Haftpflichtversicherung Generali – generell falsch versichert?

Der Sohn unseres Autors beschädigt das Handy einer Freundin. Ein klarer Fall die Haftpflichtversicherung, denkt der Vater. Und irrt gewaltig. Ein Lehrstück für Haftpflicht-Kunden.

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Der Klassiker für eine Haftpflichtversicherung dachte sich Handelsblatt-Autor Jan Keuchel. Quelle: dpa - picture-alliance

Seit Jahren zahle ich nun Beiträge an meine Haftpflichtversicherung, die Generali. Und seit Jahren erhöht die Generali diese Beiträge. Aber bisher habe ich das klaglos hingenommen. Denn ich fühlte mich irgendwie sicher. Gerade wenn man ein Kind hat, das Dinge aus Versehen runterwerfen, umstoßen, also kaputt machen kann, fühlt man sich gut aufgehoben bei einer Versicherung, die mit Sätzen wie diesem antritt: „Grundsätzlich jeder haftet für Schäden, die er anderen zufügt – die Haftpflicht hilft.“ 

Erst vor wenigen Monaten wurde mir klar, dass ich das wohl falsch verstanden habe. Jedenfalls kann sich die Generali mit der helfenden Haftpflicht nicht selbst gemeint haben.

Der Fall ist eigentlich ein Klassiker – so dachte ich. Unser Sohn, 7 Jahre alt, stößt aus Versehen das Handy einer jungen Frau von unserem Sofa, die auf ihn aufpasst. Das Gerät geht zu Boden, das Display bekommt einen Riss. Als wir nach Hause kommen und davon erfahren, sagen wir natürlich sofort die Erstattung des Schadens zu. Die Rechnung, die sie uns später gibt, beträgt gut 92 Euro für ein neues iPhone-Display. Ich setze mich an den PC und mache Online über das entsprechende Formular bei der Generali eine Schadensmeldung. 

Nach der Onlineschadensmeldung passiert jedoch nichts. Erst eine telefonische Nachfrage meinerseits zwei Wochen später bringt zu Tage: Die Versicherung hat sich an die Geschädigte gewandt. Es wird verlangt: ein Foto des kaputten Handys, die Originalrechnung, eine Schilderung des Schadensfalles. Es dauert viele weitere Tage, dann verlangt die Generali zudem von uns ein Foto, wo genau das Handy auf dem Sofa lag. Danach geht weitere Zeit ins Land. Am Ende kommt die Ablehnung der Erstattung. Begründung: Wir beziehungsweise unser Sohn seien gar nicht verantwortlich für den Schaden. „Niemand muss damit rechnen, dass Gegenstände auf Sitzgelegenheiten abgelegt sind.“

Nun bin ich erstaunt. Ist dies kein Schadensfall, für den eine Versicherungspflicht besteht? Abgesehen davon, dass auf dem Foto gut zu erkennen ist, dass der (wohl als sichere Ablage akzeptierte) Sofatisch eine kleinere Ablagefläche hat als das Sofa selbst: Natürlich haben wir genau für diesen Fall die Haftpflichtversicherung abgeschlossen – um abgesichert zu sein, wenn unser Sohn unachtsam etwas kaputt macht, egal wo es liegt. Unter anderem für diesen Fall haben wir jahrelang Beiträge an die Generali gezahlt, die längst insgesamt weit über dem Schadensbetrag von 92 Euro liegen.


Sind Kunden auf das Wohlwollen der Generali angewiesen?

Und kann es im Sinne einer Versicherung sein, die Aktionäre hat, Kunden wegen 92 Euro zu vergraulen? Hat die Generali keine Sorge, bestehende oder potenzielle Kunden zu verlieren? Denn natürlich sind solche Fälle Gesprächsstoff im Freundes- und Bekanntenkreis (die alle Kinder haben).

Also schreibe ich an die Pressestelle, um das zu klären. Ich schildere den Sachverhalt anonymisiert. Es geht mir nicht darum, die 92 Euro auf diesem Weg zu erstreiten, nur weil ich als Journalist die Möglichkeit habe, mich an die Pressestelle zu wenden. Ich verzichte auf die 92 Euro, aber ich will dafür Antworten auf Fragen, die nicht nur mich, sondern alle Versicherten interessieren dürften – um dann anschließend darüber zu schreiben.

Auch bei der Pressestelle dauert es. Erst die dritte Mail der Generali geht inhaltlich auf meine Fragen ein. Aber sie bleibt ausweichend. „Wir bedauern den von ihnen geschilderte Fall, da er nicht dem Service-und Kundenverständnis der Generali entspricht. Sofern Sie mir die Daten der Versicherungsnehmer überlassen, werde ich mich um eine faire Regulierung kümmern“, schreibt ein Pressesprecher.

Aber was genau heißt „faire Regulierung“? Haben Versicherte in einem solchen Fall nun generell Anspruch auf Erstattung der Kosten? Oder bietet die Generali nur eine „Kulanz-Regelung“ an, sind Kunden also auf ihr Wohlwollen angewiesen (was ja ganz offensichtlich in meinen Fall nicht allzu ausgeprägt war)? Die Generali bleibt stumm. Nach einiger Zeit frage ich erneut nach. Die knappe Antwort. „Grundsätzlich greift die Versicherungspflicht der Generali.“

Eine interessante und erschreckende Antwort. Denn wenn das so ist, dann hatte die Generali in meinem Fall offenbar gegen ihre Vertragspflichten verstoßen. Wegen 92 Euro.

Wie wird sich der Versicherer dann erst verhalten, wenn es mal wirklich um Geld geht? Kürzlich hat ein Freund beim Aussteigen aus dem Auto den Nachbarwagen touchiert. Der Kratzer war mit bloßen Auge nicht zu erkennen. Schadenshöhe: 1300 Euro. Mit Kindern sind Kratzer an fremden Autos ebenfalls ein Klassiker. Was fiele der Generali dazu ein? Ich jedenfalls, so viel steht fest, werde die Antwort nicht abwarten.

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