Spätestens seit dem 1. Januar können Altersvorsorge-Sparer die Augen nicht mehr vor der Niedrigzinsrealität verschließen. Seit dem Jahreswechsel garantieren Lebensversicherer den Neukunden bei klassischen Policen nur noch einen Zins von 1,25 Prozent auf ihren Sparanteil, der den monatlichen Beiträgen abzüglich der anfallenden Kosten entspricht. Wie hart die Garantiekürzung die Versicherten in der Praxis trifft, hat das unabhängige Analysehaus Morgen & Morgen (M&M) für "Handelsblatt Online" ausgerechnet.
Neukunden, die ab sofort jeden Monat 100 Euro in eine klassische Rentenpolice einbezahlen, müssen im Marktschnitt 23 Jahre sparen, um bei einem Garantiezins von 1,25 Prozent im Plus zu landen. „Erst nach 23 Jahren garantieren die Versicherer in diesem Fall eine positive Rendite“, sagt Joachim Geiberger, Geschäftsführer von Morgen & Morgen. „In den Jahren 1994 bis 2000, als der Garantiezins noch vier Prozent betrug, erzielten Sparer bereits nach weniger als 12 Jahren einen garantierten Beitragserhalt“.
Typische Irrtümer von Riester-Sparern
Sie übersehen, dass die Verzinsung variabel ist. Die Bank kann also die Zinsen jederzeit senken. Nur Lebens- und Rentenversicherungen müssen laut Gesetz mindestens 1,25 Prozent Zinsen garantieren, ab 2017 sind es nur noch 0,9 Prozent. Für Banksparpläne gilt dieser Garantiezins nicht beziehungsweise erst, wenn das Sparguthaben in eine Rentenversicherung überführt wird. Dann sind die Versicherungsbedingungen zu diesem Zeitpunkt gültig. Garantiezins, Sterbetafeln, etc. können sich also während der Ansparphase noch deutlich zu Ungunsten des Sparers ändern.
Ihnen ist nicht klar, dass ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Sparvertrag oder eine vorgezogene Rentenphase die Auszahlung drastisch schmälert. Denn es fehlen nicht nur Einzahlungsjahre, sondern auch die Rentenbezugsdauer steigt gleichzeitig. Es ist also weniger Geld für mehr Rentenjahre im Topf.
Die Riester-Rente lockt Sparer mit zwei Garantien: Der Auszahlung einer lebenslangen Rente, selbst wenn der Kapitalstock aufgebraucht ist, und der Garantie, dass die Einzahlungen, staatlichen Prämien und die bis zum Rentenbeginn aufgelaufenen Zinsgewinne für die Rente bereit stehen. Das bedeutet aber nicht, dass der Sparer die volle Summe nach zu Lebzeiten ausgezahlt bekommt. Es ist nur eine Garantie dafür, dass der Kapitalstock durch Investition in die falschen Anlagemärkte Verluste erleidet und dahinschmelzen könnte.
Sparer gehen häufig von einer halbwegs realistischen Lebenserwartung aus. Die Anbieter müssen jedoch so kalkulieren, dass sie auch bei Erreichen eines weit überdurchschnittlichen Alters noch eine Rente zahlen können, ohne das Geld anderer Sparer oder ihr eigenes Kapital aufzuwenden, sprich ohne Verluste zu machen.
Sie verwechseln Prognosen und Anlagevorschläge der Anbieter mit Garantien. Dabei gibt es zahlreiche Faktoren, die erheblichen Einfluss auf die Rente haben können. Zum Beispiel ein allgemein sinkendes Zinsniveau, gesetzliche Rahmenbedingungen, Änderungen in den Versicherungsbedingungen, im Steuerrecht und in den Sterbetafeln.
Sie vertrauen auf ihre Bank und ihren Kundenberater. Dabei ist ein Riester-Vertrag eine komplizierte Angelegenheit, bei deren Berechnung auch schnell Fehler passieren. Eine gründliche Prüfung aller Vertragsunterlagen ist Pflicht, am besten durch einen unabhängigen Berater, der gegen Honorar und nicht für eine Verkaufsprovision berät.
Sie konzentrieren sich auf die staatlichen Zulagen und unterschätzen die Steuern in der Auszahlphase. Dabei wird der volle Steuersatz auf das gesamte Guthaben fällig, egal ob Verrentung oder Einmalauszahlung. Vorteilhaft ist diese sogenannte nachgelagerte Besteuerung nur, weil der persönliche Steuersatz mit Renteneintritt in der Regel deutlich sinkt.
Natürlich bieten die Versicherer mehr als den Garantiezins. Bis dato markiert die garantierte Beitragsrendite das Worst-Case-Szenario – die Mindestrendite, auf die Sparer in jedem Falle zählen können, sollten alle Überschüsse ausbleiben. Das ist bislang noch nie passiert. Doch die Luft wird auch hier immer dünner.
Aktuell erzielen Versicherer im Branchendurchschnitt noch eine laufende Verzinsung von 3,15 Prozent. In den vergangenen drei Jahren sank diese aber mit schöner Regelmäßigkeit um rund 20 bis 30 Basispunkte. „Vor dem Hintergrund des niedrigen Garantiezinses kommt der Überschussbeteiligung eine besondere Bedeutung zu“, sagt Lars Gatscke vom Verbraucherzentrale Bundesverband.
Weil die Neuanlage kaum mehr Zinsen einbringt und Versicherer mit den Überschüssen auch Reserven bilden müssen, schmilzt die Überschussbeteiligung dahin. Die führenden Analysehäuser gehen davon aus, dass der sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzt.
Weil es innerhalb des Kollektivs immer weniger zu verteilen gibt, verlieren klassische Lebenpolicen für renditebewusste Sparer an Attraktivität. Wie karg die Renditen in der Praxis ausfallen und mit welchen absoluten Renten die Versicherten im aktuellen Niedrigzinsumfeld rechnen können, zeigt jetzt eine aufwendige Studie. Das Analysehaus Morgen & Morgen hat für Handelsblatt Online ausgewertet, wie stark das Zinstief auf Neuverträge von klassischen Rentenpolicen und Fondspolicen durchschlägt.