Spätestens mit Mitte 30 kommen sie, diese Fragen. Wer sie sich nicht selbst stellt, den löchern Freunde und Verwandte: "Wie machst du das eigentlich mit der Altersvorsorge? Wie steht es um deine Rente?" Spätestens jetzt fängt der Ernst des Lebens tatsächlich an.
So auch bei einer Assistenzärztin aus Berlin, die dieses Jahr ihren 35. Geburtstag feiert. Doch während alle um sie herum über drohende Altersarmut, Zuschussrente und private Altersvorsorge sprechen, habe sie der Blick auf ihre letzte "Renteninformation" eher beruhigt, sagt sie. In einem blauen Aktenordner mit der Aufschrift "Versicherungen" hat die angehende Internistin den Brief abgeheftet, schwarz auf weiß stehen dort die Zahlen. Erfreuliche Zahlen.
Zweifel bleiben
Seit ihrem Berufseinstieg an einer Uniklinik 2005 hat sie im Durchschnitt 790 Euro pro Monat an die Berliner Ärzteversorgung überwiesen. Würde sie bis zum Rentenbeginn im Jahr 2044 Beiträge in gleicher Höhe zahlen, bekäme sie später 3600 Euro monatlich ausgezahlt – bis ans Lebensende. In der gesetzlichen Rentenversicherung würde sie bei gleichem Einkommen etwa halb so viel bekommen. "Ist unser Versorgungswerk wirklich so viel besser?", fragt die junge Ärztin. Ein Zweifel bleibt.
Knapp eine Million Deutsche bauen bei ihrer Rente komplett auf ein berufsständisches Versorgungswerk. Vor allem Ärzte, Anwälte, Steuerberater und Architekten zahlen ihre Rentenbeiträge nicht an die gesetzliche Kasse, sondern an eines von rund 90 berufsständischen Versorgungswerken.
Chancen und Risiken der Betriebsrenten
Arbeitnehmer bekommen direkt vom Arbeitgeber eine Betriebsrente zugesagt. Die Höhe hängt vom Einkommen und der Dauer der Betriebszugehörigkeit ab. Rutscht der Arbeitgeber in die Insolvenz, springt der Pensions-Sicherungs-Verein ein. Arbeitgeber müssen für ihre Verpflichtungen Rückstellungen in der Bilanz bilden, was die Direktzusage zunehmend unbeliebt macht.
Bei einer Direktversicherung schließt der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine Lebensversicherung ab. Die Beiträge übernimmt je nach Ausgestaltung der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer oder aber beide zahlen einen Teil. Läuft der Vertrag lang genug, kann der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers nicht mehr widerrufen (Unverfallbarkeit). Für neu abgeschlossene Verträge, die durch den Arbeitgeber finanziert werden, ist das meist nach fünf Jahren der Fall. Bei einer Schieflage des Lebensversicherers würde die Auffanggesellschaft Protektor einspringen. In aller Regel greift der Pensions-Sicherungs-Verein nicht.
Die Pensionskassen sind eigene Versorgungseinrichtungen und ähneln Lebens-versicherern. Sie werden von der BaFin kontrolliert und müssen relativ risikoarm anlegen. In der Praxis kaufen sie vor allem Bankpapiere und Anleihen. Arbeitnehmer haben einen rechtlichen Anspruch gegen die jeweilige Kasse, bei Finanzproblemen der Kasse auch gegen den Arbeitgeber. Rutscht dieser in die Insolvenz, steht der Arbeitnehmer im schlimmsten Fall allein da. Der Pensions-Sicherungs-Verein sichert die Pensionskassen nicht ab.
Arbeitgeber können Ansprüche auf Pensionsfonds auslagern. Diese erst 2002 eingeführten Fonds dürfen riskanter als etwa Pensionskassen anlegen; sie können im Extremfall sogar ausschließlich in Aktien investieren. Die Finanzaufsicht BaFin überwacht die Fonds. Damit die Betriebsrenten trotz der liberalen Vorschriften ausreichend geschützt sind, springt bei Insolvenz des Arbeitgebers der Pensions-Sicherungs-Verein ein.
Läuft die Betriebsrente über eine Unterstützungskasse, hat der Arbeitnehmer keine rechtlichen Ansprüche gegen diese Kasse. Im Fall einer finanziellen Schieflage muss er sich mit Ansprüchen an den Träger, also seinen Arbeitgeber, wenden. Die Unterstützungskassen unterliegen keinen speziellen Anlagevorschriften und keiner staatlichen Aufsicht. Sie können ihr angesammeltes Kapital sogar für Darlehen an den Arbeitgeber nutzen. Rutscht der Arbeitgeber in die Insolvenz, springt der Pensions-Sicherungs-Verein ein.
Ein Teil ihrer Rente hängt vom Zustrom neuer Mitglieder ab. Während dieses Umlageverfahren (Beitragszahler finanzieren das Altersgeld der heutigen Rentner) bei der gesetzlichen Rente voll greift, macht es bei den Versorgungswerken nur einen kleinen Teil der Rente aus, meist unter 20 Prozent. Der weitaus größere Teil ist kapitalgedeckt: Beitragszahler sparen also selbst für ihre spätere Rente an.
