außerhalb ihres Heimatlandes verbringen. In einem integrierten europäischen Markt könnten Versicherungen und Pensionsfonds ihre Altersvorsorgeprodukte besser verkaufen und auch ihre Vertriebskosten schneller wieder einspielen. Die Vertriebskosten sieht Bernardino als einen wichtigen Punkt, schließlich sei Altersvorsorge ein schwer verkäufliches Produkt.   

Was ihre Altersvorsorge betrifft, müssen sich aktuell viele deutsche Betriebsrentner Sorgen machen, denn ihre Pensionskassen leiden unter den niedrigen Zinsen. Die EIOPA ist hier zwar nicht direkt zuständig, hat aber nach ihrem Stresstest gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden bereits im vergangenen Jahr vor den Problemen gewarnt. Deutschland ist hier laut Bernardino nicht das einzige betroffene Land und das Problem sei im Prinzip nichts Neues. Auch die Niederlande hätten vor ein paar Jahren ihre Pensionen reduziert. Es gebe eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder schießen die Unternehmen Geld nach oder sie zahlen niedrigere Renten aus. „Ich weiß, das ist keine schöne Nachricht“, räumt Bernardino ein.  

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