Offene Immobilienfonds Risse hinter glänzenden Fondsfassaden

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Capital House in London

Grundsätzlich gilt: Wie viel ein Gebäude wert ist, legen Sachverständige mindestens einmal im Jahr neu fest. Wichtige Einflussgrößen sind Mieteinnahmen und Rendite. Die Mietrendite, die auf das eingesetzte Kapital erwirtschaftet wird, entscheidet darüber, wie ein Fonds Abwertungen verkraften kann. "In einem gut gemischten, großen Portfolio kann eine Wertkorrektur bei den Immobilien vorgenommen werden, ohne dass der Fonds gleich ins Minus rutscht", sagt Sonja Knorr, Leiterin Immobilienanalyse bei der Ratingagentur Scope. Bei sechs Prozent Mietrendite bleibt nach Abzug von vier Prozent noch ein Plus. So lange tatsächlich Miete fließt, kann nicht viel passieren. Nur: Wenn der Mieter auszieht, droht Ungemach. Die Miete entfällt, zusätzlich müsste der Bestand abgewertet werden. Die durchschnittliche Restlaufzeit der Mietverträge und die Leerstandsquote sind deshalb wichtige Kenngrößen zur Einschätzung von Fonds. Längst nicht bei allen können diese überzeugen.

Sachverständige müssen in Zukunft Immobilienwerte monatlich zumindest schätzen. Das Hauptproblem der Bewertung ist damit aber nicht gelöst: „Die Gutachter leben von Aufträgen der Fondsgesellschaften, da können sie nur bedingt unabhängig sein“, sagt der Vorstand eines Frankfurter Vermögensverwalters.

Gutachter beurteilen unterschiedlich

"Zwar müssen sich alle Gutachter an die Wertermittlungsverordnung halten, aber sie lässt Gestaltungsspielraum. Dies zeigt sich zum Beispiel beim Vergleich der Fondsimmobilien der Deutschen Bank, deren Wert kontinuierlich an das Marktniveau angepasst wurde, mit denen von Morgan Stanley, die in kurzer Zeit mehrmals abgewertet wurden", sagt Wolfgang Kubatzki, Leiter Real Estate bei Feri Euro Rating Service. Die Fonds nutzen ihren Spielraum und machen auch mal Druck.

Bei Morgan Stanley etwa wurde 2009 der Büroklotz Blue Tower in Brüssel von Sachverständigen auf 102 Millionen Euro abgewertet. Dem Management war das offenbar zu viel. Es diagnostizierte einen Interessenkonflikt und berief neue Gutachter. Die verstanden: In den Büchern steht der Turm jetzt mit 108 Millionen Euro.

Gebäude in ähnlicher Lage werden von Gutachtern ganz unterschiedlich behandelt. Die Frankfurter Deka-Immobilie "Poseidon" in der Theodor-Heuss-Allee war den Sachverständigen im Jahr 2003 noch 148 Millionen Euro wert. Bis September 2009 wurde Poseidon auf 82 Millionen Euro abgewertet. Die Lage, gegenüber der Messe, umgeben von Ausfallstraßen, macht die Büros nicht attraktiv.

Die Gutachter der Degi haben das offenbar nicht erkannt. Eine ebenfalls in der Theodor-Heuss-Allee gelegene Degi-Immobilie wurde erst kürzlich um sechs Prozent abgewertet. Dass es dem Nachbarn erst jetzt schlecht geht, macht das Deka-Investment aber nicht besser: Bisher standen dort 23 Prozent leer, 2011 zieht Hauptmieterin Commerzbank auch noch aus.

Leerstände nehmen zu

Bedenklich: Die Leerstände nehmen zu. Aus dem Komplex "Undine" im Frankfurter Mertonviertel zum Beispiel, den der SEB Immoinvest noch mit 100 Millionen Euro in den Büchern führt, zieht zum Jahresende die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC aus. Die Leerstandsquote des Fonds von zuletzt neun Prozent dürfte dann weiter steigen. PwC verlässt gleichzeitig eine benachbarte kleinere Deka-Immobilie, deren Wert im Deka-Immobilien Europa noch mit 25 Millionen Euro taxiert wird. Schon jetzt haben von den 160 Immobilien des Fonds 19 einen Leerstand von über 33 Prozent.

Das gleiche Bild im europäischen Ausland: In Brüssel etwa gilt der Standort Rue de Genève unter EU-Beamten als die Höchststrafe: weit ab vom Schuss, keine Metro, keine Restaurants für die Mittagspause. Dort hat der Degi Europa in den Büroklotz Tour Leopold investiert, der nur zu 75 Prozent vermietet ist und kürzlich um ein Viertel abgewertet werden musste. Selbst in begehrterer Lage, am Rand des Brüsseler Europa-Viertels, in der Avenue des Arts, hat der SEB Immoinvest danebengegriffen. Gleich auf fünf Klingelschildern des neunstöckigen Nachkriegsbaus, dessen Betonfassade mit Kieselsteinen beklebt wurde, fehlt ein Name. Rund 60 Prozent der Flächen stehen leer.

Auch außerhalb Europas haben sich Fondsmanager böse verhauen. Der Hausinvest Global etwa kaufte 2008 zwei Neubauten in Singapur. Der Büroturm Robinson Road wurde erst Ende 2009 fertiggestellt und hätte dann vermietet werden sollen. Drei Etagen wurden als Bankhandelsräume geplant, doch die wurden nicht gebraucht. Das zu knapp 50 Prozent über Kredite finanzierte Gebäude steht noch zur Hälfte leer. Für die andere Hälfte fließt Miete teilweise erst ab 2011. Mit zweifelhaften 342 Millionen Euro stand die Singapur-Immobilie zuletzt noch zum Anschaffungspreis in den Büchern und machte zehn Prozent des Fondsvermögens aus. Nicht einmal die beim Kauf angefallenen Nebenkosten wurden abgeschrieben.

Commerz Real und Deka kaschieren Probleme, indem sie Fonds zusammenwerfen. 2009 verschmolz die Deka ihren eher schwachen und auf deutsche Immobilien konzentrierten Fonds mit dem Europaportfolio zum Deka-Immobilien Europa. Am 1. Oktober 2010 entstand aus dem Hausinvest Europa und dem Hausinvest Global der Commerz Real ein Riese aus rund 130 Immobilien in 19 Ländern mit einem Volumen von elf Milliarden Euro. Konsequenz: Die Probleme mit dem Gebäude Robinson Road in Singapur belasten jetzt gezwungenermaßen Anleger, die mit dem Europafonds eigentlich Asienrisiken vermeiden wollten.

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