Chefs garantieren immer seltener die Höhe der Betriebsrente
So läuft es auch bei einem Großteil der etwa 17 Millionen gesetzlich rentenversicherten Arbeitnehmer, die ihre Rente mit einer betrieblichen Altersvorsorge aufstocken. Anders als die Versorgung der Ärzte, Anwälte & Co. sind diese Betriebsrenten für sie nur ein Zubrot. Meist schießen die Arbeitgeber einen Teil der monatlichen Beiträge zu. Doch immer seltener garantieren die Chefs den Angestellten die Höhe ihrer Betriebsrente. Entscheidend dafür, was im Alter aufs Konto kommt, ist die mit dem Kapital zuvor erzielte Rendite.
Die Euro-Krise, das raue Umfeld an den Kapitalmärkten, starke Kursausschläge an den Börsen und niedrige Zinsen auf sichere Anlagen schlagen deshalb auch auf Versorgungswerke und betriebliche Altersvorsorge durch. Angestellte haben immerhin noch Aussicht auf ihre gesetzliche Rente.
Die Rente schrumpft
Die Freiberufler sind voll auf die berufsständischen Versorgungswerke angewiesen. Und deren beruhigende Prognosen basieren auf einer festen angenommenen Verzinsung der Kapitalanlagen. Oft sind dies vier Prozent pro Jahr – auch im Fall der Berliner Ärztin.
Schaffen die Versorgungswerke die vier Prozent langfristig nicht, sind die Prognosen nicht zu halten. Schon geringe Renditeunterschiede ergeben eine große Differenz. So lässt sich aus monatlich 800 Euro, die über 30 Jahre zu vier Prozent Zins angelegt werden, später 20 Jahre lang eine Monatsrente von 3300 Euro zahlen. Bei drei Prozent Rendite schrumpft die Rente auf 2550 Euro pro Monat. Über 20 Jahre bekäme ein Rentner dann rund 180.000 Euro weniger ausgezahlt.
Sowohl für Freiberufler im Versorgungswerk als auch für Angestellte mit Betriebsrente gilt: Nur wer sich frühzeitig einen Überblick über seine Versorgung im Alter verschafft, kann auf Lücken reagieren und seine private Altersvorsorge aufstocken.
Ärzten, Anwälten und Steuerberatern drohen doppelte Zahlungen
Ärzte, Anwälte und Steuerberater sind Pflichtmitglieder ihres Versorgungswerks. Wer als Angestellter in den freien Berufen arbeitet, ist zugleich in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Angestellte Freiberufler sollten deshalb bei der staatlichen Rentenversicherung eine Befreiung beantragen, sonst müssten sie am Ende noch doppelt einzahlen.
Immer häufiger gibt es um die Befreiung jedoch Streit – wen die staatliche Rentenversicherung einmal in ihren Fängen hat, den lässt sie ungern ziehen. So verweigert sie Ärzten und Anwälten oft die Befreiung, wenn diese nicht in ihren klassischen Aufgabenbereichen arbeiten. Probleme bekommen Ärzte in der Pharmabranche oder Juristen, die in Unternehmen arbeiten.
Gericht pfeift Rentenversicherungen zurück
Ein Münchner Jurist, der als Geschäftsführer eines Beratungsunternehmens arbeitet, wollte sich zum Beispiel von der Rentenversicherung befreien lassen. Doch die lehnte ab. Er übe keine anwaltliche Tätigkeit aus, denn sein Job setze "die Qualifikation als Volljurist", also ein zweites juristisches Staatsexamen, nicht zwingend voraus. Das Münchner Sozialgericht pfiff die Rentenversicherung zurück. Es reiche aus, dass Juristen in ihrer Arbeit typische Aufgaben wie Rechtsberatung und Rechtsentscheidung übernehmen. Das werde die Rentenversicherung "zur Vermeidung einer Vielzahl weiterer gerichtlicher Niederlagen akzeptieren müssen", so die Richter.
Damit angestellte Freiberufler in solchen Fällen keine Probleme bekommen, sollten sie "ihren Befreiungsanträgen eine detaillierte Stellen- und Funktionsbeschreibung beifügen, die deutlich macht, inwiefern sie in ihrer täglichen Arbeit für ihren Berufsstand typische Aufgaben übernehmen", sagt Rechtsanwalt Hartmut Kilger, Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV). Wer einmal von der Rentenversicherung befreit wurde, ist deswegen aber noch nicht auf der sicheren Seite: Übt er später eine andere Tätigkeit aus, die nicht die typischen Aufgaben umfasst, läuft auch die Befreiung aus.
Versorgungswerke sind attraktiver
Die größten Versorgungswerke im Rendite-Check
Bayerische Ärzteversorgung
Zahlende Mitglieder: 92500
Rentner: 29700
Kapitalanlagen: 16803 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,8
2010: 4,9
2011: 4,0
¹ Rendite auf Kapitaleinlagen (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen)
Quellen: Versorgungswerke, eigene Berechnungen
Stand: Ende 2011
Baden-Württ. Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte
Zahlende Mitglieder: 53565
Rentner: 17658
Kapitalanlagen: 10148 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 10,1
2010: 6,7
2011: 2,4
¹ Rendite auf Kapitaleinlagen (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen)
Quellen: Versorgungswerke, eigene Berechnungen
Stand: Ende 2011
Nordrheinische Ärzteversorgung²
Zahlende Mitglieder: 46155
Rentner: 15353
Kapitalanlagen: 9545 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 3,5
2010: 4,1
2011: k.A.
