Private Altersversorge Lebensversicherer unter Zugzwang

Die deutschen Lebensversicherer kämpfen seit langem mit dem Niedrigzins. Jetzt ist die Zahl der Verträge gesunken. Das ängstigt die Versicherer noch nicht. Doch klar ist: Die Branche braucht neue Produkte.

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Kein anderes Anlageprodukt ist bei den Deutschen so beliebt. Quelle: dpa

München Sie ist seit Jahrzehnten der Deutschen liebstes Anlageprodukt, wenn es um die private Altersversorge geht: Die Lebensversicherung. Das zeigt sich allein daran, dass es seit den Neunziger Jahren mehr Policen als Bürger gibt im Land. Dennoch: Die Anzahl der Verträge ist im vergangenen Jahr zurückgegangen. Waren es 2015 noch 86,7 Millionen Verträge allein bei Lebensversicherungen, so sank die Zahl im abgelaufenen Jahr um 1,8 Prozent auf rund 85 Millionen Verträge. Das gilt auch für die Erhebung im weiteren Sinn, wenn also die Verträge bei Pensionskassen und Pensionsfonds dazugezählt werden.

Für die Branche sind die Zahlen keinesfalls beängstigend, sie zeigen aber sehr wohl, dass Veränderung geboten ist. „Wer Menschen für Altersvorsorge gewinnen will, muss sie nach deren Bedürfnissen gestalten“, sagte dazu kürzlich Markus Faulhaber, Vorstandschef beim Marktführer Allianz Leben. Im konkreten Fall bedeutet das: Weg vom Garantiezins, der in diesem Jahr ohnehin auf schlappe 0,9 Prozent gefallen ist, und hin zu einer renditeorientierteren Variante beispielsweise auf Fondsbasis. Bei Privatkunden hatte sich so im vergangenen Jahr ohnehin nur noch weniger als zehn Prozent für die klassische Lebensversicherung mit Garantiezins entschieden. Trotzdem wünschen die Kunden gerade bei der langfristig angelegten Altersvorsorge ein Höchstmaß an Sicherheit. Drei von vier Kunden, die eine kapitalmarktorientierte Variante wählten, wünschten deshalb 100 Prozent Beitragserhalt.

Die Branche hatte 2016 allerdings auch noch einen weiteren Treiber, der zu Abflüssen führte. Das im Jahr 2004 vom Bundestag beschlossene Alterseinkünftegesetz machte für Kunden den Abschluss einer Lebensversicherung damals attraktiv. Nach zwölf Jahren Laufzeit, also im Jahr 2016, kamen nun viele davon zur Auszahlung.

Entsprechend waren auch die gebuchten Bruttobeiträge an Lebensversicherer, Pensionsfonds und Pensionskassen im vergangenen Jahr leicht rückläufig. Um zwei Prozent gingen sie auf 90,8 Milliarden Euro zurück. Etwas weniger waren es allein bei den Lebensversicherungen, bei denen das Beitragsvolumen um 1,5 Prozent auf 86,7 Milliarden Euro schrumpfte.

Gestiegen ist in der Summe aus neu zugeflossenen Geldern und Altbeständen. Die insgesamt von Lebensversicherern, Pensionsfonds und Pensionskassen angelegte Summe stieg erstmals auf mehr als eine Billion Euro. Zum Kapitalanlagebestand, der um 4,3 Prozent auf 923 Milliarden Euro wuchs, kamen noch die fondsgebundenen Policen, die um 5,9 Prozent auf 102 Milliarden Euro wuchsen.

Wie zweigeteilt das Geschäft mit Lebensversicherungen im Moment ist, verdeutlicht die Zahl der stornierten Verträge. Gab es im Jahr 2014 mit rund 15 Milliarden Euro noch das höchste Stornovolumen aller Zeiten, so sank die Zahl 2015 bereits auf 13,1 Milliarden Euro. Im abgelaufenen Jahr waren es dann nur noch 12,4 Milliarden Euro, der tiefste Stand seit 2007. „Es besteht wegen der Niedrigzinsphase weiter eine Alternativlosigkeit in der Geldanlage“, weiß Max Ahlers. Für den Geschäftsführer und Gründer von Policen Direkt ist das auch der Grund für ein weiter rückläufiges Stornovolumen.

Wer also einen Altvertrag mit vergleichsweise noch hoher Verzinsung besitzt, der hat im Moment eine sehr rentable Geldanlage – bei der Kunden am besten alles so belassen wie es ist. „Solange sich am Zinsniveau nichts ändert, werden auch die Stornoquoten niedrig bleiben“, ist sich Ahlers sicher.

Wobei seiner Ansicht nach die gute wirtschaftliche Lage und die Tatsache, dass es den Menschen generell gut gehe, darauf keinen Einfluss haben. Die Stornoquoten seien davon weitgehend losgelöst. „Sie hängen eher mit den Lebensphasen und dem persönlichen Liquiditätsbedarf der Versicherten zusammen“, sagt Ahlers. Am Zweitmarkt, wo Policen Direkt die Verträge verkaufswilliger Kunden übernimmt, seien die Anfragen jedenfalls stabil.

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