¹ Rendite auf Kapitaleinlagen (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen)
² Datenstand: Ende 2010
Quellen: Versorgungswerke, eigene Berechnungen
Stand: Ende 2011
Versorgungswerk der Architektenkammer NRW
Zahlende Mitglieder: 42892
Rentner: 6965
Kapitalanlagen: 6411 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,2
2010: 4,4
2011: 4,1
¹ Rendite auf Kapitaleinlagen (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen)
Quellen: Versorgungswerke, eigene Berechnungen
Stand: Ende 2011
Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen
Zahlende Mitglieder: 34400
Rentner: 2829
Kapitalanlagen: 4589 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,4
2010: 4,3
2011: 3,2
¹ Rendite auf Kapitaleinlagen (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen)
Quellen: Versorgungswerke, eigene Berechnungen
Stand: Ende 2011
Ärzteversorgung Westfalen-Lippe
Zahlende Mitglieder: 33278
Rentner: 12982
Kapitalanlagen: 8745 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,2
2010: 4,4
2011: 3,6
¹ Rendite auf Kapitaleinlagen (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen)
Quellen: Versorgungswerke, eigene Berechnungen
Stand: Ende 2011
Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung
Zahlende Mitglieder: 35500
Rentner: 2000
Kapitalanlagen: 4000 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,1
2010: 4,5
2011: 4,2
¹ Rendite auf Kapitaleinlagen (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen)
Quellen: Versorgungswerke, eigene Berechnungen
Stand: Ende 2011
Bayerische Architektenversorgung
Zahlende Mitglieder: 33200
Rentner: 6400
Kapitalanlagen: 4650 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,3
2010: 4,8
2011: 3,2
¹ Rendite auf Kapitaleinlagen (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen)
Quellen: Versorgungswerke, eigene Berechnungen
Stand: Ende 2011
Ärzteversorgung Niedersachsen²
Zahlende Mitglieder: 29481
Rentner: 9880
Kapitalanlagen: 6647 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: k.A.
2010: k.A.
2011: k.A.
¹ Rendite auf Kapitaleinlagen (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen)
²Datenstand Ende Oktober 2011
Quellen: Versorgungswerke, eigene Berechnungen
Stand: Ende 2011
Bayerische Apothekerversorgung
Zahlende Mitglieder: 27300
Rentner: 9600
Kapitalanlagen: 6760 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,6
2010: 4,8
2011: 4,3
¹ Rendite auf Kapitaleinlagen (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen)
Quellen: Versorgungswerke, eigene Berechnungen
Stand: Ende 2011
Wenn das berufsständische Versorgungswerk nicht völlig heillos wirtschaftet, ist eine Mitgliedschaft hier deutlich attraktiver als in der gesetzlichen Rentenversicherung. Mitglieder der Versorgungswerke zahlen meist den gleichen Beitrag wie gesetzlich Rentenversicherte. Im kommenden Jahr sind das 19 Prozent Beitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) auf maximal 5800 Euro Monatseinkommen (4900 Euro in den neuen Bundesländern), also höchstens 1102 Euro im Monat. Freiwillig können sie die Beiträge aufstocken.
Dass die Versorgungswerke ihren Mitgliedern auch bei gleich hohen Beiträgen deutlich höhere Renten in Aussicht stellen, liegt am völlig unterschiedlichen System. In der gesetzlichen Rentenversicherung mit ihrem Umlageverfahren müssen künftig immer weniger Erwerbstätige immer mehr Rentner über ihre Beiträge finanzieren. Wenn die aktuell Erwerbstätigen deutlich mehr verdienen, steigt zwar auch die Rente. Angesichts der schrumpfenden Bevölkerung sollten Versicherte aber nicht auf diesen Effekt setzen.
Pensionskassen müssen sich auf künftige Mitglieder verlassen
Die Versorgungswerke trifft der Demografie-Faktor nicht ganz so hart, da sie die späteren Renten in der Regel mit einer Kombination aus Umlage- und Kapitaldeckung finanzieren. Den zu zahlenden Renten aller heutigen und künftigen Mitglieder stehen als Ertragsquellen sowohl die schon vorhandenen Kapitalanlagen als auch die in Zukunft fließenden Beiträge gegenüber.
Dabei geht das Verfahren nicht nur von einem festen Zins aus, dem Rechnungszins, auch an allen anderen Stellschrauben treffen die Versorgungswerke Annahmen. So müssen sie die Rente bis ans Lebensende des Mitglieds zahlen – daher spielt die angesetzte Lebenserwartung eine wichtige Rolle. Die prognostizierte Rente beruht außerdem auf einem bestimmten Beitrag und einer fixen Kostenquote. Ähnlich wie in umlagefinanzierten Rentensystemen gehen die Versorgungswerke auch davon aus, dass es Jahr für Jahr eine feste Anzahl neuer Mitglieder gibt.
Natürlich hält sich die Realität selten an dieses Drehbuch. Im Idealfall haben die Versorgungswerke all diese Annahmen vorsichtig getroffen. Wenn etwa die Kapitalanlagen also doch mehr bringen und die Beiträge üppiger fließen, können sie ein Polster für schlechte Zeiten aufbauen oder die prognostizierten und bereits fließenden Renten anheben – im Idealfall.
Die Realität hält sich nicht ans Drehbuch
Wenn es hingegen schlecht läuft, lassen sich die Annahmen nicht halten, weil sie zu optimistisch waren. Dann müssen die Versorgungswerke Reserven anzapfen oder die in Aussicht gestellten Renten kürzen. Anders als in der privaten Lebensversicherung gibt es keine garantierte Mindestverzinsung, der Rechnungszins kann auch für langjährig Versicherte abgesenkt werden.
2006 mussten die Versorgungswerke ihre Modelle korrigieren, weil die weitere Lebenserwartung der Mitglieder laut Versicherungsmathematikern höher war als vorher angenommen. Ärzte, Anwälte und sonstige Freiberufler leben im Durchschnitt vier Jahre länger als der Rest der Bevölkerung. Die Versorgungswerke konnten daraufhin entweder den Rechnungszins senken. Oder sie nutzten über Jahre ihre Überschüsse dafür, die durch die gestiegene Lebenserwartung entstandenen Lücken aufzufüllen.
Rückwirkende Einschnitte sind erlaubt
Anfang August bestätigte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in einem aktuellen Fall, dass Versorgungswerke bestehende Anwartschaften zusammenstreichen dürfen. Eine 60-jährige Zahnärztin musste es hinnehmen, dass ihre Ansprüche Anfang 2003 um 16 Prozent gekürzt worden waren. Versicherungsmathematiker hatten damals festgestellt, dass das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin die Lebenserwartung seiner Mitglieder zu niedrig, den Wert des Immobilienvermögens hingegen zu hoch angesetzt hatte. Rückwirkende Einschnitte waren nötig, um den Fortbestand des Versorgungswerks nicht zu gefährden. Das Gericht nickte das ab. Anwartschaften dürften in solchen Fällen gekürzt werden, nur Eingriffe in bereits fließende Renten seien nach höchstrichterlicher Rechtsprechung allenfalls unter sehr strengen Auflagen zulässig.
Versorgungswerke müssen Lebenswandel im Blick behalten
Umso wichtiger ist es für die Mitglieder, dass die Rechenmodelle ihrer Versorgungswerke tragfähig sind. Da die Versorgungswerke neben der Altersrente auch eine Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenrente zahlen, müssen sie selbst den Lebenswandel der Mitglieder im Auge behalten. Heiratet der Chefarzt wie im Groschenroman die deutlich jüngere Krankenschwester, bleibt das nicht ohne Folgen – schließlich kassiert die Krankenschwester nach seinem Tod noch jahrelang eine Witwenrente, oft 60 Prozent der ursprünglichen Altersrente. "Tatsächlich sind die Mitglieder der Versorgungswerke häufiger und mit jüngeren Ehepartnern verheiratet als die sonstige Bevölkerung", sagt Kilger vom ABV.
Die Renditen der größten Pensionskassen
BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes
Pensions-Anwärter: 343045
Rentner: 98893
Kapitalanlage: 22478 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,1
2010: 4,2
2011: 3,5
¹Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
Allianz Pensionskasse
Pensions-Anwärter: 854306
Rentner: 4549
Kapitalanlage: 5937 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,1
2010: 4,0
2011: 4,4
¹Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
Hamburger Pensionskasse von 1905²
Pensions-Anwärter: 581940
Rentner: 37779
Kapitalanlage: 3559 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,3
2010: 4,5
2011: k.A.
¹Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen
²Stand: Ende 2010
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes
Pensions-Anwärter: 581940
Rentner: 37779
Kapitalanlage: 3559 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,3
2010: 4,5
2011: k.A.
¹Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
Sparkassen Pensionskasse²
Pensions-Anwärter: 323404
Rentner: 783
Kapitalanlage: 2043 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,0
2010: 4,1
2011: k.A.
¹Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen
²Stand: Ende 2010
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
Victoria Pensionskasse²
Pensions-Anwärter: 287822
Rentner: 638
Kapitalanlage: 1150 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,1
2010: 4,1
2011: k.A.
¹Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen
²Stand: Ende 2010
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
Gothaer Pensionskasse
Pensions-Anwärter: 243988
Rentner: 681
Kapitalanlage: 838 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 3,1
2010: 3,4
2011: 4,0
¹Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
Versorgungsanst. des Bundes und der Länder (VBL)²³
Pensions-Anwärter: 222554
Rentner: 3672
Kapitalanlage: 583 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 7,9
2010: 9,1
2011: k.A.
¹Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen
²Stand: Ende 2010
³Daten gelten nur für den von der BaFin beaufsichtigten Teil (kapitalgedeckte freiwillige Zusatzversorgung)
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
HDI-Gerling Pensionskasse
Pensions-Anwärter: 214103
Rentner: 804
Kapitalanlage: 896 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,2
2010: 4,3
2011: 3,9
¹Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
Pensionskassen insgeasmt²
Pensions-Anwärter: 6.536.651
Rentner: 1.179.276
Kapitalanlage: 109.466 Millionen Euro
Nettorendite¹
2009: 4,3
2010: 4,6
2011: k.A.
¹Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen
²Stand: Ende 2010
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
2002 hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg das dortige Rechtsanwaltsversorgungswerk verurteilt, einer Witwe trotz 32 Jahren Altersunterschied zwischen ihr und dem Ehemann die Witwenrente auszuzahlen. Dass das Versorgungswerk von einer Scheinehe ausging, war den Richtern egal. Meist setzen die Satzungen der Werke nur voraus, dass die Ehe vor einem bestimmten Alter geschlossen worden ist und einige Jahre bestanden hat, damit die Rente an Witwe oder Witwer fließt. Außerdem darf das Mitglied bei der Heirat nicht schon berufsunfähig sein.
Sicher und renditestark gibt es nicht
Auf solche Besonderheiten können sich die Versorgungswerke einstellen. Deutlich härter trifft es sie, wenn ihre Kapitalanlagen zu wenig abwerfen. Und dieses Risiko ist real. Gut 60 Prozent ihrer Kapitalanlagen haben die Versorgungswerke in festverzinsliche Wertpapiere gesteckt. Möglichst sicher sollen die sein. Und möglichst renditestark, um den Rechnungszins von bis zu vier Prozent zu schlagen. Das ist derzeit schwierig: Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit werfen nur noch 1,4 Prozent Rendite pro Jahr ab.
Die Versorgungswerke müssen sich deshalb etwas einfallen lassen. Viele von ihnen suchen externen Rat und klopfen bei Herwig Kinzler an. Er leitet den Bereich Investmentberatung bei Mercer Deutschland. Einige Versorgungswerke hätten "zu lange vom hohen Zinsniveau gezehrt, teilweise in Staatsanleihen der südeuropäischen Krisenländer investiert". Die hätten nun ein Problem, müssten Millionen abschreiben und sich händeringend nach neuen Anlagemöglichkeiten umschauen.
Besser Schwarzsehen
Frank Lange bezeichnet sich als "Schwarzseher". Und diese Eigenschaft soll ihn vor solchen Problemen schützen. Als er das sagt, umspielt ein Lächeln seine Lippen. Der Geschäftsführer des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen ist mit dem Schwarzsehen bislang gut gefahren. Auch das Versorgungswerk der Rechtsanwälte hatte 2008 noch gut 60 Prozent des Kapitals in festverzinsliche Wertpapiere investiert, darunter auch deutsche Staatsanleihen. Lange war das zu riskant: "Wenn man alles auf den Staat setzt, können Ansprüche per Federstrich herabgesetzt werden."
Heute machen Festverzinsliche noch 45 Prozent der Kapitalanlagen aus – für ein Versorgungswerk ist das wenig. Im Gegenzug haben Lange und seine zwei Kollegen in der Kapitalabteilung Immobilien gekauft. Aktuell liegt deren Anteil schon bei 18 Prozent, 25 Prozent könnten es noch werden. Rund 90 Millionen Euro flossen allein in ein neu entstandenes Bürohaus in der Hamburger Innenstadt, das Opern-Plaza. Auch Aktien und Anleihen aus Schwellenländern hat das Dreier-Team verstärkt gekauft. "Vor Jahren schon, nicht erst jetzt, wo alle davon reden", sagt Lange.
Investitionen stehen hoch in der Gunst
Auch andere Versorgungswerke versuchen mit neuen Kapitalanlagen, den niedrigen Zinsen zu trotzen. Einige investieren in Infrastrukturprojekte und verdienen dann zum Beispiel an den Mauteinnahmen von Autobahnen. Die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe ist 2011 in das von RWE verkaufte Höchstspannungsnetz eingestiegen, das Geld der Ärzte ist auch in unterirdische Öl- und Gasspeicher (Kavernen) oder die Finanzierung eines Airbus A380 geflossen. Auf etwa 15 Prozent soll die Infrastrukturquote dort noch steigen, Ende 2011 lag sie bei vier Prozent.
Die Renditen der größten Pensionsfonds
Siemens Pensionsfonds⁶
Pensions-Anwärter: 1
Rentner: 99.993
Kapitalanlage⁴: 5650 Millionen Euro
Nettorendite⁵
2009: 2,6
2010: 15,1
2011: 0,9
⁴Summe aus den Kapitalanlagen des Fonds und den Kapitalanlagen auf Rechnung und Risiko der Arbeitnehmer und Arbeitgeber
⁵Rendite auf die Kapitalanlagen auf Rechnung und Risiko der Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage zuzüglich der Differenz aus nicht realisierten Kursgewinnen und Kursverlusten in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen
⁶Geschäftsjahr bis Ende Juni
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
RWE Pensionsfonds
Pensions-Anwärter: 0
Rentner: 41,432
Kapitalanlage⁴: 6391 Millionen Euro
Nettorendite⁵
2009: 15,2
2010: 7,6
2011: 0,4
⁴Summe aus den Kapitalanlagen des Fonds und den Kapitalanlagen auf Rechnung und Risiko der Arbeitnehmer und Arbeitgeber
⁵Rendite auf die Kapitalanlagen auf Rechnung und Risiko der Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage zuzüglich der Differenz aus nicht realisierten Kursgewinnen und Kursverlusten in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlage)
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
Bosch Pensionsfonds
Pensions-Anwärter: 119.498
Rentner: 37.848
Kapitalanlage⁴: 1523 Millionen Euro
Nettorendite⁵
2009: 17,3
2010: 9,2
2011: -0,4
⁴Summe aus den Kapitalanlagen des Fonds und den Kapitalanlagen auf Rechnung und Risiko der Arbeitnehmer und Arbeitgeber
⁵Rendite auf die Kapitalanlagen auf Rechnung und Risiko der Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage zuzüglich der Differenz aus nicht realisierten Kursgewinnen und Kursverlusten in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen)
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
DEVK Pensionsfonds
Pensions-Anwärter: 122.109
Rentner: 586
Kapitalanlage⁴: 312 Millionen Euro
Nettorendite⁵
2009: 24,6
2010: -0,8
2011: -17,0
⁴Summe aus den Kapitalanlagen des Fonds und den Kapitalanlagen auf Rechnung und Risiko der Arbeitnehmer und Arbeitgeber
⁵Rendite auf die Kapitalanlagen auf Rechnung und Risiko der Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage zuzüglich der Differenz aus nicht realisierten Kursgewinnen und Kursverlusten in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen)
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
Pensionsfonds insgesamt²
Pensions-Anwärter: 463.659
Rentner: 293.376
Kapitalanlage⁴: 25381 Millionen Euro
Nettorendite⁵
2009: 8,3
2010: 7,8
2011: k.A.
²Stand: Ende 2010
⁴Summe aus den Kapitalanlagen des Fonds und den Kapitalanlagen auf Rechnung und Risiko der Arbeitnehmer und Arbeitgeber
⁵Rendite auf die Kapitalanlagen auf Rechnung und Risiko der Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Erträge abzüglich der Aufwendungen aus Kapitalanlage zuzüglich der Differenz aus nicht realisierten Kursgewinnen und Kursverlusten in Prozent des Mittelwertes der Kapitalanlagen)
Quelle: Stand: Ende 2011; Quelle: Geschäftsberichte der Pensionskassen und Pensionsfonds, BaFin, eigene Berechnung
Investitionen in erneuerbare Energien stehen ebenfalls hoch in der Gunst der Anlagemanager. Das Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer im Lande Nordrhein-Westfalen hat 2008 zum Beispiel das Solarkraftwerk Energiepark Waldpolenz nahe Leipzig gekauft. Die garantierte Einspeisevergütung für den Strom beschert dem Versorgungswerk gut kalkulierbare Erträge. Auch Kredite an Studierende, die diese später mit einem Teil ihres Gehalts zurückzahlen müssen, sollen die Rendite aufbessern.
Schnell reagieren
Anders als die oft schwerfälligen Lebensversicherer könnten die kleinen Anlageteams der Versorgungswerke flexibel und schnell auf aktuelle Ereignisse reagieren, sagt Lange vom Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Nordrhein-Westfalen. Als etwa im März 2011 die Atomkatastrophe von Fukushima Japan traf, telefonierten er und seine Kollegen sonntags. "Und montags wurden dann die japanischen Aktien sofort verkauft."
Vier Prozent Rendite werden Lange und Kollegen im laufenden Jahr voraussichtlich schaffen. Den Rechnungszins, bei ihnen 3,5 Prozent, hätten die drei Anlagemanager damit locker geschlagen.
Das ist der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte in den vergangenen Jahren zunehmend schwergefallen. Das Jahresergebnis 2011 müsse man als "nicht erfreulich qualifizieren", schrieb die Präsidentin im Juni an die Mitglieder. Die mit den Kapitalanlagen erwirtschaftete Nettorendite, 2009 noch bei 10,1 Prozent, ist im vergangenen Jahr auf 2,4 Prozent gefallen.
Bilanzieller Spielraum wird genutzt
Und das, obwohl sich die Versorgungsanstalt allein beim Aktienvermögen Abschreibungen von 259 Millionen Euro ersparte, weil sie diese Aktien nicht wie Umlauf-, sondern wie Anlagevermögen bewertete. Was nach einer Spitzfindigkeit für Bilanzexperten klingt, hat Folgen: Werteinbußen im Anlagevermögen führen nur dann zu Abschreibungen, wenn sie voraussichtlich dauerhaft sind. Hätte die Versorgungsanstalt die Kursverluste bei Aktien komplett abgeschrieben, wäre die Nettorendite auf –0,2 Prozent gefallen. In den Vorjahren hatte die Versorgungsanstalt auf solche Bilanzkosmetik noch verzichtet.
"Viele Versorgungswerke nutzen den bilanziellen Spielraum, wenn es eng wird", hat Berater Kinzler von Mercer beobachtet. Die Mitglieder verglichen die Versorgungswerke untereinander, "da will keiner weniger Rendite ausweisen als die anderen".
Versorgungswerke zeigen ihre Zahlen freimütig
Das Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Württemberg hatte 2011 zum Beispiel über Fonds gehaltene griechische Staatsanleihen für 8,1 Millionen Euro in den Büchern stehen. Am Markt waren diese aber nur noch 2,9 Millionen Euro wert. Unter dem Strich lag der aktuelle Marktwert aller Kapitalanlagen des Versorgungswerks um 30,6 Millionen Euro unter dem bilanzierten Wert – knapp ein Prozent des Wertes der Kapitalanlagen. Abschreibungen nahm das Versorgungswerk für die Wertminderung nicht vor.
Die wichtigsten Kernergebnisse der Postbank-Studie
Auf einen Negativ-Rekord in der zehnjährigen Messungsreihe von Postbank und Allensbach fällt die Zahl der Berufstätigen in Deutschland, die ihre private Altersvorsorge nicht mehr erweitern will.
42 Prozent der Berufstätigen in Deutschland wollen ihre private Altersvorsorge nicht mehr verstärken. Das ist der höchste je seit 2003 gemessene Wert und er liegt um mehr als ein Drittel über dem Ausgangswert (30
Prozent).
Selbst unter den jungen Berufstätigen im Alter von 16 bis 29 Jahren wollen nur noch 48 Prozent ihre private Altersvorsorge ausbauen. Zum Vergleich: 2011 waren es noch 54 Prozent, 2010 noch 59 Prozent und 2008 sogar 65 Prozent.
Ein Rekordwert der Berufstätigen glaubt, sich für das Alter bereits ausreichend abzusichern.
Beinah jeder zweite Berufstätige (44%) hielt im August 2012 seine bisherige Altersvorsorge für ausreichend. In 2011waren dies erst 38 Prozent.
Selbst unter jungen Berufstätigen (Alter 16 bis 29 Jahre) sagen nun 27 Prozent (Vorjahr: 22 %), dass ihre bisherige private Altersvorsorge bereits ausreichend sei!
Die monatlichen Ausgaben der Berufstätigen, die privat für die Altersvorsorge vorsorgen, sind auf den niedrigsten Stand seit der ersten Messung in 2005 gefallen.
Die tatsächlichen Ausgaben der Berufstätigen, die privat vorsorgen, liegen heute mit im Schnitt monatlich 185 Euro auf dem niedrigsten Stand seit 2005 (erstmalige Messung).
Nur noch jeder siebte Berufstätige (14 Prozent), der seine Altersvorsorge für nicht ausreichend hält, sagt: „Ich bin bereit, mich für eine sichere Altersvorsorge bei meinen heutigen Ausgaben
einzuschränken.“
Vor zwei Jahren war dies noch fast die Hälfte mehr!
Exakt jeder zweite Deutsche sagt: „Die Inflation spielt bei der Planung meiner Altersvorsorge keine Rolle.“
Selbst unter jungen Berufstätigen (von 16 bis 29 Jahre) sagen das 44 Prozent!
Immobilien zur Altersvorsorge sind hoch im Kurs.
Fast jeder dritte Berufstätige (30 Prozent), der die Altersvorsorge künftig noch ausbauen will, plant dazu den Bau oder Kauf eines Eigenheims. Das ist gut ein Viertel mehr, als vor zehn Jahren (2003: 23 %).
14 Prozent wollen in vermietete Immobilien investieren. Das sind doppelt so viele wie erst noch im Vorjahr (2011: 7 %)
Erstmals seit 2003 nennen mit 67 Prozent fast gleich viele Berufstätige eine eigene Immobilie als „ideale Form der Alterssicherung“ wie die staatliche Rente (68%).
Die Riester-Rente verliert stark an Ansehen.
Seit der ersten Messung in 2009 hielten noch nie so wenige Berufstätige eine private Riester-Rente für eine besonders sichere Altersvorsorgeform: Nur jeder sechste (16%) sagt dies 2012 noch. Der Ansehensverfall geht kontinuierlich: 2009 nannten noch 23% der Berufstätigen die private Riester-Rente als besonders sicher, 2010 waren es 21 %, 2011 nur noch 19 %.
Um ein glattes Drittel allein gegenüber dem Vorjahr gesunken ist auch das Interesse an einer Riester-Rente unter Berufstätigen, die ihre Altersvorsorge noch ausbauen wollen: 2011 waren dies noch 12 Prozent, jetzt sind es nur noch 8 Prozent.
Die Bedeutung von Erbschaften zur Altersvorsorge steigt stark
Für mehr als jeden vierten Berufstätigen (29%) spielen erhaltene oder künftige Erbschaften 2012 „eine wichtige Rolle bei der eigenen privaten Altersvorsorge-Planung“!
Nie zuvor in der zehnjährigen Messungsreihe der Postbank wurden Erbschaften so stark als „ideale Form der Altersvorsorge“ gesehen: Unter Berufstätigen springt die Nennung allein gegenüber dem Vorjahr von 21 % in 2011 auf jetzt 27 % - absoluter Rekordwert.
Die Sorge um die EU-Verschuldung und den Euro wächst noch weiter.
Mehr als jeder zweite Berufstätige in Deutschland, exakt 52 %, hat inzwischen „verstärkt Sorgen um seine Altersvorsorge wegen der Verschuldungskrise in der EU und der Eurokrise“. Im Vorjahr waren es 47 %.
Mit 61 % besonders stark ist die Furcht unter Berufstätigen ab 50 Jahren
Die betriebliche Altersvorsorge in Deutschland zur Pflicht zu machen, befürworten die Deutschen mit klarer Mehrheit: 56 % der Deutschen halten das „für einen guten Vorschlag“, nur 19 Prozent nicht, der Rest ist noch unentschieden.
Doch eines muss man diesen Versorgungswerken zugutehalten: Sie veröffentlichen ihre Geschäftsberichte. Viele andere Versorgungswerke rücken die Daten zur Kapitalanlage und Rendite nicht heraus. Wie gut sie dastehen, lässt sich so nicht feststellen. Vertreter der Branche reden sich damit heraus, sie hätten Angst vor einer "Neiddebatte". Normalrentner sollten Ärzte nicht um deren hohe Altersbezüge beneiden.
Kontrolliert werden sollen die Versorgungswerke vor allem von den Mitgliedern selbst. Häufig wählen die ein Aufsichtsgremium, das über die Kapitalanlage wachen soll. Finanzwissen haben Ärzte und Anwälte zwar nicht unbedingt, aber zumindest ein großes Interesse daran, später eine möglichst hohe Rente zu bekommen.
Ein Wechsel ist kaum möglich
Extern kontrollieren die Finanz- oder Wirtschaftsministerien der Länder die Versorgungswerke. Sie sollen darauf achten, dass die zugesagten Leistungen wirklich finanzierbar sind und das Versorgungswerk sich an die Anlagevorschriften hält, also zum Beispiel ähnlich risikoarm investiert wie ein privater Lebensversicherer.
Mitglieder, die mit ihrem berufsständischen Versorgungswerk unzufrieden sind, können dennoch nicht wechseln – es sei denn, sie ziehen um, in das Gebiet eines anderen Versorgungswerks. Dann müssen sie in der Regel auch dort einzahlen.
Gesamtrente sinkt bei Wechsel
Für die schon erworbenen Ansprüche gibt es spezielle Regeln: Ärzte, die jünger als 50 sind und weniger als acht Jahre lang versichert waren, haben die Wahl, ob sie ihre Anwartschaften zum neuen Versorgungswerk mitnehmen oder im alten Versorgungswerk belassen. Sind sie länger als acht Jahre Mitglied, bleibt die Anwartschaft automatisch im alten Versorgungswerk. Diese Mitglieder bekommen später vom alten und vom neuen Versorgungswerk eine Rente. Anwälte haben bei Umzügen bis zum 45. Lebensjahr generell ein Wahlrecht, ob sie Anwartschaften mitnehmen oder nicht. Sind sie schon älter, können sie freiwillig im bisherigen Versorgungswerk bleiben und dort weiter einzahlen.
Muss ein Mitglied sein Versorgungswerk wechseln, kann die prognostizierte Gesamtrente deutlich sinken. Für Betroffene ist das ärgerlich. Gerichte haben die Praxis jedoch immer wieder abgesegnet. Versicherte hätten kein Wahlrecht, an der jeweils günstigsten Versorgungsmöglichkeit festzuhalten, entschied das Oberverwaltungsgericht Lüneburg erst Ende Juli.
Geringere Belastungen
Große Auswahl haben auch Angestellte bei ihrer betrieblichen Altersvorsorge nicht. Sie müssen darauf hoffen, dass ihr Arbeitgeber ihnen eine attraktive Vorsorge bietet und möglichst viel selbst zuschießt. Nur der Anspruch auf die sogenannte Entgeltumwandlung ist gesetzlich festgeschrieben. Dabei zahlen die Angestellten ihre Vorsorgebeiträge aus unversteuertem Einkommen, auch Sozialabgaben fallen nicht an. Erst für die spätere Rente müssen die Versicherten die Abgaben zahlen, meist ist die Belastung dann allerdings geringer. So begünstigt werden Beiträge von maximal vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung, aktuell entspricht das 224 Euro im Monat.
Prinzipiell können Arbeitgeber für ihre Mitarbeiter aus fünf Typen der betrieblichen Altersvorsorge auswählen. Viele Arbeitgeber scheuten aber davor zurück, eine Altersvorsorge anzubieten, für die der Betrieb am Ende geradestehen müsse, sagt Peter Hadasch, Vorstand der Nestlé Pensionskasse und Chef des Verbands der Firmenpensionskassen.
Direktversicherung hat niedrigere Verwaltungskosten
Trifft der Arbeitgeber keine andere Wahl, muss er die Beiträge des Mitarbeiters in eine Direktversicherung stecken. Die Kapitalanlage übernimmt dann ein privater Lebensversicherer. Immerhin liegen die Verwaltungskosten der Direktversicherungen meist deutlich unter denen von privat abgeschlossenen Verträgen.
Oft ist eine betriebliche Altersvorsorge auch per Tarifvertrag festgelegt und dann Pflicht für alle. So etwa die Presseversorgung, die alle Journalisten abschließen müssen. Dahinter steckt eine Direktversicherung, die 5,2 Milliarden Euro Kapital legen mehrere Versicherer an, federführend ist die Allianz.
Auch Pensionskassen investieren in Staatspapiere
4,3 Millionen Angestellte im öffentlichen Dienst zahlen ihre Beiträge der betrieblichen Altersvorsorge an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Die VBL finanziert die Zusatzversorgung überwiegend umlagegedeckt. In den alten Ländern fließen vom Einkommen der öffentlich Beschäftigten dafür 7,86 Prozent Beitrag. Bund oder Land übernehmen mit 6,45 Prozent den größten Anteil.
Die VBL bietet als Pensionskasse auch eine kapitalgedeckte freiwillige Zusatzversorgung an, die sich in den vergangenen Jahren gut geschlagen hat. 2010 lag ihre Nettorendite bei 9,1 Prozent – fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Pensionskassen.
Pensionskassen legen das Kapital der Versicherten ähnlich wie die berufsständischen Versorgungswerke an. Auch sie investierten vor allem in Staatsanleihen oder Schuldscheine von Banken, auch sie müssen trotz Niedrigzins noch ausreichend Rendite erzielen.
Kassen können stille Reserven nur selten ummünzen
Bislang profitieren Versorgungswerke und Pensionskassen von einer simplen Finanz-Arithmetik: Mit den fallenden Zinsen sind die von ihnen gehaltenen, noch höher verzinsten Anleihen wertvoller geworden. Deren Kurse sind daher, insbesondere bei langen Restlaufzeiten von teils 30 Jahren, deutlich gestiegen. Die Folge sind stille Reserven. Doch in der Regel können Pensionskassen und Versorgungswerke diese nicht in echte Erträge ummünzen, da sie ihre Anleihen nicht vor Ende der Laufzeit verkaufen. Sie brauchen die Zinsen schließlich dauerhaft, um damit ihre Renditen stabil zu halten.
Einige Versorgungswerke und Pensionskassen haben die stillen Reserven über spezielle Wetten auf steigende Zinsen abgesichert. So ließen sich die niedrigen Zinsen "eine Weile abfedern", sagt Hadasch vom Pensionskassen-Verband. Berater Kinzler hält das im Einzelfall "durchaus für sinnvoll. Es sollte nur keinesfalls der einzige Ansatz bei der Kapitalanlage sein."
Denn irgendwann müssen Pensionskassen und Versorgungswerke neu anlegen. Dann geht es ihnen nicht besser als Tagesgeldsparern: Sie bekommen nur noch die deutlich niedrigeren aktuellen Zinsen. Wer sein Kapital nicht schon früher breit gestreut hat, bekommt spätestens dann Probleme.